Einige Politiker, die sich mit fremden Federn geschmückt haben und dafür ordentlich gerupft wurden, dürften ihn kennen: Martin Heidingsfelder. Unter dem Pseudonym „Goalgetter“ hat er auf den Wiki-Plattformen „GuttenPlag“ und „VroniPlag“ kräftig mitgerupft. Dort wurden unter anderem die Plagiate von Guttenberg, Jorgo Chatzimarkakis oder Stoiber-Tochter Veronica Saß als solche entlarvt. Sie mussten ihre Titel abgeben. Nachdem Martin Heidingsfelder sich öffentlich geoutet hatte, wurde er – nach vielen Diskussionen – aus dem von ihm gegründeten Wiki „VroniPlag“ ausgeschlossen. Doktor-Arbeiten nimmt er nach wie vor unter die Lupe – als Unternehmer, aber auch unentgeltlich. Beim Plagiat-Symposium am Freitag an der Regensburger Uni sitzt der 46jährige Erlanger im Publikum. Er nennt den Fall Guttenberg eine „historische Chance für die Wissenschaft, etwas zu verändern“. Im Gespräch mit uns fordert er schmunzelnd gar einen Ehrendoktortitel für den ehemaligen Bundesverteidigungsminister, spricht über Erfolge und Neider und kündigt weitere Plagiatsfälle an.Herr Heidingsfelder, Sie haben das Comeback-Buch „Vorerst gescheitert“ von Karl-Theodor zu Guttenberg dabei. Ist das etwas, was man seinen Lieben unter den Christbaum legen kann?
Bloß nicht! Das Buch verfolgt nur ein Ziel: Herrn Guttenberg von allen Vorwürfen reinzuwaschen und als Unschuldslamm darzustellen. Um die Doktorarbeit geht es darin nur auf wenigen Seiten und die entscheidenden Fragen werden nicht gestellt. Es ist schon bemerkenswert, dass Herr Guttenberg nicht im Ansatz in der Lage ist, sein vorsätzliches Handeln einzugestehen. Dabei hat er das größte Plagiat produziert, das bislang in Deutschland aufgedeckt wurde. Und Guttenberg hat sehr sorgfältig und facettenreich plagiiert.
Für Weihnachten empfehle ich was Selbstgebasteltes: Wenn jemand in der Verwandtschaft Ungläubige hat, die meinen, dass der arme Herr Guttenberg sich nichts hat zuschulden kommen lassen, kann man ihm oder ihr die Plagiate aus GuttenPlag-Wiki einzeln ausdrucken und binden lassen. Das wird ein schönes, dickes Gebinde, macht sich gut unterm Christbaum und sagt auch mehr über den Herrn aus als dieses furchtbare Buch „Vorerst gescheitert“.
„…dann hätte Guttenberg einen Ehrendoktor verdient“
Sie haben heute von einer historischen Chance für die Wissenschaft gesprochen. Was meinen Sie damit?
Durch die Aufmerksamkeit, die der Fall Guttenberg, aber auch die folgenden Plagiatsfälle erzeugt haben, ist eine Diskussion entstanden, die zuvor kaum vorstellbar war. Jetzt kann man im Wissenschaftsbetrieb mal richtig aufräumen und Standards einführen, die tatsächlich dafür sorgen, dass es weniger Plagiate gibt. Das wäre man auch den vielen Leuten schuldig, die in den Wikis freiwillig und unentgeltlich gearbeitet haben.
Was schwebt Ihnen da vor?
Zum Beispiel eine nicht zu veröffentlichende Begleitdokumentation zu jeder Doktorarbeit, in der die Arbeitsschritte belegt werden. Wo wann welche Bücher ausgeliehen wurden, wann im Archiv geforscht und wann und wo z.B. Laborstudien durchgeführt wurden. Das macht es zumindest schwerer, Ghostwriter zu engagieren – dann ist klar, wer Bücher ausgeliehen hat, ob zitierte Quellen überhaupt existieren und ob man überhaupt jemals in einem Archiv war. Außerdem müssen die Arbeiten im Internet veröffentlicht werden. Wenn das alles durchgesetzt würde, dann hätte Herr Guttenberg für seine Verdienste um die Wissenschaft glatt einen Ehrendoktor verdient.
