Verspielt, übertrieben und mit viel Liebe zum Barock: Am Samstag feierte Purcells The Fairy Queen am Regensburger Stadttheater Premiere.
Der kleine Oberon und seine Tanten (v.l. Vera Semieniuk, Valérie Junker und Theodora Varga). Fotos: Martin Sigmund
Barockopern sind ja doch etwas speziell: Es gibt ein Cembalo (hier sogar zwei), dieses seltsam dängelnde Instrument, das man immer mit pittoresken Kostümfilmen assoziiert. Leute spielen Blockflöte und es klingt so gar nicht nach Kinderchor. Und auf der Bühne unglaubliches Spektakel. Die Barockoper hat ja den Koloraturgesang hervorgebracht – so ein bisschen wie ein Jodeldiplom, man hat was eigenes. In der Fairy Queen allerdings auf einen ironischen Kontrapunkt gebracht, zeigen vor allem Oberons böse Tanten (hinreißend spielfreudig: Theodora Varga und Vera Semieniuk), dass sie das künstlerische Mimimi auf unglaublich komische Art persiflieren können.
Aber zur Story, die Regisseurin Lydia Steier aus Purcells Nummernrevue gebastelt hat: Das Feenreich ist eine Parodie absolutistischer Herrschaft. Der frisch geborene Oberon (Valérie Junker) wird der sterbenden Mutter entrissen, weil er als zukünftiger Herrscher eh nichts zu melden hat. Die Feen, grausam und unmenschlich als schöner Gegenentwurf zum zuckerigen Disney-Universum, piesacken den stummen Helden, der dem nichts entgegenzusetzen hat. Der Vater Oberons (Mario Klein) ist abweisend, die Tanten putzen und zuppeln an ihm herum – kurz: Oberon hat die Nase voll und läuft davon, in die Menschenwelt.
Dort begegnet er einer Gruppe Schülerinnen, die einen Obdachlosen quälen: Die Welt der Menschen ist also auch nicht viel besser als die Welt der Feen, Grausamkeiten allerorten. Eine der Schülerinnen allerdings, Titania (Aurora Perry), hat es dem kindlichen Oberon angetan. Wir Zuschauer verfolgen sodann die Verwandlung des Mädchens in eine Frau und Oberons Prozess der Mannwerdung.
Was klingt wie eine romantische Liebesstory zerbricht allerdings am Alltag in einer heruntergekommenen Wohnsiedlung. Und am Milchmann (Jongmin Yoon), der sich um Titania „kümmert“, als Oberon wutentbrannt nach einem Streit davonstürmt. Wer schon immer mal eine operesk-übertriebene Sexdarstellung im Takt (!) der Musik (!) sehen wollte – hier ist die einzigartige Chance. Der geschasste Oberon zieht sich beleidigt zurück ins Feenreich und kommt grade rechtzeitig um seinem Vater beim Sterben zuzusehen. Wie praktisch. Als neuer Herrscher muss er natürlich standesgemäß verheiratet werden, aber da steht Titania vor der Tür – hochschwanger…
Das Premierenpublikum an diesem Samstag hat die erste Hälfte des Abends gebraucht, um sich von der Schockstarre zu lösen, dass sie da wirklich sehen, was auf der Bühne grade passiert. Diese Operninszenierung ist nicht Trash, sie ist Camp. Sie ist liebevoll und mit viel Aufmerksamkeit für die Geschichte der Barockoper, sie ist übertrieben und spektakelig und fängt den Geist des Barocks hinreißend ein. Es darf gelacht werden. Inszenierungen wie die von Lydia Steier machen es möglich. Und das Musiktheater-Ensemble rockt die letzte Premiere vor der Spielzeitpause so souverän weg, dass es eine Freude ist.
The Fairy Queen. Oper von Henry Purcell in einer Bearbeitung von Lydia Steier. Musikalische Leitung: Jörn Hinnerk Andresen. Regie: Lydia Steier. Mit: Aurora Perry, Matthias Wölbitsch, Vera Semieniuk, Theodora Varga, Mario Klein, Anna Pisareva, Yosemeh Adjei, Cameron Becker, Jonmin Yoon, Valérie Junker, Bettina Hutterer, Lena Bihler