Stadtrats-Adventskalender, Folge 22
Normalerweise gibt es die großen Portionen in Adventskalendern immer erst am Heiligen Abend. Da es aber zu viele Stadträte gibt und keiner das Nachsehen haben soll, müssen wir schon das vorvorletzte Türchen mit etwas mehr “Schokolade” füllen. Deshalb gibt es heute das erste Trio-Türchen, passend zum bevorstehenden Fest sind alle Abgehandelten “christlichen” Ursprungs: Christian Schlegl, Josef Troidl und Astrid Freudenstein, alle CSU.
Christian Schlegl, vom Saulus zum Paulus
An der Person Christian Schlegl könnte man perfekt die Geschichte der Regensburger CSU abarbeiten. Während fast alle anderen nur über (längere und kürzere) Episoden eine Rolle spielten oder spielen, war Christian Schlegl von Anfang an dabei. Er hat alles mit- und vor allem auch abbekommen. Aber wo soll man anfangen und wo enden?
Er ist der Frontman des „guten“ CSU-Lagers, also derjenigen, die der „anderen“ CSU regelmäßig Nazi-Vorwürfe unter die Nase reiben bzw. rieben, denn nach vielen Jahren Streit hat man zumindest in der Öffentlichkeit schon lange nichts mehr von diesen ideologischen Differenzen vernommen; der CSU-Streit dreht sich eigentlich eh nur noch um sich selbst. Doch Christian Schlegl steht immer in der Schusslinie. Nicht nur, dass er nach der Kommunalwahl 2008 einigermaßen unerwartet Fraktionsvorsitzender geworden ist; er ist auch derjenige, der bei den Attacken der Gegner im Mittelpunkt steht. Er ist derjenige, der vielleicht am häufigsten aus der Partei gekickt werden sollte; derjenige, der sich von CSU-internen Gegnern auf Facebook als „der fiese Fettislaus“ bezeichnen lassen muss; derjenige, der sich auf dem Gäubodenvolksfest von seinen „Parteifreunden“ öffentlich zum ersten Hochzeitstag gratulieren lassen muss, während ihm die Frau Gemahlin nur wenige Wochen vorher abhandengekommen war.
Aber es ist ja nicht so, dass Christian Schlegl immer nur das nichtsahnende Opfer gewesen wäre. Er hat sich für die Interessen „seiner“ CSU-Seite auch ordentlich weit aus dem Fenster gelehnt. Er war einer der Initiatoren, Unterzeichner und Zeugen des sagenumwobenen „Dossiers“ zur Beweiserhebung gegen CSU-Feinde.
Außerdem war Schlegl ja von Anfang an dabei, und zwar nicht auf der Seite dieses – seines – CSU-Lagers, für das heute sogar sein Name herhält: Schaidinger-/Schlegl-Lager heißt es schließlich mittlerweile, was seine Protagonistenrolle im ewigen CSU-Theater deutlich macht. Schlegl war mal „auf der dunklen Seite“, saß als Teenager bei Nazi-Porno-Sauf-Partys mit Thomas Fürst. Von der damaligen Clique ist Schlegl der Einzige, der sich völlig von diesem Zirkel entfernt hat – zumindest unter den später noch aktiven Mitgliedern der CSU und ihren Abspaltungen. Dass Schlegl sein damaliges Treiben bereut, sich davon distanziert und sich ziemlich sicher dafür schämt, darf man guten Gewissens annehmen. Er hat die Wandlung vom Saulus zum Paulus glaubwürdig vollzogen, kämpft nun überzeugt, wenngleich aussichtslos, für die „gute Sache“ (also eine CSU unter der Führung von Hans Schaidinger und Christian Schlegl). Vielleicht erleidet auch er den (politischen) Märtyrertod, falls er nicht vorher die Flucht ergreift und die CSU zugunsten der Bürger für Regensburg endgültig verlässt.
Doch neben seine Partei-Position ist Schlegl auch noch Stadtrat. Und da ist die Welt noch in Ordnung. Nicht, dass ihm dort jeder zu Füßen liegen würde. Aber die Auseinandersetzung im Plenum ist doch von deutlich besserer Qualität. Klar kann es da mal passieren, dass man sich als Christian Schlegl mit Günther Riepl in den Haaren liegt und dem Freien Wähler „geistige Gonorrhoe“ andichtet, nachdem der von „geistigem Durchfall“ aus Schlegls Mund gesprochen hat. Aber hey – das ist doch immer noch besser als der CSU-Zoff, oder? Zumindest von höherem Unterhaltungswert und geringerer ideologischer Tiefe.
In seiner CSU-Fraktion ist Schlegl auch weitestgehend unumstritten. Mal von den zwei berühmten Ausnahmen Franz Rieger und Hermann Vanino abgesehen. Auch mit der SPD kommt er die meiste Zeit blendend zurecht, sieht man von etwas Wahlkampfgeplänkel ab. Das gehört dazu, das muss so sein, dennoch steht man sich nahe genug, um eine große Koalition im Stadtrat über die Jahre hinweg aufrechtzuerhalten.
Er ist ein gut informierter Stadtrat, findet ein Gleichgewicht zwischen politischer Profilierung und Kompromissfähigkeit, und er hat Vorstellungen von Regensburg, wie es einmal sein soll. Er träumt von Elektromobilität, von der Wiederbelebung der Stadtbahn, die die Innenstadt mit einem zukunftsweisenden Tech-Campus verbindet.
