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Archiv für 16. Januar 2013

1.800 Euro Geldtrafe für Williamson

Holocaustleugner-Idol verurteilt

Darf ein britischer Staatsbürger gegenüber einem schwedischen Fernsehsender auf deutschem Boden straflos den Holocaust leugnen? Nein, sagt das Regensburger Amtsgericht. Beim zweiten Anlauf im Verfahren gegen Richard Williamson hat es den Bischof erneut zu einer Geldstrafe verurteilt. Williamsons Rechtsanwälte wollen notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Zentral ist die Frage: Konnte der Bischof wissen, dass seine Aussagen in Deutschland öffentlich werden würden? williamson„Nein.“ Er habe mit keinem anderen Urteil gerechnet, sagt Edgar Weiler, als er nach einem fast achtstündigem Verhandlungstag lächelnd den Gerichtssaal verlässt. Der Holocaustleugner Richard Williamson wurde eben vom Regensburger Amtsgericht wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt. Dabei haben Weiler und sein Kollege Andreas Geipel so engagiert für ihren Mandanten gekämpft.

Viele Anträge und der übliche Quatsch

Eine Flut an Beweisanträgen haben sie gestellt. Minutenlang haben sie darüber referiert, wie hinterhältig schwedische Journalisten dem arglosen Bischof da „eine Falle gestellt“ hätten. Darüber, dass Williamsons Holocaustleugnung vor laufenden Kameras eigentlich „ein Hintergrundgespräch“ gewesen sei und nicht hätte verbreitet werden dürfen. Darüber, dass es nicht Williamson, sondern die Journalisten seien, die sich strafbar gemacht hätte. Und darüber, dass schon der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft gegen ihren Mandanten rechtswidrig sei.
Andreas Geipel und Edgar Zeiler im Interview. Michéle Renouf filmt derweil Prozessbeobachter und Journalisten. Foto: as

Andreas Geipel und Edgar Weiler im Interview. Michéle Renouf filmt derweil Prozessbeobachter und Journalisten. Foto: as

Weiler und Geipel haben außerdem gefordert, das Verfahren einzustellen. Und freilich durfte auch der – bei Prozessen rund um Holocaustleugnung stets gestellte – Antrag nicht fehlen, den §130 Strafgesetzbuch, der Volksverhetzung unter Strafe stellt, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weil er ja gegen das Grundgesetz verstoße. Recht auf freie Meinungsäußerung und so. Das ist zwar – höchstrichterlich bereits mehrfach festgestellt – Blödsinn. Aber es gehört zum Spiel. Und einen „langwierigen Gang durch die Instanzen“ hatten Geipl und Weiler bereits vor der Verhandlung angekündigt.

Die Judenhasser lauschen andächtig

Die Holocaustleugner-Riege im Publikum nimmt das dankbar auf: Michéle Renouf ist wie immer mit von der Partie, Antisemitin und Holocaustleugnerin aus dem britischen Jet Set. Etwas verspätet kommt Sylvia Stolz, ehemals Rechtsanwältin, ebenfalls vorbestraft, und Lebensgefährtin des gerade einsitzenden Horst Mahler, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die von ihm so benannte „Holocaust-Justiz“ durch permanentes Leugnen und immer neue, bizarrere Strafverfahren zur Weißglut zu treiben und so den Rechtsstaat ad absurdum zu führen. Und schließlich Andreas Zischka, ein massiger Mann im Blaumann, der quer durch die Republik reist, um bei jedwedem Prozess gegen Volksverhetzer mit dabei zu sein, und sich selbst als Mitglied der „Ernst-Zündel-Truppe“ bezeichnet, die wiederum nach einem notorischen Judenhasser benannt wurde. Im Verbund mit den etwas weniger bekannten Anhängern Williamsons lauschen sie andächtig den Ausführungen der Anwälte. Renouf darf auf der Pressebank Platz nehmen und filmt munter mit. Dem gegenüber muten die Ausführungen des Leitenden Oberstaatsanwalts Edgar Zach eher gelangweilt und wenig engagiert an. Er scheint sich seiner Sache sicher zu sein. Zach meldet sich im Lauf des Verfahrens kaum zu Wort. Geht auf die meisten Vorhaltungen von Williamsons Verteidigern nicht ein. Und sein Schlussplädoyer ist im Grunde nur eine Wiederholung des neuen Strafbefehls, den die Staatsanwaltschaft dem holocaustleugnenden Bischof zugestellt hat und von dem sie nun hofft, dass er auch die nächsten Instanzen übersteht.

