„Edward Snowden“ zeigt Prof und Kanzler an
Die Affäre um die Nebentätigkeiten von Professor Wolfgang Schäfers beschäftigt nun auch die Regensburger Staatsanwaltschaft. Es gibt eine anonyme Strafanzeige.
Die E-Mail-Adresse ist schon sehr konspirativ. „Edward Snowden“ nennt sich der Anonymus, der am heutigen Donnerstag eine Strafanzeige an die Regensburger Staatsanwaltschaft geschickt hat. Es geht um die Nebentätigkeiten-Affäre von Professor Dr. Wolfgang Schäfers – der Lehrstuhlinhaber am Institut für Immobilienwirtschaft hat „nebenbei“ auch eine steile Karriere in der freien Wirtschaft hingelegt. Dass das alles rechtens war, ist zumindest zweifelhaft.
Gegen Schäfers, Kanzler und „Unbekannt im Wissenschaftsministerium“
Wegen des Verdachts auf „Untreue, Anstiftung zur Untreue und Betrugs zum Nachteil des Freistaats Bayern“ hat nun der anonyme und offensichtlich mit juristischen Kenntnissen beschlagene Verfasser nicht nur gegen Wolfgang Schäfers, sondern auch Uni-Kanzler Dr. Christian Blomeyer und „Unbekannt im Wissenschaftsministerium“ Strafanzeige erstattet.
Die Staatsanwaltschaft Regensburg will den Eingang offiziell nicht bestätigen, allerdings ging die entsprechende E-Mail in Blindkopie auch an verschiedene Medien. Konkret geht es um die vielen Ungereimtheiten in Schäfers Nebentätigkeits-Vita, über die Regensburg Digital bereits mehrfach berichtet hat:
- sechs statt der gesetzlich erlaubten fünf Jahre Sonderurlaub
- die Widersprüche zu Schäfers’ Tätigkeit für das Bankhaus Sal. Oppenheim
- Vergütung und Art der Genehmigung von Schäfers’ Tätigkeit als Vorstandssprecher für den Immobilienkonzern IVG AG seit Januar 2013
Betrug zulasten des Freistaats?
Es bestehe der Verdacht, dass der Kanzler rechtswidrige Nebentätigkeitsgenehmigungen erteilt habe. Dies erfülle den Tatbestand der Untreue. Bei Professor Schäfers sei der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, „dass er (…) den Kanzler bewusst zu einer rechtswidrigen Erteilung veranlasst und ihn somit (…) zur Begehung einer Untreue in strafbarer Weise angestiftet“ habe. Schäfers selbst habe sich möglicherweise des Betrugs zulasten des Freistaats Bayern schuldig gemacht.
„Anonymität kein Grund, der Anzeige nicht nachzugehen“
Abschließend schreibt der unbekannte Anzeigenerstatter:
„Ich rege aus den dargelegten Gründen an, dem geschilderten Verdacht nachzugehen und gegen die beiden o.a. Personen ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass die Anonymität der Anzeige nach den einschlägigen Kommentierungen zu § 158 StPO keinen Grund bildet, bei Schlüssigkeit der Anzeige ihr nicht nachzugehen.“
Wie die Regensburger Staatsanwaltschaft mit der Strafanzeige umgehen wird, dürfte frühestens im Lauf des morgigen Freitags zu erfahren sein.
Die Anzeige im Original-Wortlaut:
An die
Staatsanwaltschaft
bei dem Landgericht Regensburg
Betreff: Strafanzeige gegen
1. den Kanzler der Universität Regensburg, Herrn Dr. Christian Blomeyer
2. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Schäfers, Lehrstuhlinhaber am Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg
3. Unbekannt im Bayerischen Wissenschaftsministerium
wegen Untreue, Anstiftung zur Untreue und Betrugs zum Nachteil des Freistaats Bayern
Mit Sorge sehe ich, dass trotz einer breiten Presseberichterstattung über die sog. „Schäfers-Affäre” (s. Anlagen) bisher offenbar weder von Amts wegen noch auf eine Strafanzeige der Dienstvorgesetzten der o .a. Personen hin ein Ermittlungsverfahren gegen die Beteiligten eingeleitet worden ist, obwohl sich ein Anfangsverdacht bzgl. der §§ 266, 25, 11 StGB im Hinblick auf den Kanzler der Universität und bzgl. einer Anstiftung (§§ 266, 26 StGB) hierzu durch den o.g. Universitätsprofessor sowie bzgl. eines von diesem gegenüber dem Freistaat Bayern begangenen Betrugs (§§ 263, 25 11, 13 StGB ) aufdrängt. Deshalb erstatte ich hiermit Strafanzeige und möchte dazu in Kürze. auf drei Sachverhalte hinweisen, die den genannten Verdacht ergeben.
