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Archiv für Januar, 2012

Anfrage an die Staatsregierung

Regensburger Vorgeschichte der Nazi-Morde

Die Anfrage der Regensburger Landtagsabgeordneten Maria Scharfenberg (Grüne) birgt Sprengstoff. Es geht um einen der aktivsten Neonazi-Kader der 90er Jahre: Tino Brandt. Und es geht um die bayerische Vorgeschichte der Nazi-Bande, die sich zwölf Jahre lang unbehelligt durch die Republik morden konnte. Der heute 36jährige Brandt war Mitinitiator und Chef des Thüringer Heimatschutzes, dem Ausgangspunkt des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und des Zwickauer Nazi-Trios Böhnhardt/ Mundlos/ Zschäpe. Von 2000 bis 2007 sollen die drei mindestens zehn Morde – davon fünf in Bayern, mehrere Sprengstoffanschläge mit Dutzenden Verletzten und Banküberfälle verübt haben.

Brandts Nazi-Karriere beginnt in Regensburg

Den Thüringer Heimatschutz konnte Brandt komfortabel mit Steuergeldern aufbauen. Mindestens 200.000 Euro erhielt er zwischen 1994 und 2001 für seine Tätigkeit als V-Mann vom Thüringer Verfassungsschutz, ehe er enttarnt wurde. Seine Nazi-Karriere aber startete Brandt bereits als 18jähriger in Bayern, genauer gesagt 1993 in Regensburg. Und hier setzt Scharfenbergs Anfrage an.

Was wusste der Verfassungsschutz?

„Stand Tino Brandt jemals in den Diensten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz?“, will sie von der Staatsregierung wissen. Unabhängig davon möchte Scharfenberg auch erfahren, ob die Verfassungsschützer den bereits damals hochaktiven Nazi-Kader zumindest überwacht haben. Falls nicht, dann waren Regensburger Antifaschisten die einzigen, die sich um die Aktivitäten von Tino Brandt kümmerten.

Bei Brandt gefunden: „Jüdische“ und „arische“ Gesichtsprofile einander gegenübergestellt werden. „Schriftstücken möglicherweise rechtsextremistischer Provenienz“, meint Amtsrichter Gierl.

Wegen einer Aktion an Brandts Arbeitsplatz, einem Regensburger Supermarkt, wurden zwei von ihnen vom Regensburger Amtsgericht wegen übler Nachrede zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten Flugblätter verteilt, in denen Brandt als gefährlicher Rechtsextremist dargestellt und „faschistischer Krimineller“ bezeichnet wurde. Die Aktivisten brachten Brandt dabei unter anderem mit einem Drohanruf bei einer türkischen Familie in Verbindung. Brandt erstattete Strafanzeige.

„Hintergründe interessieren mich nicht.“

Richter wie auch Staatsanwaltschaft zeichneten sich in dem darauffolgenden Prozess durch gehörige Ignoranz aus. Die offenkundigen rechtsextremistischen Aktivitäten Brandts spielten keine Rolle. Brandt galt dem Gericht als unbescholtener Ehrenmann, dessen „guter Ruf“ geschädigt werden könnte, die Flugblatt-Verteiler als potentielle Kriminelle. Vom Vorsitzenden Richter Werner Gierl ist die Aussage überliefert: „Hintergründe interessieren mich nicht.“ Dabei hätte schon die Lektüre der Mittelbayerischen Zeitung ausgereicht, um Gierls Horizont zu erweitern.

NSDAP-Fan, Antisemit, Rassist

Bei Brandt gefundene Briefaufkleber: „Schriftstücke möglicherweise rechtsextremistischer Provenienz“.

Einem ausführlichen Artikel im Vorfeld der Verhandlung 1994 ist entnehmen, dass Brandt nach Regensburg gekommen war, um hier eine Ortsgruppe des wenig später verbotenen „Nationalen Blocks“ (NB) aufzubauen und dass er bereits enge Kontakte zur lokalen Neonazi-Szene geknüpft hatte. Ebenfalls ist aus der Mittelbayerischen zu erfahren, dass Brandt kartonweise rassistisches Propagandamaterial, etwa in Form von Briefaufklebern, vorrätig hatte. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelte deshalb gegen Brandt wegen „Aufstachelung zum Rassenhass“.

Das alles spielte beim Verfahren in Regensburg keine Rolle. Die antisemitischen und rassistischen Aufkleber etwa bezeichnete Richter Gierl als „Schriftstücke möglicherweise rechtsextremistischer Provenienz“. Die beiden Flugblatt-Verteiler wurden wegen übler Nachrede verurteilt. Brandt hatte die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen und war zurück nach Thüringen gegangen, wo er in der NPD Karriere machte. Unbehelligt und mit staatlicher Unterstützung durch den dortigen Verfassungsschutz konnte er den Thüringer Heimatschutz aufbauen und damit die Keimzelle für die bislang nicht völlig aufgeklärte Mordserie legen.

Frist zur Beantwortung abgelaufen

Doch war bereits vorher für den Bayerischen Verfassungsschutz tätig? Hat die Behörde den Neonazi zumindest observiert? Die Frist zur Beantwortung von Scharfenbergs Fragen ist bereits seit einigen Tagen abgelaufen. „Wir rechnen eigentlich jeden Tag mit einer Antwort“, sagt ihr Sprecher Jürgen Mistol. Erstaunlich: Über die Zusammenhänge und Scharfenbergs Anfrage hat bislang lediglich die Bayerische Staatszeitung berichtet. „Hintergründe interessieren mich nicht“ (Bericht der BSZ vom 02.12.11) Vom Neonazi zum V-Mann (Bericht der BSZ vom 23.12.11) Da stelln wer uns mal janz dumm (Bericht der BSZ vom 05.01.12)

Anonymous-Portal Nazi-Leaks

Nur vier NPD-Spender aus Regensburg

Für einiges Aufsehen hat zu Jahresbeginn das Enthüllungsportal Nazi-Leaks gesorgt. Durchforstet man die dort veröffentlichte Liste von NPD-Spendern nimmt sich das Ergebnis für den Raum Regensburg allerdings eher erfreulich aus: Vier vermeintliche Spender, davon zwei NPD-Bundestagskandidaten. Lediglich ein Name fällt auf.

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