Schlamperei beim Strafbefehl

Wie berichtet, wurden im Februar 2012 die beiden Verurteilungen des Amts– und Landgerichts Regensburg gegen Williamson vom Oberlandesgericht Nürnberg aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Strafbefehl geschlampt. Vielleicht, weil der mediale Druck zu groß war.
Wortkarg und wenig engagiert: Oberstaatsanwalt Edgar Zach. Foto: as

Wortkarg und wenig engagiert: Oberstaatsanwalt Edgar Zach. Foto: as

Als Williamson im November 2008 – damals noch Mitglied der Piusbruderschaft – einem schwedischen Fernsehteam sechs Minuten lang seine Ansichten über den Holocaust in die Kameras plauderte, als er den Massenmord an den Juden bestritt und en detail so ziemlich alle „Argumente“ ausbreitete, die man aus den Bettlektüren der Holocaustleugner-Szene kennt (Als Einstieg: Argumente gegen Holocaustleugner), als er schließlich noch „die Ausbeutung der Deutschen“ wegen deren „Schuldkomplex“ beklagte und dieses Interview zwei Monate später für breite mediale Aufmerksamkeit und helle Empörung inklusive mehrerer Strafanzeigen sorgte, musste die Regensburger Staatsanwaltschaft einerseits schnell handeln, glaubte sich aber andererseits wohl zu sehr auf der sicheren Seite. Und so wurde Williamson ein Strafbefehl zugestellt, der zwar die einschlägigen Passagen des Interviews zitiert, aber völlig unerwähnt lässt, wo dieses Interview nun eigentlich öffentlich verbreitet wurde. Ein offensichtlicher Formfehler. Den beiden Gerichtsinstanzen in Regensburg fiel dies nicht auf – das Oberlandesgericht in Nürnberg hingegen hob beide Urteile auf und stellte das Verfahren vorübergehend ein. Das „unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegebene Interview“ stelle „lediglich eine noch nicht strafbewehrte Vorbereitungshandlung dar“, heißt es in dem entsprechenden Beschluss. Erst wenn die Aussagen öffentlich würden, sei Holocaustleugnung strafbar.

Ist Williamson für die Veröffentlichung verantwortlich?

Mit dem neuen Strafbefehl und der darauf fußenden Anklage glaubt die Staatsanwaltschaft nun, ausreichend nachgebessert zu haben. Die Internetseite des schwedischen Fernsehsenders, ein Bericht im Magazin Spiegel, Youtube und kath.net sind die Quellen, die jetzt mit Datum benannt werden. Ansonsten wurde der alte Strafbefehl wortgleich übernommen. Williamson habe wissen müssen oder es zumindest billigend in Kauf genommen, dass seine Aussagen auf diesem Weg auch in Deutschland verbreitet werden würden, so Zach. Strafbar als Volksverhetzung. Auf die (einzig bedenkenswerten) Einwände der Verteidigung, dass auch dieser Strafbefehl rechtswidrig sei, weil Williamson doch gar keinen Einfluss darauf gehabt habe, dass diese Veröffentlichungen stattfanden, ja, es auf gar keinen Fall gewollt habe, ja nicht einmal habe annehmen können, dass irgendetwas veröffentlicht werden würde, was in Deutschland bekannt werden könnte, geht Zach nicht ein. Und Richterin Andrea Hausladen folgt dem Oberstaatsanwalt in ihrer Urteilsbegründung nahezu wortwörtlich. „Wenn ich vor einer Kamera spreche, muss ich damit rechnen, dass meine Aussagen auch öffentlich werden“, sagt sie in ihrem knappen Schlusswort. Ob das Urteil hält, wird sich spätestens beim nächsten Anlauf vor dem Oberlandesgericht Nürnberg zeigen. Mit der Geldstrafe von 1.800 Euro bleibt Hausladen weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft (6.500 Euro). Seit seinem Rauswurf aus der Piusbruderschaft sei Williamson praktisch mittellos, lebe bei Freunden und komme durch Spendenaufrufe über die Runden. Betrachtet man aber die leuchtenden Augen, mit denen die Holocaustleugner-Riege das Verfahren verfolgt hat, dann darf der Bischof sicher mit einem ganz angenehmen Auskommen rechnen. Das kann er auch brauchen: Seine Anwälte wollen notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.
Amtsgericht: Neun Monate für zweifelhafte Annäherungsversuche

Vom Frauenschreck zum Klosterbruder

Es ist nicht leicht für die Männerwelt, sich dem anderen Geschlecht auf eine Weise anzunähern, ohne dass man sich blamiert, lächerlich macht oder – und das ist manchmal der beste Fall – ignoriert wird. Flirtratgeber, Single-Börsen, Anbandel-Partys und Pick-up-Maschen versprechen unfehlbare Erfolgsstrategien für jedermann. Über deren Sinnhaftigkeit lässt sich streiten, aber immerhin dürfte man(n) mit diesen Tipps straffrei ausgehen. Ganz im Gegensatz zu einem 32-jährigen Regensburger, der wegen fehlgeleiteter Annäherungsversuche neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung bekommen hat – und damit noch glimpflich davon gekommen ist.

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