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Archiv für 5. September 2013

Von Antifa bis CSU reichte der Widerstand gegen die NPD am Donnerstag. Eine Blockade von Gegendemonstranten räumte die Polizei mit Gewalt.
Hunderte von Gegendemonstranten protestierten am Domplatz abgeschirmt durch Polizeibusse gegen die NPD.

Hunderte von Gegendemonstranten protestierten am Domplatz abgeschirmt durch Polizeibusse gegen die NPD.

Nein. Sie mag sie nicht – diese Schwulen. Überhaupt nicht. Es ist das Thema, dem Sigrid Schüßler wohl den größten Redeanteil widmet. Selbst die Farben des Regenbogens haben sie gestohlen, diese Menschen, von denen sich die Spitzenkandidatin der bayerischen NPD „gar nicht vorstellen will, wie die sich gegenseitig selbstbefriedigen“. Und auf der Straße sehen, wie beim Christopher-Street-Day, will sie sie auch nicht.
Schwulenhasserin Sigrid Schüßler neben Karl "Hitler-Gruß" Richter. Im Vordergrund: der Fahrer des NPD-Trucks.

Schwulenhasserin Sigrid Schüßler neben Karl “Hitler-Gruß” Richter. Im Vordergrund: der Fahrer des NPD-Trucks, Gustav Haenschke (NPD Magdeburg).

In Regensburg will niemand Sigrid Schüßler sehen, geschweige denn hören. Und weil die „weit über 1.000 Gegendemonstranten“ (Polizeiangaben) den in einstelliger Zahl, mit einer guten Stunde Verspätung um kurz nach 17 Uhr angereisten Neonazis und ihrem „Flaggschiff“ den Weg zum Kohlenmarkt versperren, hat Polizeidirektor Wolfgang Mache deren Kundgebung vor das Westportal des Doms verlegt. Eine „taktische Maßnahme“, wie er erklärt. Bereitschaftspolizisten begleiten zahlreiche Touristen, die verwundert und teils etwas geschockt aus dem Dom kommen raus aus dem abgesperrten Bereich.
Vergebliches Warten am Kohlenmarkt: Die NPD kommt dort nie an.

Vergebliches Warten am Kohlenmarkt: Die NPD kommt dort nie an.

Die NPDler bleiben dort eine gute Stunde, durch Polizeibusse und Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei breit abgeschirmt von den Gegendemonstranten. Begleitet von zwei Fotografen, die sich mit Gegendemonstranten und Journalisten „beschäftigen“, sie abknipsen oder ihnen einfach mit Drohgebärde im Weg stehen. Mit einer Anlage, deren Lautstärke man jeder Band und jeder anderen politischen Gruppierung untersagen würde und die die Ordnungsbehörden der Stadt so niemals hätten genehmigen müssen. Allesamt bewaffnet mit Regenschirmen mit Metallspitze, deren Verbot man ohne weiteres zur Auflage hätte machen können.
Wieder einmal: Die NPDler dürfen alle Schirme mit Metallspitze mit sich führen.

Wieder einmal: Die NPDler dürfen alle Schirme mit Metallspitze mit sich führen.

Als einer der Schirmträger damit eine Journalistin bedroht, die sich beim Fotografieren zu sehr in seine Nähe gewagt hat, dauert es etwas, bis die Polizei dazwischen geht. Man hat die Gegendemonstranten im Auge, die nicht nur mit Trillerpfeifen, Transparenten und Sprechchören ihre Ablehnung demonstrieren – es fliegen auch Tomaten, Eier, Konfetti, Luftschlangen und vereinzelt auch Flaschen.

Schläger und Volksverhetzer

Unterdessen beschimpft Sigrid Schüßler in einer recht wirren Rede die Gegendemo und redet davon, dass die NPD eine „Partei des Friedens“ sei. Ihrem Mann mögen dabei die Ohren klingen: Der vorbestrafte Falko Schüßler macht seit fast 30 Jahren als Nazi Karriere – von der mittlerweile verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei über die ebenfalls verbotene Wiking-Jugend bis hin zu einer Waffen und Sprengstoff hortenden Kameradschaft und der NPD. LuftschlangenEbenfalls vorbestraft ist Schüßlers Vorredner Karl Richter. Er wurde unter anderem dadurch bekannt, dass er seinen Eid im Münchner Stadtrat mit dem Hitlergruß leistete. Und ein weiterer Mitreisender, der JN-Vorsitzende Andy Knape, hat sich im vergangenen Jahr in Regensburg eine Vorstrafe wegen Körperverletzung eingefangen, als er einem Gegendemonstranten mit der Faust ins Gesicht schlug (UPDATE: In der Berufung vor dem Landgericht Regensburg wurde das Verfahren gegen Knape am 14.10.2013 eingestellt.). Für den namenlos bleibenden Mann, der am Donnerstag die Journalistin bedroht, bleibt die Sache folgenlos.
Weiträumig abgeschirmt: Die NPD am Domplatz. Foto: Herbert Baumgärtner

