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Archiv für Februar, 2013

Abholzung am Donau-Ufer

Abschied von den Ufer-Bäumen

Mein Freund, der Baum, ist tot. Ob er im frühen Morgenrot fiel, wissen wir nicht. Und vor allem: Es ist nicht nur einer. Es ist eine ganze Galerie an Bäumen, die am Ufer der Donau umgesäbelt wurden. Kurz vor der Schleuse an der Pfaffensteiner Brücke sollen insgesamt 30 Bäume fallen, einige sind schon der Säge zum Opfer gefallen. Aktivisten wollen die verbleibenden Bäume nun schützen und erwägen radikale Maßnahmen. Dass diese von Erfolg gekrönt sein werden, erscheint zweifelhaft.
Ein "Stoppelfeld" an Baumstümpfen entlang des Donau-Ufers. (Foto: hb)

Ein “Stoppelfeld” an Baumstümpfen entlang des Donau-Ufers. (Foto: hb)

Der Anblick der Baumstümpfe rund um die Schillerwiese macht aus dem gewöhnlichen Jogger einen Wutbürger: Eine Protestwelle überrollt Stadtverwaltung und Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA), stadtbekannte Größen wie Klaus Caspers ergreifen das Wort und beklagen das „Abrasieren eines Menschotops“ (Caspers zur MZ).

WSA will sich Staatsanwalt vom Leib halten

Was genau die Regensburger jetzt in Angst und Schrecken versetzt, ist schwierig zu sagen. Die Argumentation des Wasser- und Schifffahrtamtes (WSA) klingt nämlich nachvollziehbar: Die Bäume sind eine Gefahr bei Hochwasser. Nicht bei einem leicht gestiegenen Pegel, sondern bei reißenden Fluten, wenn das Wasser den Damm/Deich (es handelt sich dabei um einen Hybrid, der beide Funktionen erfüllt) übersteigt. Dann könnte es nämlich sein, dass die Wassermassen den Stadtwesten überfluten und bis in die Altstadt laufen, erklärt Rolf Diesler vom WSA. Das, so Diesler, möge dem einen oder anderen Bürger, der gerne am Donau-Ufer joggt, egal sein; „aber der Staatsanwalt kommt nur zu mir.“ Der Grund für die sicherheitstechnische Notwendigkeit liegt im Wurzelwerk. Die Wurzeln schwächen den Boden, und wenn sie gar irgendwann verrotten, bilden sich Sickerkanäle für das Wasser, der Damm/Deich bricht möglicherweise.

Der Baum im Wandel der Zeit

Falls sich jemand fragt, warum dann überhaupt Bäume dort standen, wenn sie schon so gefährlich sind: Die Ansichten über Sinn und Unsinn von Bäumen an Dämmen und Deichen haben sich in den letzten Jahrzehnten auch in Fachkreisen geändert, sagt Ingrid Warm von der Projektgruppe Dammnachsorge. Früher habe man geglaubt, durch das Wurzelwerk verfestige sich der Boden, mittlerweile wisse man es besser. Deshalb reicht es auch nicht, die Bäume abzusägen. Das Hauptproblem, das Wurzelwerk, muss noch entfernt werden. Dafür wird es aus dem Boden herausgefräst und der Boden wird wieder abgedichtet. Dass sich die Baumschützer vor den Sicherheitsbedenken verschließen, scheint unwahrscheinlich. Auch wenn Oberbürgermeister Hans Schaidinger konzidiert, dass das Erinnerungsvermögen der Menschen mit dem Abstand ans letzte Hochwasser nachlässt und es deshalb sein könnte, dass die Sicherheit tatsächlich nicht im Vordergrund stehe.

185 neue Baum-Opfer bis 1. März

Also konzentriert man sich auf die fehlerhafte Informationspolitik. Warum denn nicht früher jemand was gesagt hätte. Tja, weil… äh… Das weiß irgendwie auch niemand so recht. Hätte man, sollte man, könnte man, werde man beim nächsten Mal… Die Konjunktive häufen sich auf Seiten der Stadt und auf Seiten des WSA. Und deshalb schickt zumindest die Stadt am Montagnachmittag artig eine Pressemitteilung raus, in der angekündigt wird, dass in den Tagen bis zum 1. März noch 185 Bäume im Stadtgebiet dran glauben müssen. Vielleicht will man auch nur einer Paranoia in der Bevölkerung vorgreifen, denn hört man den anderen Medienvertretern auf der Pressekonferenz am vergangenen Freitag so zu, werden die Redaktionen offenbar von Anrufern, die markierte Bäume irgendwo im Stadtgebiet gesichtet haben, regelrecht drangsaliert. Ein neongelbes H, ein pinker und ein grüner Punkt, rote Stämme – alles Geheimzeichen der behördlichen Baumfäll-Mafia?
Jede Markierung wird momentan von der Bevölkerung aufmerksam beobachtet. (Foto: hb)

Jede Markierung wird momentan von der Bevölkerung aufmerksam beobachtet. (Foto: hb)

Diesler beruhigt die Journalisten, die die Fragen der besorgten Bürger vorbringen: Manches seien auch ganz einfach Markierungen des Stadtgartenamts, die anzeigen, dass ein Baum gepflegt werden soll. Damit kein hölzerner Freund umgesägt wird, der es nicht verdient hat, gibt es schon Pläne der Gegenbewegung. Reinhard Kellner, engagierter Bürger an vielen Fronten (Strohhalm, Soziale Initiativen, diverse Bürgerbegehren in der Vergangenheit, ehemals Grünen-Stadtrat), leistet über seinen E-Mailverteiler den Baumbewahrern Schützenhilfe. Diese denken mittlerweile offenbar darüber nach, zivilen Widerstand zu leisten und sich sogar anzuketten.

