Wie man Linke herunterputzt
In der letzten Weihnachtssitzung des Stadtrats wurde die traditionelle Harmonie empfindlich gestört. Erneut wurde über die städtischen Ehren für einen Saubermann diskutiert. Und das rief die Verteidiger auf den Plan.
„Wie kann man sich anmaßen, zu glauben, dass die Linken mich überzeugen, dass das, was wir denken falsch ist.“ SPD-Fraktionschef Norbert Hartl redet sich gerade warm. Und er ist am Donnerstag nicht der einzige. Eigentlich ist die letzte Sitzung des Regensburger Stadtrats vor Weihnachten selten von Auseinandersetzungen oder langwierigen Diskussionen geprägt. Man stimmt noch über ein paar Vorlagen ab. Dann darf jemand eine Weihnachtsgeschichte erzählen (in diesem Jahr ist es Horst Meierhofer) und vom Oberbürgermeister gibt es gegenüber jedermann (selbst den Medien) versöhnliche Worte. Anschließend geht es zum gemeinsamen Schmausen in den Ratskeller.
In diesem Jahr wird es aber doch noch ein wenig hitzig.
Und wieder einmal Götz
Die Linken haben nämlich erneut ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, bei dem sie sich schon in den letzten Wochen den Zorn der hiesigen Tageszeitung zugezogen hatten: Es geht – zumindest mittelbar – um die Runtinger-Medaille für Dr. Karlheinz Götz, den Putzmogul, bestens vernetzt mit dem Who is Who von Politik, Kirche und Geldadel.
Trotz mehrerer Ermittlungsverfahren wegen Sozialversicherungsbetrugs im sechsstelligen Bereich und der fragwürdigen Einstellung eines solchen Verfahrens in den 80ern (Götz zahlte Beiträge in Höhe von 425.000 DM nach und 180.000 DM an die Staatskasse), trotz der Tatsache, dass Gewerkschaften scharfe Kritik an dem Unternehmen üben und trotz seines Gebahrens in einem Nürnberger Altenheim, wo er Lohndrückerei betrieb und Betriebsräte als „Parasiten“ beschimpfte, gilt Götz in Regensburg als honoriger Mann, zu dessen Ehrenrettung die Mittelbayerischen Zeitung schon mal Linken-Stadträten aus der Stadt werfen lassen will.
85 Prozent des Stadtrats pro Götz
Entsprechend hoch fiel die Zustimmung zu der Verleihung seinerzeit in der nichtöffentlichen Sitzung aus – keine zehn der insgesamt 50 Stadträte sahen einen Grund, Götz diese Ehre nicht zuzuerkennen. Scharf war auch die Kritik des Gros der Politprominenz an den Linken, als diese die Sinnhaftigkeit der Verleihung infrage stellten.
Für die so gescholtenen Stadträte Irmgard Freihoffer und Richard Spieß liegt die Verleihung und die Schärfe der Debatte vor allem in einem Mangel an Information begründet. Bei den Vorbesprechungen zur Verleihung waren nur die Fraktionsvorsitzenden beteiligt. Die übrigen Stadträte erfuhren davon erst per mündlicher Mitteilung in der entsprechenden Sitzung. Und so beantragten Spieß und Freihoffer am Donnerstag, ein neues Gremium, „eine Art Ehrenrat“, einzurichten, in das künftig Vertreter aller politischen Gruppierungen entsandt werden sollten, um solche Preisverleihungen zu beraten.
Das (am Ende durch FDP, Grüne, CSU, CSB, Freie Wähler und SPD mehrheitlich abgelehnte) Thema Ehrenrat geriet aber zur Randnotiz.
Der „Ehrendoktor“
War der Antrag doch eine Steilvorlage für manchen Vertreter anderer Parteien, um sich erneut für Karlheinz Götz in die Bresche zu werfen. Ludwig Artinger, seines Zeichens Richter und Fraktionschef der Freien Wähler, bezeichnet den Vorstoß am Donnerstag als „billiges Nachtreten gegenüber Herrn Dr. Ehrendoktor Götz“. Die Linken hätten „Dinge in die Öffentlichkeit getragen, die nichtöffentlich gehören“ und hätten damit Götz, die Stadt und deren Auszeichnungen beschädigt.
