„Wenn’s weh tut, nimmt man das wie eine Frau“
„A ruffian’s game played by gentlemen.“ So lautet ein geflügeltes Wort über den englischen Volkssport Rugby. Und ein wenig mag man sich daran erinnert fühlen, wenn man am Montag in der Trainingshalle des ESV 1927 Regensburg vorbei schaut, auch wenn es keine Gentlemen, sondern Ladies sind, die sich hier einer etwas raueren Sportart widmen.
Zu Punkrock flitzen zehn junge Damen – mal schneller, mal langsamer, mal sicherer, mal noch etwas wackelig – auf Rollschuhen durch die Halle, ausgerüstet mit Helm, Mundschutz, Knie- und Ellbogenschonern. Und gerade läuft „Suicide“ – Hip-, Fullbody- und Shoulder-Blocks werden geübt, ebenso die damit einhergehenden Stürze. Trainingszeit bei den „RATisbona Rollergirls“, einer vergleichsweise jungen Truppe, die in Regensburg eine Roller Derby-Mannschaft auf die Beine stellen will.
Roller Derby? „Ein recht kuscheliger Sport“, meint die 31jährige Kerstin, nachdem sie den Mundschutz kurz herausgenommen hat. „Man hat viel Körperkontakt.“ Und es ist – auch wenn es die eine oder andere Herrenmannschaft gibt (dann nennt sich das Ganze, etwas despektierlich klingend, „Merby“) vor allem ein Frauensport.
Die Wurzeln dieses Vollkontaktsports liegen in den USA. Mitte der 30er Jahre traten in Chicago 25 Zweiterteams – ein Mann und eine Frau – auf einer ovalen Bahn zum Marathon-Skaten gegeneinander an. 57.000 Runden galt es zu bestreiten. Rempeleien erlaubt. Gewonnen hatte, wer zuletzt noch auf der Bahn stand. Eine raue Angelegenheit, die mit allerlei Verletzungen einherging. Mitte der 70er verschwand der Sport denn auch mangels Spielerinnen in der Versenkung und erlebte erst Anfang 2000 wieder ein Revival – in Texas. Aus dem Umfeld der Riot Girl-Bewegung sei das gekommen, so Kerstin. „Ein feministischer Charakter lässt sich da nicht verleugnen.“
Erst seit Oktober sind die „RATisbona Rollergirls“ beim ESV dabei und können die Halle nutzen. Im Sommer fand das Training auf Parkplätzen und Asphaltflächen rund um Regensburg statt. Jetzt sind sie schon einen Schritt weiter – fehlt nur noch die Halle mit Skate-Bahn, um irgendwann im Kreis der offiziellen Roller Derby-Liga mitmischen zu können. Insgesamt gibt es etwa 30 Mannschaften in Deutschland.
„Dass sich beim Roller Derby Frauen auf Rollschuhen und in knappen Outfits Arschtritte verpassen, ist falsch“, sagt Steffi. Sie war mehrfach bei einem Intensiv-Training – Boot Camp genannt, hat schon ein halbes Jahr bei einer Roller Derby-Mannschaft in Prag mittrainiert und wird demnächst einen Trainerlehrgang absolvieren. „Heute gibt es Regeln und Vorschriften, die aus einer sexy, aber sinnlosen Prügelei einen ernstzunehmenden Sport machen.“
Die Regeln in groben Zügen: Beim Roller Derby gibt es keinen Ball. Ein Spiel – Bout genannt – dauert zwei Halbzeiten á 30 Minuten, es treten zwei Teams aus jeweils fünf Spielerinnen gegeneinander an und skaten um eine ovale Bahn. Und während eine Spielerin („Jammer“) versuchen muss, möglichst viele Gegnerinnen zu überholen, sind vier Blocker – das „Pack“ – damit beschäftigt, den eigenen Jammer noch vorne zu bringen bzw. den gegnerischen eben zu blocken oder zu Fall zu bringen.
Kerstin ist erst seit ein paar Wochen dabei und – um im Jargon zu bleiben – „Fresh Meat“. Das gilt auch für die meisten anderen. Derzeit absolvieren sie denn auch noch keine Bouts, sondern trainieren Blocken, Bremsen und möglichst schmerzfreies Hinfallen. „Körperliche Fitness ist erst mal nicht wichtig. Das kommt schon mit der Zeit“, meint Kerstin. Und freilich könne es bei allem Üben auch mal zu etwas schmerzhafteren Stürzen kommen. „Aber ein Rollergirl nimmt das wie eine Frau, auch wenn’s mal weh tut.“ Dann beißt sie wieder auf den Mundschutz und übt weiter Suicide.