Advent, Advent, ein Lichtlein brennt… Auch im Stadtrat gibt es größere und kleinere Lichterl. Im Stadtrats-Adventskalender kümmern wir uns um alle. Heute: Jürgen Huber, Grüne, und Norbert Hartl, SPD.
Jürgen Huber, der grüne Zufall
Künstler und Politiker, geht das zusammen? Die Skepsis kommt ganz automatisch, denn während der Künstler sich typischerweise freigeistig und kreativ gibt, zeichnen sich Politiker zumindest nicht nur in Ausnahmefällen durch ideologische Verblendung, Phrasendrescherei und Vasallentreue zur Parteispitze aus. Zwar wohnte den Grünen einst ein etwas anderer Geist in, doch eine gewisse Arriviertheit wird auch ihnen nach über 30 Jahren in der Politik mittlerweile gerne nachgesagt. Insofern haben sich nicht wenige gewundert, als Jürgen Huber 2007 – mit damals immerhin schon 54 Jahren – auf einmal den Weg in eine Partei und damit in die Politik fand.
Kaum dabei, schwemmte es ihn schon ganz nach vorne. Ein Jahr nach dem Parteieintritt Wahl in den Stadtrat, im Jahr darauf Direktkandidat für den Bundestag. Dabei drängte es ihn nicht einmal aus eigenem Antrieb in den politischen Zirkus. Die Grünen wollten ihn haben, hätten ihn auch ohne Mitgliedschaft auf die Liste gesetzt, doch Huber wollte sich lieber organisieren und schloss sich kurzerhand der Partei an.
Mit dem Bundestag ist es bekanntermaßen nichts geworden, doch immerhin sitzt Jürgen Huber nun im Stadtrat. Jetzt ist er also nicht mehr nur Betroffener der Regensburger Kulturpolitik, sondern spricht dort mit, wo sie gemacht wird – wohlgemerkt: die Kulturpolitik, nicht notwendigerweise die Kultur. Denn da ist Huber traditionell anderer Ansicht.
Als Vertreter der so genannten „Freien Szene“ ist Huber lange Zeit eher Opfer als Nutznießer der städtischen Kulturpolitik gewesen. Als Mitbegründer und von 2005 bis 2010 Vorsitzender des Kunstvereins GRAZ ist er mit Kunst und Künstlern in der Stadt bestens bekannt, seit Jahren kämpft er um einen Ort, an dem sich diese vergleichsweise unorganisierte Szene außerhalb städtischer Institutionen niederlassen kann. Angesichts eines Oberbürgermeisters, der sich gerne mit Zahlen schmückt und auf Schlüsselwörter wie „Wirtschaft“, „Wachstum“ und „Ansiedelung“ anspringt, versucht es Huber nun im Stadtrat also nicht mehr nur über den ideellen Wert von Kunst. Er bringt die „Kreativwirtschaft“ ins Spiel, die Regensburg fehle, hätte dafür gern einen Platz im Alten Schlachthof gehabt, muss sich dann aber von CSU-Fraktionsvorsitzendem Christian Schlegl sagen lassen, dass man in Regensburg ja beispielsweise schon im Biopark ganz erstaunliche kreative Leistungen vollbringe.
Nun kann man Genforschern sicherlich nicht pauschal eine kreative Ader absprechen; doch Kunst und Kultur in Hubers Sinne findet man dort wohl eher weniger. Das Einfärben von Chromosomen gilt wohl eher nicht. Dafür ist man im Stadtrat umso kreativer, wenn es darum geht, die Herkunft von Kunstwerken zu verschleiern. So geschehen bei der Rotunde von Cy Twombley… äh… Peter Wittmann. Huber war vielleicht der Erste, dem das Rätsel des Dreiteilers im Stadtratsplenum aufgefallen ist. Doch die investigative Energie, die Huber an den Tag gelegt hat, um den Preis ausfindig zu machen, reichte nicht aus, um das Triumvirat der Bürgermeister oder die Stadtverwaltung zum Reden zu bringen.
Seine eigenen Finanzen brachten es jedoch ganz nach oben auf die Tagesordnung. In einer zweifelhaften Posse, die mancherorts sogar als „Abrechnungsskandal“ bezeichnet wurde, wurde er als Abzocker bezichtigt, weil er als Freiberufler Fraktionssitzungen abgerechnet hatte – auf Aufforderung der Verwaltung, wie sich kurz später herausstellte.
Jürgen Hubers Ruf ist also wiederhergestellt. Der Mann, der diesen Stein durch eine Anspeilung ins Rollen brachte, versteckt sich hinter dem zweiten Flügel des achten Türchens.
