Drei Stunden lang diskutierten die Donaustaufer über die geplante Flüchtlingsunterkunft. Zum ersten Mal meldeten sich die Unterstützer deutlich zu Wort. Am Podium gab es nur einen souveränen Politiker.
Landrat Herbert Mirbeth mit den Bürgermeistern Jürgen Sommer und Anton Rothfischer. Von den eingeladenen Bürgermeistern und Abgeordneten kamen ansonsten nur Erich Dollinger und der stellvertretende Landrat Otto Gascher. Foto: as
Es ist kurz nach 19 Uhr, als die ersten Leute in der Mehrzweckhalle eintrudeln. Heute kommt Landrat Herbert Mirbeth (CSU) nach Donaustauf. Er will über die geplante Asylunterkunft informieren und Fragen beantworten. Am Ende werden etwa 250 Menschen den Saal füllen.
Mirbeth hatte sich lange gesträubt, nach Donaustauf zu kommen. Erst nachdem eine Marktratssitzung in der Gemeinde regelrecht eskaliert war – der zukünftige Betreiber der Unterkunft, Karl Schützmeier, wurde lautstark beschimpft, ein CSU-Marktrat konnte nur durch einen Ordnungsruf des Bürgermeisters davon abgehalten werden, auf ihn loszugehen – lud der Landrat zunächst zum Runden Tisch. Dort wurde vereinbart, dass nicht mehr wie zunächst geplant 50, sondern nur noch 25 Flüchtlinge in der ehemaligen Pension Walhalla untergebracht werden sollen. Darüber hinaus willigte Mirbeth in eine öffentliche Veranstaltung ein.
Afrikanische Drogendealer und libanesische Familien-Clans
Bedenken, Ängste und Vorurteile sollen heute ausgeräumt werden in der Gemeinde, wo 818 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt wurden. Unterschrieben haben die Leute, das hört man am Dienstag aus den Fragen heraus, aus den unterschiedlichsten Motiven. Und manch einem der Unterschriftensammler scheint es durchaus ein Anliegen gewesen zu sein, von Haus zu Haus zu laufen, um seine persönlichen Vorurteile zu verbreiten.
Hat die Unterschriftensammlung mitinitiiert: Reinhard Schweiger.
Ein Richard Flöter etwa meldet sich am Dienstag zu Wort, redet über afrikanische Drogendealer und libanesische Familien-Clans, die er im Fernsehen gesehen habe, darüber, dass er „jeden Tag mit ganz Europa und dem Innenministerium telefoniert“, demzufolge mehr wisse als alle anderen und dass er schon befürchte, dass dann Drogen in der naheliegenden Schule verkauft würden.
Reinhard Schweiger, Mitinitiator der Unterschriftensammlung, hat sich tags zuvor noch in einer Stellungnahme über die Medien zu Wort gemeldet. Ihm sind 25 Flüchtlinge immer noch zu viel für den (4.000-Seelen-Ort) Donaustauf. Mit der Unterkunft in Wörth an der Donau könne man das nicht vergleichen. Dort sei schließlich eine Mauer als Sichtschutz um die Unterkunft gezogen und außerdem sei die Polizei unmittelbar vor Ort, sollte etwas – was auch immer – passieren.
Derlei hört man am Dienstag öfter, wenn auch weniger in den öffentlichen Wortmeldungen als bei den Zigarettenpausen vor der Tür oder bei Zwiegesprächen im Publikum. Es ist vielleicht ein Drittel der Anwesenden, das bei solchen Wortmeldungen Beifall spendet.
Von den Politikern am Podium schafft es am Dienstag nur einer, solchen Vorurteilen souverän zu begegnen: Anton Rothfischer, Bürgermeister in Wörth an der Donau.
Mantra vom “Grund des Problems”: Landrat Herbert Mirbeth.
Landrat Herbert Mirbeth verwendet einen Großteil seines Vortrags darauf, immer wieder von dem „sehr großzügigem, sehr liberalem Asylrecht in Deutschland“ zu sprechen und davon, dass die Visafreiheit für Balkanstaaten und die erhöhten Leistungen für Asylbewerber „ein Grund des Problems“ seien.
Sich drücken vor sozialer Verantwortung
Der Donaustaufer Bürgermeister Jürgen Sommer (SPD) versucht – manchmal ein wenig überfordert – , zu beschwichtigen, zu betonen, dass er „pro Asyl“ und Donaustauf nicht ausländerfeindlich sei („Wir haben sogar Geschäfte, die von Ausländern betrieben werden.“). Außerdem stellt er den „guten Kompromiss“ heraus, den man gefunden habe. Das Asylrecht kritisiert Sommer auch, allerdings auf einer völlig anderen Ebene als Mirbeth: „Die Asylbewerber werden von oben nach unten durchgereicht.“ Bund und Land drückten sich vor sozialer Verantwortung. „Das sollen jetzt wir übernehmen.“
Rothfischer hingegen – 54 Jahre alt, das, was man ein „gstandnes Mannsbild“ nennt – erzählt von seiner Gemeinde im Allgemeinen und den 72 Flüchtlingen, die dort leben im Speziellen, wie von einer großen Familie. „Die kommen nicht hierher, weil sie Urlaub machen oder jemand die Arbeit wegnehmen wollen, sondern, weil in ihren Ländern schlimme Zustände herrschen.“ Die Defizite, die über die Asylgesetzgebung (Integration nicht erwünscht) vorgegeben sind, werden in Wörth größtenteils ehrenamtlich aufgefangen.
