08 Feb.2013
Rettet die SPD das Asylrecht?
Asylmissbrauch von Staats wegen
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Kam selbst als Flüchtling nach Deutschland: Mahmoud Al-Khatib. Foto: Böhnlein
„Den Missbrauch begeht der Staat“
Über die Asylpolitik der SPD sprach Al-Khatib letzte Woche im gut gefüllten Leeren Beutel. „Asylmissbrauch – Was sind die Folgen?“ lautete die Frage des Vortrages, der von den Regensburger Jusos organisiert wurde. Das Schlagwort „Asylmissbrauch“ hört man sonst eher aus der rechten Ecke. Al-Khatib möchte die Bedeutung des Begriffs umkehren. Das verfassungsmäßige Asylrecht werde nicht durch die Flüchtlinge, sondern durch den Staat bzw. staatliche Institutionen missbraucht, sagt er. Al-Khatib nennt die aktuellen Zustände für Flüchtlinge in Deutschland menschenverachtend. Leben in „Gemeinschaftsunterkünften“, Arbeitsverbot, Beschränkung der Bewegungsfreiheit: Immer wieder führt das zu Selbstmorden, wie vor gut einem Jahr bei Mohamed Rahsepar in Würzburg. Die psychischen Folgen sind durch verschiedene Untersuchungen belegt. „Asylbewerber sind keine Sozialschmarotzer“, sagt Al-Khatib. Sie werden durch Arbeitsverbot zum Nichtstun gezwungen. Integration sei so fast unmöglich. Die SPD verspricht für den Fall eines Wahlsieges Verbesserungen.Auch die SPD höhlte das Asylrecht aus
Das ursprünglich uneingeschränkte Asylrecht für politische Flüchtlinge wurde im Laufe der Zeit immer weiter eingeschränkt – endgültig nach den Pogromen in Rostock Lichtenhagen mit dem Asylkompromiss 1993. Al-Khatib gibt zu, dass die Zustimmung der SPD zu diesem Kompromiss damals ein großer Fehler war. Als er später gefragt wird, warum dieser Fehler nicht schon unter der Regierung von Gerhard Schröder als solcher erkannt und rückgängig gemacht wurde, bleibt Al-Khatib nur zu sagen, dass sich die Bayern-SPD jetzt dem Thema angenommen habe und dass ein Fehler erst schlimm sei, „wenn man ihn ein zweites Mal macht“. Die Anerkennung als Flüchtling wird seit dem Asylkompromiss fast unmöglich gemacht. Unter anderem durch die sogenannte sichere Dritt-Staaten-Regelung wird jeder pauschal abgelehnt, der durch einen anderen, als sicher geltenden Staat gekommen ist. Fluchtgründe werden in solchen Fällen nicht einmal geprüft. Daraus resultiert auch die niedrige Anerkennungsquote von 1,2 Prozent im vergangenen Jahr.„Wenigstens aus Egoismus“
Die SPD trete für Gleichberechtigung und die Würde des Menschen ein, „unabhängig von seiner Leistung und wirtschaftlichen Nützlichkeit“, zitiert Al-Khatib zunächst das Hamburger Programm der SPD von 2007. Später allerdings stellt er doch darauf ab, wie nützlich die Einwanderer sein könnten: Er meint, man solle wenigstens aus Egoismus für bessere Bedingungen für Flüchtlinge eintreten. Unsere Gesellschaft überaltere, Fachkräfte fehlen: Diese Lücke könnten Einwanderer, egal ob Flüchtlinge oder andere Migranten, füllen. Bei der späteren Diskussion steht insbesondere dieser Punkt in der Kritik. Vermeintliche Nützlichkeit dürfe keine Rolle spielen, heißt es mehrfach. Unsere Gesellschaft solle ja auch alte und kranke Menschen unterstützen. Al-Khatib stimmt dem Publikum zu, bleibt aber bei seiner Argumentation. Nicht jeder sehe das so. Und wenn man manche sich nicht vom Argument „Menschlichkeit“ überzeugen ließen, dann vielleicht „aus Egoismus“.Warum ist Sarrazin noch in der SPD?
Immer wieder wurde in Deutschland gegen Ausländer und speziell gegen Flüchtlinge gehetzt. Die Hetze sei immer dann besonders schlimm gewesen, wenn es besonders viele Asylbewerber gab, so Al-Khatib. So kam es Anfang der 90er Jahre zu den Anschlägen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Am lautesten polemisiert und gehetzt hat in der Vergangenheit aber just ein SPD Mitglied. Auf die Frage aus dem Publikum, weshalb Thilo Sarrazin noch Mitglied in der SPD sei, kann Al-Khatib nur mit der üblichen Phrase antworten: Eine demokratische Partei müsse dies aushalten können. Ein Ausschluss sei irrelevant – die Partei müsse sich mit den „menschenverachtenden Thesen“ auseinandersetzen. Aber es wird nachgehakt: Sarrazin sei kein einfaches Mitglied. Unter anderem war er sieben Jahre Finanzsenator in Berlin. Weshalb habe er angesichts seiner bekannten Positionen derart aufsteigen können – in einer Partei, die sich laut eigener Aussage für Menschenwürde, Gleichberechtigung und für die Integration von Flüchtlingen einsetzt? Al-Khatibs Antwort bleibt knapp: damit müsse man sich auseinandersetzen. Mehr sagt er nicht.
Sozialbürgermeister Wolbergs möchte, dass Kommunen freiwillig zusätzliche Asylbewerber aufnehmen. Geht Regensburg mit gutem Beispiel voran? Foto: Böhnlein