Diskutieren statt anketten

Andere versuchen es mit Diskussionen. So ist in einer E-Mail von FDP-Stadtrat und MdB Horst Meierhofer an den Rechtsreferenten Wolfgang Schörnig zu lesen, was die Ergebnisse einer Ortsbegehung an der Schillerwiese in der letzten Woche sind. Zusammengefasst: Die Bäume sollen möglichst stehen bleiben, mindestens so lang, bis die offenen Fragen geklärt sind. Ein „fundiertes Pflegekonzept“, vor allem für die Neubepflanzung der abgeholzten Abschnitte, soll zusammen mit den Naturschutzverbänden entwickelt werden. Am 13. März ist das Donau-Ufer ohnehin Thema im Naturschutzbeirat. Vermutet werden außerdem Verfahrensfehler. Die Stadtverwaltung möge das prüfen, schreibt Meierhofer. Dabei ist die Stadtverwaltung in dieser Frage vergleichsweise unbeteiligt. Einige der Bäume stehen auf städtischem Grund, ansonsten ist das WSA als Bundesbehörde in eigener Zuständigkeit verantwortlich, zumal der Weg am Ufer entlang auch der Betriebsweg des WSA ist. Die Order zum Fällen kommt aus dem Bundesverkehrsministerium, erklärt Diesler. Dort seien nach den verheerenden Hochwässern beispielsweise an der Elbe 2002 auf politischen Druck hin die Regeln für den Hochwasserschutz verschärft worden. Sukzessive arbeite man sich nun durch die gefährdeten Gebiete. Regensburg ist also kein Einzelfall. Andere Orte haben ihre Baumbestände an Dämmen und Deichen schon längst drangegeben. Die Reaktionen waren überall ähnlich, wie beispielsweise ein Blick nach Dingolfing zeigt.

Präzedenzfälle andernorts sind ähnlich verlaufen

Am Ufer des dortigen Isar-Stausees fielen die Bäume im Winter 2005. Die Gründe waren die gleichen wie in Regensburg: Die Bäume gefährden die Sicherheit des Deichs, die Bepflanzung widerspricht den DIN-Vorschriften. Christian Orschler, der Pressesprecher von EON Wasserkraft Landshut, argumentiert ähnlich wie Rolf Diesler: Als privatrechtliches Unternehmen wolle sich EON auf gar keinen Fall Schludrigkeit nachsagen lassen und Verantwortung für Unglücke übernehmen müssen. EON betreibt das dortige Wasserkraftwerk und ist in dem Gebiet für die Dammsicherheit und die Verkehrswege zuständig.

Nordseeflair in Niederbayern

Die Dingolfinger zettelten damals diverse Protestaktionen an: Mahnwache vorm Landratsamt (das ebenso wie die Regensburger Stadtverwaltung nicht viel zu melden hatte), Schleifen um schützenswerte Bäume, und irgendwann – so berichtet die Lokalzeitung „Dingolfinger Anzeiger“ – stand auch hier das Anketten im Raum. Auch sie fürchteten um die Qualität ihres Naherholungsgebietes und (noch mehr als die Regensburger) um die Tierwelt. Trotzdem ist der Dingolfinger Stausee jetzt baumfreie Zone und mutet vom Ufer aus seltsam nordseemäßig für Niederbayern an. EON-Pressesprecher Orschler verriet auch das Geheimnis, wie man künftige Proteste im Zaum zu halten gedenkt: Abholzungsmaßnahmen würden nicht mehr hauruckartig durchgeführt, sondern man werde immer wieder nachschneiden.
stumpf

Von den Bäumen wird nicht viel bleiben. Die Stümpfe werden demnächst ausgefräst. (Foto: hb)

  Apropos Nordsee: Während die Protestwelle anrollte, weilte Oberbürgermeister Hans Schaidinger in Bremen. Dort, so erzählt er, habe man ihn mit großen Augen angeschaut, als er nach Bäumen auf Deichen und Dämmen fragte. Immer wieder betont er, welch dramatische Hochwassersituationen sich schon unter seiner Oberbürgermeister-Ägide zugetragen haben, und weil ihm – im Gegensatz zur Bevölkerung – diese Ereignisse noch gut in Erinnerung sind, unterstütze er die Fäll-Aktion selbstverständlich. Im Prinzip scheint es also unvermeidlich, dass die Bäume fallen müssen. 30 Stück sollen es insgesamt werden. Die Behauptung Kellners, es seien 50 Bäume, bestreitet Diesler.

Nicht demokratisch entscheidungsfähig

Auch einer weiteren Diskussion würde der hiesige Leiter des WSA wohl am liebsten aus dem Weg gehen. „Das sind technische Fragen, darüber kann man nicht demokratisch entscheiden.“ Protestaktionen sieht er dennoch gelassen entgegen. Zwar findet er die Drohung, dass sich Aktivisten an den Bäumen anketten könnten, offenbar etwas abwegig („Wir sind hier nicht beim Castor-Transport“), doch die Sicherheit der Bürger gehe vor. Träfe man auf einen angeketteten Aktivisten, würde man halt wieder abziehen. Mit Blick auf die entschlossene Haltung des WSA, die auf die tatkräftige Unterstützung durch die Stadtverwaltung zählen darf, und auch im Hinblick auf das Wetter müssen sich bindungswillige Baumschützer in den kommenden Tagen jedenfalls warm anziehen. Die Fäll-Arbeiten müssen bis 1. März abgeschlossen sein, denn dann beginnt die Vogelschutzzeit, in der man die Bäume stehen lassen muss.
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