Norbert, der Alleswisser
Na gut, aus Burgweinting ist er nicht; das glauben nur alle, weil er lange Zeit dort im schmucken Einfamilienhaus mit röhrendem Hirschen als Wandbild im feinen Wohnzimmer lebte. Jetzt residiert er etwas bescheidener am Galgenberg. Dass er aus Straubing stammt, hört man an den stimmhaften Konsonanten. Stimmhaft ist der Hartl Norbert allemal. Und zwar nicht erst, seit er die SPD-Stadtratsfraktion anführt. Der Lokalmatador hat kommunalpolitisches Wissen wie kaum ein Zweiter, bringt seit Generationen Oberbürgermeister jedweder Couleur an den Rand der Verzweiflung – unvergessen sein Zuruf an seine Parteikollegin Christa Meier, sellmals Oberbürgermeisterin dahier: „Sie san’ die Chefin, aber i’ bin ihr oberstes Kontrollorgan!“ Die Stadtrats-Sozis schwiegen verschämt, die CSU applaudierte verhalten.
Nun ist er also Großkoalitionär geworden. Man sagt, die CSU lese ihm jeden Wunsch von den Augen ab, auf dass man sich ihn nur vom Leibe halte, so gefährlich er gelegentlich auftreten kann. Zum Wohle der Stadt, das weiß jeder CSUler, ist mit Hartl immer zu rechnen. Die Großprojekte wie – in langer Vergangenheit – die BMW-Ansiedlung wären ohne ihn wohl nie durchsetzbar gewesen. Es musste ja jemanden geben, der die Hartinger Bauern zur Vernunft und zum Verkauf ihres Ackerlandes brachte.
Das wusste damals schon der lang verstorbene Oberbürgermeister Friedrich Viehbacher zu schätzen – auch wenn er sich, wie auch seine beiden Nachfolger – über Hartls wenig vornehme Stadtrats-Rhetorik grün und blau ärgern musste. Das Schlimme für die Stadtregenten bestand (und besteht) darin, dass der Burgweintinger nicht nur mit allen Wassern gewaschen ist, sondern sich über jeden Sachverhalt ganz genau ins Bild setzt. Selbst schlaftrunkene Zeitungsreporter wissen zu berichten, dass der umtriebige Sozi schon morgens um halb sieben zum Telefonhörer greift, um seinem Grant Gehör zu verschaffen.
Es ist kein dankbarer Job, Chef der zweitgrößten Fraktion zu sein. Hartl hat die Rolle als Koalitionär angenommen, zumal ihm die eigene Partei in der Ära Meier das Bürgermeisteramt verweigert hatte. Doch In Unionskreisen gilt er als eine Mischung aus zuverlässig bis unberechenbar. Zuverlässig, weil er auch mal über seinen sozialdemokratischen Schatten springt und CSU-Vorhaben zustimmt, die er in früheren Stadtratsperioden verteufelt hat. Unberechenbar, weil ihm halt zu gegebener Zeit doch auch mal die Zunge entgleitet und er wenig koalitionsloyal seinen Finger in Wunden legt, die laut CSU-Fraktion eigentlich gar keine sein sollten. So hat es Hartl dieses Jahr fast geschafft, wieder einmal Opposition gegen einen Oberbürgermeister zu machen, dem er eigentlich Unterstützung zugesagt hatte. Im Tohuwabohu um das 1,5-Millionen-Euro-Defizit des Evangelischen Krankenhauses hat es Hartl tatsächlich gewagt, den Stiftungs-Chef Dr. Helmut Reutter der Inkompetenz zu bezichtigen. Dass sich Schaidinger wie eine Löwenmutter vor seine Verwaltung stellt, hätte ihm eigentlich klar sein müssen. Leidlich reumütig und nicht frei von Trotz bat Hartl um Entschuldigung und rettete die Koalition.
Irritierend, da ungewohnt, dürfte auch die Wahl um den Posten als Bezirkstagskandidat gewesen sein. Hartl – seit unzähligen Jahren darauf abonniert – sah sich plötzlich einem Gegenkandidaten ausgesetzt. Dass die Schicki-Micki-Linken in der SPD den „Canale Grande“ (eine Anspielung auf Hartls kommunalpolitische Bodenständigkeit und seine Beflissenheit in Sachen Kanalausbau) noch nie haben wollten, ist er gewohnt. Er erschien als zu bodenständig, als nicht links genug, manchmal gar als „unfein“. Doch dass seine parteiinternen nun schon einen eigenen Gegenkandidaten installierten! Das war auch für einen alten Hasen wie Hartl Neuland. Die innerliche Pein wusste er vor und während der Wahl die meiste Zeit geschickt zu überspielen, die Erleichterung nach der Wiederwahl konnte er aber nicht besonders erfolgreich verstecken.
Jetzt ist es also in Stein gemeißelt: Norbert Hartl bleibt der Stadt und dem Bezirk noch mindestens eine Wahlperiode lang erhalten. Dass er jemals aufhören würde – daran mag momentan sowieso noch niemand glauben. Sympathie hin oder her: Sollte Hartl 2020 nun tatsächlich das Feld räumen, werden es sämtliche Nachfolger auf allen seinen Posten schwer haben, Freunde und Gegner nicht nur als Lückenfüller zu langweilen.