1. Nicht genehmigte Tätigkeit beim Bankhaus Sal. Oppenheim im Zeitraum 2005-2007
Offensichtlich hat Herr Schäfers im o.a. Zeitraum weiterhin als Leiter der Immobilienabteilung (Head of Real Estate) bei Sal. Oppenheim gearbeitet. Nur die rechtliche Form wurde von einem Anstellungsvertrag in einen Beratungsvertrag geändert. Es ist der begründete Anfangsverdacht gegeben, dass dies in vergleichbarem zeitlichem Umfang und gegen vergleichbare Entlohnung erfolgte wie im Anstellungsverhältnis in den Jahren 2002-2004. Die Universität hat erklärt, dass hierzu keine Genehmigung vorlag. Dennoch ist Herr Schäfers in den Medien und wohl auch auf der Homepage der Bank weiterhin als Managing Director / Head of Real Estate aufgetreten.
2. Fehlerhafte Angaben über geleistete Vorlesungen
3. Widerrechtlich genehmigte Beurlaubung im Jahre 2012
Herr Schäfers wurde ein weiteres Jahr Beurlaubung genehmigt, obwohl die maximale Beurlaubungsdauer von fünf Jahren bereits überschritten war.
4. Widerrechtlich erteilte Nebentätigkeit im Jahre 2013
Herrn Schäfers wurde eine offensichtlich rechtswidrige Nebentätigkeit zur Leitung eines multinationalen Konzerns erteilt, obwohl dies schon allein vom zeitlichen Umfang nicht darstellbar ist.
1. Lt. Presseberichterstattung war – nach Auskunft des Bankhauses Sal. Oppenheim und seiner eigenen, zunächst unkorrigierten Vita auf der Homepage – Herr Prof. Schäfers in der Zeit von 2002 – 2009 durchgehend für die Bank tätig, zeitweise in Vollzeit, zeitweise als externer Berater. Bei seinem Dienstantritt als C-4 Professsor im Institut für Immobilienwirtschaft 2004 ist ihm lt. wiedergegebener Mitteilung der Universität Regensburg zunächst vom WS 2004/05 bis zum 30.09.2005 – also für ein Jahr lang – Sonderurlaub gewährt worden, um seine Tätigkeit bei Sal. Oppenheim (offenbar der Planung und der späteren Entwicklung zuwider) “zu Ende zu führen”. In der Zeit vom 1.10.2005 – 31.12.2007 soll Herr Schäfers nach Auskunft der Universität weder Sonderurlaub noch eine Nebentätigkeitsgenehmigung gehabt haben, obwohl er augenscheinlich die Tätigkeit im Bankhaus Oppenheim – in welcher Form auch immer – in dieser Zeit fortgesetzt und z.B. 2007 in der Eigenschaft als Leiter des Real Estatements bei dieser Bank ein Interview gegeben hat. Von 2008 – 2012 ist Herrn Schäfers erneut Sonderurlaub erteilt worden, also für weitere fünf Jahre. In dieser Zeit – nämlich nach Ablauf des Jahres 2009 – ist Herr Schäfers zu der IVG Immobilien AG in Bonn übergewechselt, zunächst als Finanzvorstand, ab 2012 dann als Sprecher oder Vorsitzender des Vorstands. Mit Beginn des Jahres 2013 endete der Sonderurlaub. Seitdem nimmt -lt. in der Presse wiedergegebener Auskunft der Universität – Herr Schäfers den Posten eines Vorstandsvorsitzenden als “genehmigte Tätigkeit” wahr. 2012 soll er eine Barvergütung von 512.000 Euro und eine aktienbasierte Vergütung von 450.000 Euro erhalten haben. Über die Bezüge für 2013 herrscht Unklarheit. Dass sie möglicherweise – für die aufwendige (Sanierungs-)Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender vollkommen unangemessen – unter 30.000 Euro liegen werde, erscheint als vage und eine wenig glaubwürdige Auskunft.
Treffen diese Angaben zu, hat der Kanzler der Universität Regensburg, der über die Gewährung von Sonderurlaub und die Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen zu entscheiden hat, nach den hierfür einschlägigen bayerischen Hochschulverordnungen ad 1 für das Jahr 2012 deshalb rechtswidrig Sonderurlaub erteilt, weil Herr Schäfers diesen bis dahin seit seinem Dienstantritt 2004 bereits für fünf Jahre beansprucht hatte, mehr aber nicht genehmigungsfähig ist.
In den Jahren 2005 – 2007 ist der Kanzler dann ad 2 dem sich aufdrängenden Verdacht, dass Herr Schäfers seine Tätigkeit bei Sal. Oppenheim ohne Sonderurlaub oder Nebentätigkeitsanzeige weiter fortgeführt hat, pflichtwidrig nicht nachgegangen und hat demzufolge auch nichts unternommen, um die mit den Verpflichtungen eines Lehrstuhlinhabers nicht kompatible Tätigkeit zu unterbinden.