„Der Erfolg hat viele Neider“
In dem von Ihnen gegründeten Wiki VroniPlag sind Sie gesperrt worden. In Internetforen werden Sie immer wieder angefeindet. Warum?
Solche Anfeindungen kommen fast ausschließlich aus dem Wiki, innerhalb und nach außen getragen. Aber das ist bei erfolgreichen Geschichten immer so. Der Erfolg hat viele Väter – und Neider. Und wenn allerdings eine erfolgreiche Sache eindeutig von einer Person gegründet wurde, muss diese natürlich diskreditiert werden – wo es nur geht. Um es mit Horst Seehofer zu sagen, manche müssen andere erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen.
Hängen die Vorwürfe auch mit Ihrem Outing zusammen?
Mein Outing war nicht freiwillig: Wenn ich es nicht selbst gemacht hätte, dann wäre mir die Bild-Zeitung zuvor gekommen. Aber die Ausgrenzungen hatten schon vorher begonnen. Solche Dinge kann man in einem Interview kaum darstellen. Es gibt zudem auch handfeste Gründe mich zu kritisieren: Meine Pressearbeit, den Twitteraccount VroniPlagWiki, den ich aufgebaut habe und nutze, die Markenrechte oder die Domains, wie zum Beispiel www.vroniplag.de, die ich mir gesichert habe und vieles mehr. Es war eine irre und aufregende Zeit bei den Wikis. Dafür bin ich den Leuten dankbar. Wenn ich jetzt ab und zu angefeindet werde, dann muss ich das aushalten. Ich teile ja auch gerne aus.
Wie geht es jetzt ohne Sie mit VroniPlag Wiki weiter?
In den letzten Wochen und Monaten hat das Wiki stark abgebaut. Einige motivierte Leute sind abgesprungen oder ausgegrenzt worden, da bin ich kein Einzelfall. Ob die Leute, die den Karren da reingefahren haben, ihn wieder herausziehen können kann man bezweifeln. Ein spektakulärer Fall könnte helfen. Aber wahrscheinlicher ist, dass sich irgendwann einige der verbliebenen Leute Fälle von VroniPlag schnappen und versuchen ein neues Wiki zu etablieren. Das ist bereits angedacht.
„Es wird noch einige Plagiatsfälle geben“
Sie überprüfen jetzt ohne Wiki und ganz offiziell Doktor-Arbeiten im Auftrag. Ein lukratives Geschäft?
Ums große Geld geht es da nicht. Auf einen zweistelligen Stundenlohn kommt man nicht. Das mache ich neben meiner anderen Arbeit als Programmierer für Online-Umfragen. Da verdiene ich mehr. Im Februar habe ich angefangen, bei GuttenPlag mitzumachen, später VroniPlag gegründet und es macht mir immer noch Spaß, nach Plagiaten zu suchen. So eine Plagiatsuntersuchung schiebt man immer gern zwischen rein. Das ist wie eine Sucht, da kann man nicht aufhören. Dafür war das letzte Jahr zu aufregend. Jetzt sind wir ein kleines Team von vier Leuten, das in loser Zusammenarbeit nach Plagiaten sucht, aber auch Bücher für Autoren nach Zitatfehlern durchsucht und korrigiert und Gutachten für juristische Streitigkeiten schreibt. In der Woche prüfen wir im Schnitt ein bis zwei Dissertationen. Allerdings sind die meisten keine Plagiate. Aber eines kann man jetzt schon sagen: Es wird in der Zukunft noch einige Plagiatsfälle geben, mehr oder minder prominente.