“Die gehören zu uns, wie jeder andere auch.” Der Wörther Bürgermeister Anton Rothfischer.
Eine Gruppe Studenten gibt Deutschkurse, die Kinder dürfen kostenlos den Kindergarten besuchen, wo sich mittlerweile auch mehrere Mütter aus dem Heim ehrenamtlich einbringen. „Arbeiten dürfen diese Menschen ja nicht“, so Rothfischer. Aus dem Gemeindedepot habe man Schultafeln in der Unterkunft installiert und er selbst schaue da fast jede Woche vorbei („Egal, ob das die Medien grade interessiert oder nicht.“). Jetzt sei er noch dran, Kinder und Jugendliche bei Vereinen unterzubringen. „Da gibt es einige Möglichkeiten.“ Es gebe keine Auffälligkeiten, doch allein dieses Wort höre sich „schon richtig blöd“ an. Stellungnahmen wie jene von Schweiger seien „schlimm“, sagt Rothfischer mehrfach. „Da werden Menschen in eine Ecke gestellt, wo sie nicht hingehören. Das sind keine Verbrecher und keine Kriminellen. Die gehören zu uns wie jeder andere auch. Es ist ein Geben und Nehmen.“
Wohnungsangebote und freiwilliges Engagement
Viele Fragen der Anwesenden drehen sich dann darum, wer da überhaupt kommt (Männer, Frauen, Kinder und Familien). Oder wie denn die Betreuung der Flüchtlinge aussehen solle. Tatsächlich hat sich der Landkreis bereit erklärt, finanzielle Zuschüsse zu geben, mit denen ehrenamtliches Engagement unterstützt werden soll. Immer wieder gibt es auch Wortmeldungen von Menschen, die sich gegen Vorurteile wenden, wie sie etwa Richard Flöter geäußert hat. Dessen Visionen von Drogenhandel an der Schule in Donaustauf seien völlig abstrus und überzogen, sagt eine Lehrerin. Und bei manchen Phantastereien von Vandalismus habe sie oft mehr Angst „vor unseren eigenen Jugendlichen als vor Menschen, die man noch nicht einmal kennt“.
Ein Vater, dessen Kinder diese Schule besuchen, weist den europaweit telefonierenden Herrn Flöter darauf hin, dass dieser keine Kinder an der Schule habe. Statt solche Vorurteile zu schüren, müsse man sich um die Leute kümmern. „Und wenn wir hier uns nicht engagieren, wer dann.“ Etwa 20 Leute tragen sich in eine Liste der Bürgerinitiative Asyl ein, um ehrenamtliche Arbeit rund um die Unterkunft zu organisieren. Ein Mann meldet sich spontan und bietet selbst zwei Wohnungen an, um Flüchtlinge in Donaustauf unterzubringen.
Immer wieder im Visier: Gebäudeeigentümer Karl Schützmeier (li.).
Freilich kommen auch immer mal die üblichen Parolen. „Kriminelle Ausländer dürfen ja überhaupt nicht abgeschoben werden“, heißt es aus der einen Ecke. „Wenn die keinen Ausweis dabei haben, dann sollten sie kein Asyl bekommen“, aus der anderen. „Ich bin nicht rechtsradikal und nicht ausländerfeindlich, aber die Türken lachen uns doch bei dem aus, was wir hier machen. Warum schickt man denn Moslems nicht in die Türkei ins Asyl statt dass man sie in Regensburg Moscheen bauen lässt.“ Ein Donaustaufer schlägt vor, doch Maurer umzuschulen, damit die vielen Asylanträge schneller bearbeitet werden könnten. Einer Studentin, die darüber lacht, werden später Schläge angedroht.
„Der soll a Ruh geben“
Kurzfristig gerät auch Pensions-Besitzer Karl Schützmeier ins Visier. Er habe Initiatoren der Unterschriftensammlung als „Rattenfänger“ bezeichnet und dafür müsse er sich entschuldigen. Als Schützmeier dies ablehnt, weil hier Leute „mit hetzerischen Parolen und falschen Behauptungen“ unterwegs gewesen seien, wird er vom Podium herab durch Landrat Mirbeth zu einer solchen Entschuldigung genötigt. Schließlich sei „bald Weihnachten“, meint Mirbeth. Schützmeier solle sich doch einen Ruck geben und sagen: „Es tut mir leid.“
Gegen Ende der knapp dreistündigen Versammlung geht Mahmoud Al-Khatib, Personalchef an der Regensburger Uni und Integrationsbeauftragter der Bayern-SPD ans Mikro. Er kam vor über 30 Jahren als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland. Er war mal einer von diesen ominösen Asylanten.
Am Dienstag bescheinigt er den Donaustaufern mit leicht oberbairischem Akzent, nicht ausländerfeindlich zu sein. „Sie interessieren sich für die Menschen. Reichen Sie ihnen die Hand.“ Und er widerspricht Mirbeths Mantra vom „sehr großzügigem, sehr liberalem Asylrecht in Deutschland“. Im Gegenteil herrsche über Jahrzehnte eine völlig verfehlte Asylpolitik. „Menschen werden zusammengepfercht. Ihnen werden Menschenrechte systematisch vorenthalten und sie werden als Schmarotzer und Drogendealer diffamiert.“ Manch einer im Publikum hört da interessiert zu. Andere winken ab oder murmeln etwas von „Der soll a Ruh geben“.