Schlegl könnte es in der CSU zu etwas bringen, vielleicht sogar bis zum Oberbürgermeister – wäre da nicht der immer unüberwindbarer scheinende Graben. Deshalb scheinen seine Vorstellungen Pläne in einem ewigen Konjunktiv zu verhallen – hätte, könnte, wäre… Klar, Schlegl wird es schon wieder in den Stadtrat schaffen, sei es auf der Liste der Bürger für Regensburg oder – und das ist unwahrscheinlichere Fall – auf der Liste der CSU. Zwar hat ihm Armin Gugau sogar einen Platz unter den ersten Zehn versprochen; doch wahrscheinlich muss Schlegl dieses Angebot schon allein deshalb ablehnen, um vor sich selbst den „Paulus“ zu zementieren.
Josef Troidl – Wissen und Gewissen
Für die Regensburger CSU ist Josef Troidl ein Aushängeschild: Er ist Initiator und Vorstand der Obdachlosenunterkunft „Strohalm“, er verantwortet über 300 LKWs mit Hilfslieferungen für die ukrainische Partnerstadt Odessa und hat für dieses Engagement bereits diverse Auszeichnungen von Bund und Freistaat erhalten.
Das „soziale Gewissen der CSU“ nennen ihn insbesondere die Vertreter des Schlegl/Schaidinger-Lagers (das Gugau-Lager hat dafür Hans Renter), und wenn Troidl sich bisweilen in den Medien mit dem Satz zitieren lässt: „Wir setzen uns bereits energisch gegen Not ein. In Regensburg muss niemand hungern, frieren oder schmutzig sein“, dann nimmt man es gern in Kauf, dass mancher nicht zuerst den Strohhalm, sondern die CSU und ihre vorgeblich vorbildliche Sozialpolitik damit identifiziert.
Gegen andere Trittbrettfahrer weiß Troidl sich hingegen durchaus zu wehren. Als der mittlerweile zum Pius-Bruder mutierte ehemalige Regensburger NPD-Chef Willi Wiener dem Strohhalm einen Spendenscheck unter dem Motto „Nationale helfen Obdachlosen“ unterjubeln wollte, um damit Propaganda zu betreiben, distanzierte Troidl sich öffentlich und gab Wiener den Scheck zurück.
Freilich ist Troidls soziale Ader nicht frei von parteipolitischer Ideologie.
Als die schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 zur Streichattacke im Sozialbereich blies, war Troidl einer von denen, die daran doch einige gute Seiten finden konnten. Schließlich sei es nicht verständlich, wenn ein Langzeitarbeitsloser mehr Geld erhalte als ein Rentner, der sein Leben lang gearbeitet habe.
Als sein eigener Verein „Strohhalm“ die breite Forderung nach einem Sozialticket unterstützte, ließ sich Troidl davon nicht beirren und lehnte es in seiner Eigenschaft als Stadtrat – dort hört man ansonsten eher selten etwas von ihm – ab.
Und wenn es um die Situation von Flüchtlingen geht, glänzt Troidl im Stadtrat zwar mit Polemik, beweist aber auf der anderen Seite, dass er keinerlei Ahnung von der menschenverachtenden bayerischen Asylpolitik hat, für die seine Partei steht. Vielleicht interessiert es ihn aber auch nicht. Auch insofern ist er für seine Partei ein repräsentatives Aushängeschild.
Astrid Freudenstein, die Strahlende
Über Astrid Freudenstein gibt es vieles, was man vielleicht nicht weiß. Zum Beispiel, dass sie 1998 den ersten Journalistenpreis der Bayerischen Zahnärzte gewonnen hat. Oder dass sie als Dozentin für Medienwissenschaft an der Universität arbeitet. Dass sie irgendwann mal den Plan verfolgt haben muss, Realschullehrerin für Deutsch und Erdkunde zu werden, dann aber sicherheitshalber doch neben dem Staatsexamen noch ihren Magister gemacht hat, um als Journalistin zu arbeiten.
Was man über Astrid Freudenstein auch nie so genau weiß, ist, zu welcher CSU-Seite sie gerade tendiert. Ursprünglich war klar: Sie steht zu Schaidinger und Schlegl. Sie war eine der sieben jungen Ortsvorsitzenden, die das oft zitierte Dossier unterzeichnet haben.
Nach wie vor gehört sie zur CSU-Fraktion um Christian Schlegl, doch hin und wieder entfleucht sie zum anderen Lager um Gugau und Rieger. Spekulationen um eine mögliche Kandidatur als Oberbürgermeisterin flammen immer wieder auf; diese werden mal dem amtierenden Oberbürgermeister in die Schuhe geschoben, mal kommen sie vom gegnerischen Lager.
In Sachen Stadtrat gibt sie sich eher zurückhaltend. Ausführliche Wortmeldungen sind kaum verzeichnet, lediglich ihr Abstimmungsverhalten ist hin und wieder der Berichterstattung wert, außerdem ihr Engagement gegen eine Ersatztrasse zur Steinernen Brücke.
Als Bundestagskandidatin konnte sie sich nicht durchsetzen. Es wäre ein Höhepunkt einer noch jungen, aber dynamischen Karriere gewesen. Mit 30 in die CSU eingetreten, 2008 mit unter 35 noch in den Stadtrat, dann schon Bundestag. Das wär’s gewesen. Aber es hat nicht sollen sein.
Vielleicht bewahrheitet sich ja auch in ihrem persönlichen Schicksal Freudensteins eigene These: dass es in der Geschichte einfach nicht genügend bedeutungsvolle Frauen gibt.