Großes Job-Wunder(n) in Regensburg
Regensburg ist „das neue Symbol für das deutsche Jobwunder“. Das behauptet nicht irgendjemand. Das vermeldet (online) die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der Verfasser bezieht sich dabei auf eine „Studie“ von zweifelhaftem Wert. Diese Woche, Stand heute, ist Regensburg übrigens gerade kein Jobwunder. Doch das kann morgen schon ganz anders sein.
Von David Liese
Das freut doch ganz Regensburg: Am Montag berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung von einer echten Arbeitsmarkt-Sensation: Regensburg sei „das neue Symbol für das deutsche Jobwunder“. In Bezug auf die Attraktivität des Arbeitsmarktes habe man sogar die bayerische Landeshauptstadt München auf die hinteren Plätze verwiesen.
Die Datenbasis
Dieser Meldung liegt eine „Studie“ zugrunde, die der Suchmaschinenbetreiber Adzuna durchgeführt hat. Dabei wurden die bei Online-Jobportalen gelisteten freien Stellen in den 75 größten deutschen Städten mit „den jeweils gemeldeten Arbeitslosen“ verglichen. Daraus, so die FAZ, ergibt sich für den Spitzenreiter Regensburg ein Ergebnis von 1,2 Bewerbern pro offene Stelle – ein Wert, der mitunter deutlich vor denen von Ingolstadt und Darmstadt (je 1,3), dem Vorjahres-Spitzenreiter München (1,5) und den übrigen verglichenen Städten liegt.
Die Freude im Rathaus
Oberbürgermeister Hans Schaidinger hat sich über diese Nachricht bereits via Pressemitteilung gefreut: „Es lohnt sich, über viele Jahre hinweg Priorität auf eine gute und ausgewogenen (sic) Wirtschaftspolitik zu setzen. Dank der Unternehmen, der Ausbildungsbetriebe, der Arbeitnehmer und der Stadt belegt Regensburg nun wieder einmal einen Spitzenplatz.“ Dankbar griffen die Lokalmedien diese frohe Botschaft des Oberbürgermeisters auf.
Sieht man sich die aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit und der bei Adzuna gelisteten freien Stellen jeweils für Regensburg aber genauer an, wird man stutzig.
Das Wunder wankt…
Hier stehen 3.861 gemeldete Arbeitslose im Januar 1.698 freien Stellen bei Adzuna gegenüber. Verrechnet man diese Zahlen miteinander, kommt man auf rund 2,3 Bewerber pro Stelle. Das würde im Ranking leider keinen Spitzenplatz bedeuten. Hat Adzuna also andere Daten verwendet? Oder hat sich unsere Redaktion verrechnet? Hat Adzuna vielleicht ein elaborierteres Berechnungsmodell, das bei der Kennzeichnung attraktiver Arbeitsmärkte weitere Faktoren berücksichtigt?
Um es vorweg zu nehmen: Nein.
Eine Anfrage bei dem Suchmaschinenbetreiber schafft schnell Klarheit. Sowohl das simple Berechnungsmodell als auch die Arbeitslosenzahl stimmen. Auch die Zahl von 1.698 freien Stellen sei im Moment korrekt – somit stimme es auch, dass man im Augenblick auf ein Ergebnis von 2,3 Bewerbern pro Stelle komme. Ist die bei der FAZ und der Mittelbayerischen vermeldete Zahl also falsch?
„Ziemlich extreme Schwankung“
Nein, sagt zumindest Matthias Lissner. Er ist Manager bei Adzuna. „Wir unterliegen einer gewissen Fluktuation“, erklärt er. Das sei normal, da Jobinserate ja immer wieder aktualisiert, herausgenommen und neu eingestellt werden würden. Und die Jobzahl, die der „Studie“ zugrunde liegt, stamme von letzter Woche. Das sei schon eine „ziemlich extreme Schwankung“, räumt Lissner ein. Genau genommen müssten nämlich etwa 4.600 Stellen gelistet sein, um auf das Top-Ergebnis 1,2 zu kommen – etwa dreimal so viel, wie aktuell verzeichnet sind.
So ist das eben mit Wundern…
Trotz dieser Diskrepanz hält Lissner an der Aussagekraft der „Studie“ fest. Adzuna sehe die ermittelten Zahlen als ein wichtiges Zeichen dafür, wie attraktiv ein Arbeitsmarkt sei. Die Formulierung, Regensburg sei das neue Symbol des deutschen Jobwunders, stamme zwar aus der Feder des FAZ-Redakteurs. Insgesamt lasse sich aber schon sagen, dass die Rückschlüsse, die in dem Artikel gezogen werden, stimmen würden, so Lissner weiter.
Innerhalb einer Woche rutscht das Jobwunder-Symbol Regensburg also rein rechnerisch von einer Top-Platzierung in Sachen attraktiver Arbeitsmarkt auf die hinteren Ränge ab – wegen Fluktuationen und Schwankungen. Aber so ist das eben mit Wundern – sie kommen und gehen.
In einer Mail schreibt der Adzuna-Verantwortliche später noch, dass man sich im Falle einer Berichterstattung über einen Link auf Adzuna.de sehr freuen würde. Zumindest das ist kein Wunder: Erhöhte Zugriffszahlen, etwa als Folge von Berichten über Jobwunder, Top-Platzierungen und Spitzenreiter, sind für eine solche Suchmaschine schließlich bares Geld wert. Hier der Link.