Weiträumig abgeschirmt: Die NPD am Domplatz. Foto: Herbert Baumgärtner

Der Widerstand am Donnerstag ist sehr breit – so wie er es seit ein paar Jahren eigentlich immer ist, wenn der braune Wanderzirkus Regensburg einen Besuch abstattet. Dem Aufruf von Joachim Wolbergs zur Gegenkundgebung, die bereits um 16 Uhr am Haidplatz stattgefunden hat, haben sich alle im Stadtrat vertretenen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und die jüdische Gemeinde angeschlossen. Das Spektrum reicht von der CSU bis zur Antifa. Und das bleibt – mit gewissen Einschränkungen – auch später am Domplatz so.
Gegendemonstration am Haidplatz: Sämtliche Parteien im Stadtrat riefen dazu auf.

Gegendemonstration am Haidplatz: Sämtliche Parteien im Stadtrat riefen dazu auf.

Aber es mag zumindest nachdenklich stimmen, wenn Gewerkschaftssekretär Andreas Schmal die Einigkeit mit seiner Rede ein wenig trübt, wenn er sagt, dass man „es sich nicht zu leicht machen“ dürfe.
„Das Problem sind nicht nur die Nazis heute am Kohlenmarkt. Von denen kann man sich leicht abgrenzen. Das Problem ist auch deren Ideologie, die nach Studien auch in der Bevölkerung Widerhall findet. Seien es die unsäglichen rassistischen Halbwahrheiten eines Thilo Sarrazins oder die immer wieder widerlegten, trotzdem von Bundesinnenminister wiederholten Aussagen zu vermeintlichen Armutsflüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland oder die Behandlung der Flüchtlinge auf ihrem Protestmarsch nach München oder verharmlosend als Israelkritik bezeichneter Antisemitismus gegenüber Juden im In- und Ausland.   Man muss immer aufpassen, nicht zum Stichwortgeber für die Rechten zu werden und nicht diese Ideologien der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen zu befördern.“ DGB-Sekretär Andreas Schmal
Als die Reden der NPD schon eine Weile laufen, beginnen schließlich die Glocken des Doms zu läuten. Gegendemonstranten um Stadträtin Bernadette Dechant hatten Bischof Rudolf Voderholzer zuvor beim Abendessen aufgestöbert und ihn darum gebeten, das doch zu veranlassen. Spätestens jetzt ist etwas außerhalb des Absperrungsrings nichts mehr von den Parolen gegen Schwule, Asylanten, die EU und die „halbkriminellen Systemparteien“ zu hören.
Schläge, Tritte, Reizgas: Das USK räumt die Blockade.

Schläge, Tritte, Reizgas: Das USK räumt die Blockade.

Als das Schauspiel beendet ist und der NPD-Truck Regensburg über den Domplatz wieder verlassen will, lassen sich mehrere Gegendemonstranten zu einer Sitzblockade nieder. Nach mehreren erfolglosen Aufforderungen per Lautsprecher, die Straßen freizugeben, kommt schließlich die schwarzgewandete USK-Truppe zum Einsatz und räumt die Straße mit Gewalt. Es gibt Tritte und Faustschläge.

Mehrere Verletzte, sechs Festnahmen

Auch Pfefferspray kommt zum Einsatz und wird – teilweise wahllos, teilweise gezielt – in die Reihen gesprüht, während sich der Lkw im Zentimeterabstand an den Menschenmassen vorbeidrückt. Mit verklebten Augen sieht man im Anschluss Jugendliche, aber auch Rentner am Straßenrand stehen. Bürgermeister Wolbergs und Polizeidirektor Mache werden im Anschluss mehrfach in heftige Diskussionen mit Passanten verwickelt. USK3Nach Angaben der Polizei wurden drei Beamte leicht verletzt. Aussagen über verletzte Gegendemonstranten, die es ebenfalls gab, trifft der Polizeibericht vom Donnerstag nicht. Insgesamt wurden sechs Personen „wegen anlassbezogener Delikte“ festgenommen. Der NPD-Truck hat die Stadt um kurz nach 19 Uhr verlassen.
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