Ein Jäger, der nur Aas schießt, ein Paar, das im Bett Schweinemasken trägt und ein durchgedrehter Ex-Offizier der Wehrmacht. Sie alle sind eingeladen, wenn Herr Behemoth zum Bankett lädt. Am Dienstag, 11. Juni, feiert der – über Crowdfunding finanzierte – Film unseres Redaktionsmitarbeiters David Liese im Garbo-Kino Premiere. Der Filmemacher und Autor über seinen „Behemoth“, Kunst, Kino und den ganzen Rest.
Bizarres Bankett: Am Dienstag feiert der Film von David Liese im Garbo-Kino Premiere.
In den letzten zwölf Monaten habe ich in Regensburg den Film „Herr Behemoth lädt zum Bankett“ gedreht. Von vielen Seiten wurde ich gefragt, um was es in dem Film geht. Ich zeige Ausschnitte, kommuniziere mit Medienvertretern, rede von radikaler Kritik, von Ästhetik, aber auch von Nazi-Bockwürsten, von Männern, die einen Muttermilch-Fetisch haben. Irgendwann sehe ich den Meisten regelrecht an, wie in ihrem Kopf, innen drin, ein Licht angeht. Knips! Der hat einen Kunstfilm gemacht. Das ist so ein Künstler. Dann ist der Stempel drauf. Bin ich ein Künstler? Mache ich Kunstfilme? Ist Kino Kunst? Ist Kino Unterhaltung? Und: Ist das überhaupt wichtig?
Nerdbrillentragende Zwölftsemesterstudenten, die gemeinsam mit ihren 68er-Opis in verrauchten Kinos sitzen und nächtelang 16-Milimeterfilme von Ausdruckstänzern bestaunen
Stehe ich als Filmemacher vor der Frage, ob ich unterhalten oder „künstlern“ will?
Das Bild, das die meisten Menschen von „Kunst“ und speziell vom „Kunstfilm“ haben, ist das von nerdbrillentragenden Zwölftsemesterstudenten, die gemeinsam mit ihren 68er-Opis in verrauchten Kinos sitzen und nächtelang 16-Milimeterfilme von Ausdruckstänzern bestaunen. Von Filmen, die viereinhalb Stunden dauern und von transsexuellen taubstummen Geishas handeln, die im historischen Japan auf der Suche nach ihrer wahren Identität sind. Filme, die nicht die von der Filmindustrie vorgelebte Ästhetik teilen, werden in diese Ecke gestellt, verpackt in einem staubigen Jutebeutel, auf dem groß „KUNST“ gebatikt steht.
Auf der anderen Seite stehen die Produktionen jener Mammut-Industrie, des gesichtlosen Molochs, der quasi minütlich neue Kinohits ausspuckt, der selbst die Dreidimensionalität des Raumes für 12,90 Euro in Form von klapprigen Plastikbrillen an die Massen verhökert, der mit pseudo-naturalistischer Inszenierung, waghalsiger Action und Surround-Sound vorgaukelt, er sei „realistisch“. In Wahrheit sieht man nur einen billigen Trickzauber, einen mit scheußlicher Routine vorgetragenen Zaubertrick. Der Hase, der mit Knall-Bumm und Trara aus dem Zylinder gezogen wird, ist schon lange verfault. Und er ist nicht echt. Synthetik.
Ein künstlerisches High Five mit einem Stuhl ins Gesicht
Die Unterscheidung von Kunst- und Unterhaltungsfilm ist doch reines Schubladendenken, das im Übrigen nicht nur Zuschauern, sondern auch Regisseuren, Autoren und Schauspielern ihr Weltbild erleichtert. Es verschleiert die Tatsache, dass es eigentlich nicht um die Frage „Kunst oder Unterhaltung?“ geht, sondern um „Wahrheit oder Ideologie?“.
Gedreht wurde passenderweise im Alten Schlachthof.
Aber Film muss doch einfach nur unterhalten. Film ist ein Konsumgut, das dem Marktmechanismus unterliegt, und damit auch Teil unserer Vorstellung von einer wünschenswerten Welt. Leuchtreklame, Internet-TV; immer und überall ins Kino gehen können. Die freie Wahl haben, mit was wir uns berieseln lassen, und, wenn wir möchten, den letzten Blockbuster, in dem Johnny Depp ein so niedliches Gesicht hat, für 7,90 Euro bei Maxdome herunterladen. Freedom, baby! Oder?
Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Kino und werden mit einem echten cineastischen Gongschlag aus Ihrem duseligen Konsumschlaf aufgeweckt. Noch besser funktioniert vielleicht ein Schlag ins Gesicht, eine Film-Watschn, oder, ganz bildlich gesprochen, ein künstlerisches High Five mit einem Stuhl ins Gesicht. Sie werden, ganz plötzlich, nicht mehr belogen.
Die größtmögliche filmische Watschn
Sie bezahlen Ihre Kinokarte nicht, um eineinhalb Stunden lang mit Trickzauber eingelullt zu werden, sondern für eine Erfahrung, für eine Geschichte, die authentisch ist. Für einen Denkprozess, so radikal, dass Sie tiefe Einsicht in eine Wahrheit erhalten, die Sie vorher nicht kannten, die der Regisseur selber vielleicht nicht einmal kannte.
Der Lügen-und-Ideologie-Film nach dem Vorbild Hollywoods vermag so etwas nicht. Die deutsche Filmindustrie mit ihrer völlig verkorksten Förderpolitik schon dreimal nicht. Und ich als kleiner „Zwergenregisseur“? Weiß ich nicht. Aber ich habe so das Gefühl, dass ich beim Filmemachen in anderen Kategorien denke als all die finanz- und oft genug auch schwanzgesteuerten Studiobosse der Unterhaltungsindustrie. Wer sich den Behemoth ansieht, bekommt die größtmögliche filmische Watschn, die ich mit den mir damals für die Produktion zur Verfügung stehenden Mitteln austeilen konnte. Eine Unterhaltungsgarantie gebe ich nicht. Aber ich bin ehrlich. Ich mache kein Unterhaltungs- und auch kein Kunst-Kino. Ich mache Wahrheits-Kino.