UPDATE: Nach Rücksprache mit Herrn Artinger korrigieren wir seine hier im Text wiedergegebene Aussage. Er hat “Herrn Dr. Götz” gesagt, wir haben “Ehrendoktor” verstanden.
Abgesehen davon, dass die Ehrung Götzens durch eine städtische Pressemitteilung öffentlich gemacht wurde, irrt Artinger, was den „Ehrendoktor“ anbelangt. Götz hat seinen Doktortitel nicht ehrenhalber erhalten, sondern ihn per Promotion erworben. Seine Arbeit schrieb er 2005 zum Thema „Die Entwicklung des Schulwesens in der Oberpfalz und in der freien Reichsstadt Regensburg bis 1810 sowie in Salzburg bis 1816“ an der – mutmaßlich auf diesem Gebiet besonders geeigneten – Universität Oviedo, Spanien. Doch das nur am Rande.
Der nicht Verantwortliche
Besonders wissend zeigt sich Norbert Hartl („Wie kann man sich anmaßen, zu glauben, dass die Linken mich überzeugen, dass das, was wir denken falsch ist.“). Dass Götz Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen habe, sei ihm nicht bekannt. „Vor 30 Jahren war er ja gar nicht für das Unternehmen verantwortlich.“ Auch wenn es sich dabei nur um eine Spitzfindigkeit handelt, scheint Hartl tatsächlich sehr gut Bescheid zu wissen.
Als die Staatsanwaltschaft 1985 ihre Ermittlungen aufnahm war nominell die Ehefrau von Karlheinz Götz Geschäftsführerin des damals bereits 6.000 Beschäftigte (200 davon fest angestellt) zählenden Unternehmens. Allerdings war es auch ein offenes Geheimnis, wer tatsächlich die Fäden in der Hand hielt. Doch auch das nur am Rande.
Der Unschuldige
Denn in Hartls Augen sei ja der Auftraggeber schuld, wenn der Druck auf eine Putzfrau zu hoch sei. Die Stadt Regensburg habe Kriterien, in denen auch die Qualität eine Rolle spiele, während es etwa an der Universität allein auf den Preis ankomme. Insofern sei Götz hier überhaupt nicht verantwortlich.
Hier beginnt OB Hans Schaidinger mit warnenden Worten einzugreifen. Er wolle „zwar keine Wortmeldungen zensieren“, doch sei es schon an den Stadträten selbst, darauf zu achten, was in eine öffentliche Sitzung gehöre. Überhaupt widmet sich Schaidinger ausschließlich dem formalen Teil des Linken-Antrags. Diese seien nun mal keine Fraktion und hätten damit eben – auch in Einklang mit Gemeindeordnung und höchstrichterlicher Rechtsprechung – eingeschränktere Rechte.
Das hat doch jeder eh gewusst…
Bleibt noch Christian Schlegl zu erwähnen, der als CSU-Fraktionschef „analytisch an die Sache herangehen“ wollte und die Linken darauf hinwies, dass sie doch nicht glauben sollten, dass „Dinge anders entschieden werden, nur weil Sie dabei sind“. „Das ist ihr Grunddenkfehler.“ Hartl schrieb er ins Stammbuch, dass natürlich auch der Unternehmer Verantwortung für niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen trage. Und überhaupt, so Schlegl: Irgendwas Neues hätten die zwei Stadträte Spieß und Freihoffer da überhaupt nicht erzählt. „Was sie da ausgegraben haben, weiß doch jeder, der sich in dieser Stadt ein wenig auskennt.“ Na eben.
„Der tatsächliche Skandal aber ist, dass dieses Treiben schon lange bekannt war, der Ehrenmann Götz aber stets nur mit Glacé-Handschuhen angefasst worden ist und obendrein noch mit öffentlichen Aufträgen belohnt wurde.“
Harald Raab in „Die Woche“ am 27. Dezember 1985