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Archiv für 23. April 2012

Hochwasserschutz sehr, sehr ernst genommen

In Erwartung reißender Fluten

Wenn die Polarkappen einmal abgeschmolzen sind, Hochwasser und starke Regenfälle unser Land heimsuchen und auch die komplette Oberpfalz vom Absaufen bedroht ist, dann bleibt als letzter Fluchtpunkt nur noch eines: auf nach Lappersdorf. Keine Gemeinde in der Oberpfalz scheint derart gut gegen Hochwasser gewappnet zu sein.

Das Bächlein Rodau: Sieht harmlos aus, kann aber sehr gefährlich werden, befindet das Hochwasserschutzkonzept der Gemeinde Lappersdorf. Fotos: Aigner

Den Hochwasserschutz nimmt man im Freistaat Bayern ernst. Sehr ernst. Um seine Städte und Gemeinden gegen bedrohliche Fluten zu wappnen, fördert man den Bau entsprechender Maßnahmen mit bis zu 75 Prozent. Das gilt für große Städte wie Regensburg, aber auch kleine Gemeinden in der Nachbarschaft, wie eben Lappersdorf. Wurde der Ort beim Augusthochwasser 2002 noch von den Fluten des Regens überschwemmt, so war beim Frühjahrshochwasser 2011 davon nichts mehr zu spüren: Eigens gebaute Pumpwerke und ein Damm hielten die Wassermassen fern. Was für große Flüsse wie den Regen gilt, gilt auch für kleiner Bachläufe und Bächlein, so genannte Gewässer III. Ordnung. Weil diese bei Schneeschmelze oder Starkregen sehr stark anschwellen können, werden auch hier Schutzmaßnahmen gefördert, in Form so genannter Hochwasserrückhaltebecken. Bei einem Hundertjährigen Hochwasserereignis können eventuelle Fluten etwa für eine Stunde in einem solchen Becken aufgefangen bzw. deren Abfluss verzögert werden. Eine feine Sache.

Elf Becken in der Oberpfalz, fünf in Lappersdorf

In der Oberpfalz wurden vom dafür zuständigen Wasserwirtschaftsamt bislang elf solcher Becken genehmigt und bezuschusst. In der Marktgemeinde Lappersdorf, die flächenmäßig gerade mal ein Prozent der Oberpfalz ausmacht, sind es derer fünf. Fünf von elf? Ist Lappersdorf von einer naturgewaltigen und hochwasseranfälligen Landschaft umzingelt oder gar existenziell bedroht?

Kreativ gestaltet. Das Hochwasserrückhaltebecken in Hainsacker.

Das erste Becken wurde bereits 2008 in der Flur Am Steinbuckel im Ortsteil Hainsacker errichtet. Die nächsten Jahre folgte je eines in Lorenzen (Lorenzer Graben), Kareth (Rehtal), Lappersdorf (Metzenbach) und demnächst in Pielmühle (Rodau). Bislang wurden, bezuschusst vom Freistaat, rund 1,3 Millionen Euro in Becken in Lappersdorf investiert. Dabei wurde jeder größere Gemeindeteil paritätisch mit einem HRB bedacht. Landschaftlich sind die Becken zum Teil durchaus recht reizvoll, auch wenn die Bedrohungslage auf den ersten Blick nicht wirklich auszumachen ist. Im Fall Hainsacker scheint sie so gering zu sein, dass dieses Becken – wie aus dem Wasserwirtschaftsamt zu vernehmen war – mittlerweile nicht einmal mehr förderungsfähig wäre. Die Gefahr für Pielmühle besteht in einem Rinnsal, das seit eh und je aus dem Rodau-Tal heraus fließt. Bei Starkregen ergießt sich da bisweilen kurzzeitig ein Wasserlauf über die Straßen und Gärten hinunter in den Fluss Regen. Das Lappersdorfer Metzenbachtal hingegen endet bei einem Café Hahn direkt neben dem geplanten Standort für die 2011 per Bürgerentscheid abgelehnte „Neue Mitte“. Dieses vorerst gescheiterte Prestigeprojekt war wohl ein wesentlicher Grund für den Beckenbau am Metzenbach. Ebenfalls sind – in den letzten Jahrzehnten – für die einst potentiell bedrohten und nun geschützten Flächen keine größere Schadens- oder Hochwasserereignisse in den Lappersdorfer Annalen verzeichnet. Wieso also die Bauwut?

