Am Montag veröffentlichte regensburg-digital (basierend auf der Generalprobe) eine Kritik des Stücks „zwölf zu null“, das derzeit noch am Regensburger Unitheater läuft. Hier nun eine etwas andere Sicht der Dinge in einem Gastbeitrag von Loyd Spencer zur Uraufführung am Sonntag (Fotos: Alexander Urban).Mit „zwölf zu null“ hat sich Thomas Spitzer, Mathematiker und Poetry Slammer, zum ersten Mal an einem abendfüllendem Stück versucht. Dabei hat er sich nicht unbedingt das leichteste Thema gewählt, und vor allem nicht das unumstrittenste. Drei Jahre nach dem Tod von Tennessee Eisenberg bringt er zusammen mit Roland Weisser, Leiter des Regensburger Studententheaters, den Stoff auf die Bühne. Die realen Ereignisse dienen dabei nur als Motiv – im Stück fällt der Name Eisenberg nicht, der erschossene Student hat hier eine Schwester, anstelle eines Polizeipräsidenten steht eine Polizeichefin (Christina Resch).
Im Mittelpunkt steht Henry (Alois Dirnaichner), selbst Student, der sich zusammen mit seiner Freundin Kim entschließt, ein Graffiti mit dem Konterfei des Toten – im Stück ein unbekannter Student – in der Stadt zu verbreiten. Dabei gerät er – mehr oder weniger zwangsläufig – in Kontakt mit der Polizei. Davon ausgehend bekommen die Zuschauer viele Ansichten, Meinungen, Fakten, Denkanstöße und „Wahrheiten“ präsentiert. Welcher man sich anschließt, bleibt auch nach diesem Stück offen. Dafür sollte man dankbar sein.
Wer erwartet hätte, dass die Polizei hier ordentlich ihr Fett wegbekommt, der dürfte enttäuscht sein. Über viele detailreiche Szenen werden vier verschiedene „Typen“ von Polizisten charakterisiert – zerstört, leugnend, martialisch, kritisch. Nicht die Polizei als Institution steht im Mittelpunkt, sondern die Polizisten als Menschen. Das gilt auch für die übrigen Protagonisten.
Die Hauptrollen des sympathisch verplanten Henry, der kämpferischen Kim, der trauernden Eva (Schwester) und des zweifelnden Oliver Müller-Meier (Polizist, gespielt von Roland Weisser) werden auf emotional bewegende und erstaunlich authentische Art und Weise inszeniert und gespielt. Auch die vielen kleinen Nebenrollen wussten zu überzeugen und spielten sich viele Sympathien beim Publikum ein.
Inszeniert auf vier Bühnen, unterstützt durch eine geschickte Lichttechnik, entfalteten sich auch schwierigere bzw. „unübersichtlichere“ Szenen. Man muss vor Roland Weisser den Hut ziehen, er verstand es, mit wenigen Requisiten dennoch ein spannungsreiches Bühnenbild zu konzipieren, dass die Rollen in den Vordergrund rückte, sie aber nie „im Leeren“ stehen ließ.
Über den Einsatz des Stilmittels der Ironie und der Doppeldeutigkeit sowie des Mediums der Komödie lässt sich im Kontext um den Tod von Eisenberg sicherlich streiten. Wie das Stück aber gewirkt hätte ohne die vermeintlich störenden Kalauer und Witzchen spiegelt ganz besonders eine Szene wieder, in der in erschreckender monotoner Neutralität Nachrichtenartikel und Videos zum Thema wiedergegeben werden. Es würde einem erschreckend schwer und beklemmend in der Seele, wäre das Stück dauerhaft in dieser Stimmung gehalten. Durch die (selbst)ironischen, komischen (und meist passenden) Einlagen wird die Thematik erträglicher und ergeht sich nicht in einem Hin- und Herschieben der Schuldfrage. Das ernste Anliegen geht hier Hand in Hand mit Wortwitz und Karikatur.
Alles in Allem bleibt der Eindruck, dass es dem Regensburger Studententheater sowie Thomas Spitzer gelungen ist, ein kontrovers diskutiertes Thema gelungen für die Bühne aufzubereiten. Sie arbeiten sich nicht mit der Schuldfrage ab, sondern betrachten die Menschen hinter ihren Etiketten als Familienangehörige, Staatsbediensteten, Demonstranten etc.. Es werden notwendige Fragen aufgeworfen und keine Wahrheiten präsentiert.
Gekrönt wird das Stück, durch die schauspielerische Höchstleistung vieler junger Regensburger StudentInnen.
Danke für den bewegenden Abend, der mich auch Tage nach der Aufführung noch rührt und zum Nachdenken anregt.
Läuft noch am 3. und 4. Mai, jeweils 19.30 Uhr, am Theater an der Uni