Für das Jahr 2013 hat der Kanzler ad 3 – offenbar als Nebentätigkeit, da es neben dieser und dem Sonderurlaub nichts Drittes gibt – die Tätigkeit Herrn Schäfers neben seinem Hauptamt als Professor als Vorstandsvorsitzender der IVG rechtswidrig genehmigt; rechtswidrig deshalb, weil – wie der zuvor in Anspruch genommene Sonderurlaub zeigt – die übernommene Tätigkeit die volle Arbeitskraft Herrn Schäfers beansprucht und vermutlich weit über die vertretbare Grenze hinaus vergütet wird.
Bei diesen Verhaltensweisen liegt – bezogen auf den Kanzler – der Verdacht der Untreue in einem besonders schweren Fall (§§ 266 I, II, 263 III 2 Nr. 4 StGB) vor. Der Kanzler hat seine Befugnis, durch Gewährung von Sonderurlaub bzw. einer Nebentätigkeitsgenehmigung für den Freistaat Bayern bzw. seine Universität vermögensrelevante Verfügungen zu treffen, in seiner Stellung als Amtsträger (§ 263 III 2 Nr.4 StGB) missbraucht bzw. die ihm kraft Gesetzes obliegende Pflicht, die Vermögensinteressen der bezeichneten Körperschaften wahrzunehmen, verletzt, indem er rechtswidrig Sonderurlaub (2012) gewährt, rechtswidrig eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt (2013) und gegen eine (wahrscheinlich) ohne Sonderurlaub oder Anzeige fortgesetzte Beratungstätigkeit (2005 – 2007) nicht unterbunden hat, obwohl er hierzu als Sachwalter staatlichen Vermögens verpflichtet war. Der Verstoß gegen die Nebentätigkeits- und SonderurlaubsVO ist deshalb ein Verstoß auch gegen das Vermögen des Staates schützende Normen, weil dort die Voraussetzungen beschrieben sind, unter denen der Staat trotz Vollalimentierung (Nebentätigkeit) auf einen Teil der Arbeitsleistung verzichten oder die Arbeitskraft vorübergehend unter Einstellung der Bezüge nicht in Anspruch nehmen darf.
Der Nachteil (= Vermögensschaden) liegt im ersteren Fall auf der Hand, ist aber auch im Sonderurlaubsfall gegeben, da Land und Universität vermögensrelevante Aufwendungen machen müssen, um den Ausfall studiengerecht auszugleichen. Dass den Kanzler die für § 266 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht trifft, ist angesichts seiner Entscheidungskompetenzen und Aufgabenbeschreibung unzweifelhaft. Das gilt auch für die Annahme, dass der Kanzler wissentlich und willentlich im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seines Tuns gehandelt hat.
2. In Bezug auf Herrn Prof.Schäfers ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass er durch die Beantragung des Sonderurlaubs 2012 und der Nebentätigkeitsgenehmigung 2013 den Kanzler bewusst zu einer rechtswidrigen Erteilung veranlasst und ihn somit – folgt man den Ausführungen unter 1) – zur Begehung einer Untreue in strafbarer Weise angestiftet hat (§§ 266 I,II, 263 III 2 Nr.4, 26, 28 I StGB ).
3. In Betracht kommt schließlich für Herrn Schäfers ein Betrug zulasten des Freistaates Bayern. Einerseits liegt es nahe, dass er in den Jahren 2005 — 2007 außerstande war, angesichts der offenbar fortgesetzten Tätigkeit bei Sal. Oppenheim die geschuldete Arbeitsleistung in vollem Umfang zu erbringen. Dass er sie fortgesetzt hat, hat er möglicherweise verschwiegen, obwohl er – durch Anzeige der Nebentätigkeit – verpflichtet war, seinen Dienstherrn über seine Tätigkeit zu unterrichten. War auch diese von einem Umfang, der Herrn Schäfers die Erfüllung seiner Pflichten als Hochschullehrer teilweise unmöglich gemacht hat, ist auch ein Vermögensschaden gegeben. Vorsatz und rechtswidrige Bereicherungsabsicht liegen dann auf der Hand.
Es erscheint zudem ausgeschlossen, dass Herr Schäfers zurückliegend und z.Zt. seinen Lehrverpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen in der Lage ist. Da Hochschullehrer verpflichtet sind, dem Dienstherrn die Erfüllung ihrer Lehrpflicht semesterweise nachträglich zu bestätigen, läge in einer solchen ggf. abgegebenen Erklärung eine weitere betrugsbegründende Täuschung. Da das Gehalt auch eines Beamten in gewisser Weise auch in einem Synallagma zu den geschuldeten Leistungen steht, liegt auch insoweit die vorsätzliche Herbeiführung eines Vermögensschadens in rechtswidriger Bereicherungsabsicht nahe.
Ich rege aus den dargelegten Gründen an, dem geschilderten Verdacht nachzugehen und gegen die beiden o.a. Personen ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass die Anonymität der Anzeige nach den einschlägigen Kommentierungen zu § 158 StPO keinen Grund bildet, bei Schlüssigkeit der Anzeige ihr nicht nachzugehen.
Von der Erstattung dieser Anzeige werde ich die Presse unterrichten.