„Nichts bauen, wenn es keinen Sinn macht.“

Der Lappersdorfer Bürgermeister Erich Dollinger meinte 2010 auf einer Bürgerversammlung sinngemäß, das beste Mittel gegen die grassierende Wirtschaftskrise seien Investitionen und deshalb würde Gemeinde Hochwasser-Rückhaltebecken errichten lassen, die zudem gut wären für den Schutz der Gebäude.

Größte Baumaßnahme: Becken im Rehtal.

Das alles will man bei der Marktgemeinde so nicht stehen lassen. „Es kann sein, dass wir so lange wir leben kein solches Hochwasser miterleben werden“, heißt es vom Bauamt. Logisch: Die Becken wurden schließlich für ein hundertjährliches Hochwasser-Ereignis ausgelegt. „Wir würden doch nichts bauen, wenn es keinen Sinn macht.“ Ebenso würde das Wasserwirtschaftsamt keine Fördergelder für unnötige Schutzmaßnahmen verteilen. Jede Gemeindeverwaltung muss nämlich zunächst ein Hochwasserschutzkonzept vorlegen, um in den Genuss von Fördergeldern zu kommen. Schön gestaltet: Hochwasserschutz im Metzenbachtal.

Konzept, Bauleitung, Gutachter: Alles aus einer Hand

Dieses Konzept wurde für den Markt Lappersdorf von einem Echinger Ingenieur-Büro erstellt. Diese Firma hat in Regensburg praktischerweise eine Dependance, die die Konzept- und Planungsarbeiten für die Gemeinde Lappersdorf abwickelt. Und darüber hinaus tritt der dafür zuständige Ingenieur auch in Personalunion als Bauleiter und Gutachter bei baurechtlichen Einwänden auf. Beim Rückhaltebecken in Lorenzen hatte er kein gutes Händchen. Im Vorfeld gab es umfangreiche Modellrechnungen, um die Größe dieses Beckens zu bestimmen. Auf der Grundlage von zwei ausgemachten bzw. größeren Wasserzuläufen, einer im Westen und einer im Süden des Beckens, kam ein stattliches Volumen von 2.500 Kubikmetern heraus. Doch als es 2007 um die planerisch-bauliche Umsetzung der Simulationsrechnung ging, wollte man einen der eigens berechneten Wasserzuläufe nicht ins Becken leiteten, sondern an diesem vorbei in den Regenwasserkanal. Das wurde zwar mittlerweile korrigiert, aber es ist doch etwas kurios, einen Bach nicht in ein Becken leiten zu wollen, wegen dem es doch eigentlich gebaut wurde.

Nicht genehmigt: Das Becken in Lorenzen.

Dem nicht genug, gab und gibt es in Lorenzen massive Probleme beim Bau eines Notüberlaufs, den jedes Hochwasser-Rückhaltebecken besitzen muss. Da die Besitzerin des einzig dafür in Frage kommenden Grundstücks, dieses nicht für den Notüberlauf freigeben wollte, verzichtete die Bauleitung kurzerhand auf die ordnungsgemäße Errichtung dieser Sicherheitseinrichtung. Man baute einfach ohne Notüberlauf. Nach Protesten anderer Anwohner, die ihr Anwesen dadurch gefährdet sahen, ließ die zuständige Bauabteilung den Notüberlauf nachträglich herstellen, das jedoch wieder ohne Einverständnis der Grundstückeigentümerin. Wegen falscher Höhenangaben, die zwar mehrfach korrigiert wurden, aber irgendwie doch immer wieder falsch waren, zog das Landratsamt die Baugenehmigung schließlich im Herbst 2010 zurück. Eine Gefährdung von Anwohnern könne nicht ausgeschlossen werden, so die Begründung für diesen ungewöhnlichen Schritt. Seitdem steht das Becken unverändert ohne Baugenehmigung von 2008 da und wartet auf das Hundertjährige Hochwasser, wegen dem es angeblich gebaut wurde.
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