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Archiv für 2. Dezember 2011

Wann hat man das erlebt? Eine Demonstration durch Regensburg, bei der lautstark „Nazis raus“-Rufe intoniert werden, eine Demonstration, die auch von Organisationen wie DKP, Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, Linken oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) unterstützt wird, eine Demonstration, bei der staatskritische Parolen gerufen werden – und bei der die Polizeipräsenz kaum wahrzunehmen ist? In Bayern, in Regensburg eher selten. Sämtliche erwähnten Organisationen stehen im bayerischen Verfassungsschutzbericht, wo etwa der VVN-Vorsitzende und Holocaustüberlebende Ernst Grube als Linksextremist diffamiert wird. Eigentlich werden solche Demonstrationen zumindest von Bereitschaftspolizisten begleitet und – mal direkt, mal indirekt – wird ein vermeintliches Gewaltpotential unterstellt.

Vom Kampf gegen Extremisten zum Kampf gegen Rechts…

Der Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger verweigerte noch 2009 zunächst die Teilnahme an einer Großdemonstration gegen Neonazis mit der Begründung, dass auch einige der oben genannten Organisationen daran teilnähmen und er „Extremisten gleich welcher Richtung“ keine Plattform zur Soldarisierung bieten wolle (übrigens im Gegensatz zur CSU-Stadtratsfraktion). Am Freitag ist das alles etwas anders. Zum „Lichtermarsch“ für ein NPD-Verbot vom Bahnhof zum Alten Rathaus kommen knapp 300 Teilnehmer. Der Internationale Kultur- und Solidaritätsverein (IKS) hatte dazu aufgerufen. Begleitet wird die Demonstration – keine stille Lichterkette, kein „Aufstand der Anständigen“ und kein stilles Betroffenheitsritual, sondern eine lautstarke Kritik am bisherigen Umgang der Politik mit Rechtsextremismus – nur von ein paar Streifenpolizisten (Mehr sind auch nicht notwendig.).

„Es geht nur um den guten Ruf unseres Landes.“

Seit dem Bekanntwerden von mindestens zehn rassistisch motivierten Morden unter den Augen des Verfassungsschutzes, dem „Nationalsozialistischem Untergrund“ (NSU), den seltsamen Ermittlungspannen bzw. Ermittlungen in die falsche Richtung unter der Überschrift „Döner-Morde“ in den zurückliegenden zwölf Jahren und den Verflechtungen zwischen Teilen des Staatsapparats und den rechtsradikalen Mördern scheint man auch im Freistaat irgendwie froh über solche Demonstrationen zu sein, man schmückt sich wohl auch ein Stück weit damit. Antifaschismus scheint zur Staatsdoktrin geworden zu sein. Wenigstens vorläufig. Mittlerweile scheinen sich die Innenminister über den Anlauf für ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren einig zu sein. Reicht das? Den Teilnehmern der Demonstration am Freitag offensichtlich nicht. Es gehe aber bei allem politischen Aktionismus und Betroffenheitsbekundungen von Seiten der Politik nach wie vor „nicht um die Menschen“, sagt Dogan Centinkaya vom IKS bei seiner Rede unterm Christbaum vor dem Alten Rathaus. „Es geht nur um das Ansehen und den guten Ruf unseres Landes.“ Es gibt viel Applaus.

Die Morde: „Folge von rassistischer Politik“

Centinkaya bezeichnet die Morde als „Folgen der deutschen Migrationspolitik, die ausgrenzend und rassistisch ist“. So lange es Gesetze gebe, die speziell für Ausländer gelten, würden „Migrantinnen und Migranten zur Zielscheibe erklärt“. Ebenso wie alle anderen Redner forderte Centikaya nicht nur ein Verbot der NPD, sondern eine lückenlose und schnelle Aufklärung. „Wir wollen wissen, inwieweit die Sicherheitsbehörden an den Morden beteiligt waren. Wir fordern Klarheit über die tatsächliche Zahl von Opfern rechter Gewalt.“ (Die Amadeu-Antonio-Stiftung dokumentiert seit der Wiedervereinigung 182 Todesopfer. Die Bundesregierung spricht von 47.) Vertrauen in den Staatsapparat hat Centikaya nur wenig: „Eine demokratische Öffentlichkeit ist die einzige Kraft, die für einen Rückgang des faschistischen Terrors sorgen kann.“

Innenminister: Kampf gegen Links, Kranzniederlegung mit Rechts

Stefan Dietl (verdi) nahm in seiner Rede den bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) ins Visier und forderte dessen Rücktritt. „Ein bayerischer Innenminister der behauptet ,es gäbe keine Verbindung zwischen den Mitgliedern der NSU und bayerischen Neonazis“ belüge die Bevölkerung, so Dietl. Herrmann habe die Morde jahrelang verharmlost und trage die Verantwortung dafür, dass den Angehörigen der Mordopfer in Nürnberg und München jahrelang Verbindungen ins kriminelle Milieu unterstellt wurden. Einerseits diffamiere der Innenminister Antifaschisten als linksextrem, andererseits habe er – dieses Jahr am Volkstrauertag – kein Problem, mit einer Organisation ehemaliger Waffen-SSler („Ordensgemeinschaft Deutscher Ritterkreuzträger“) und der rassistischen Münchner Burschenschaft Danubia an einer Kranzniederlegung teilzunehmen. „Dieses Verhalten ist skandalös und ekelerregend.“ Linken-Stadtrat Richard Spieß, der als Redner des Bündnisses „Keine Bedienung für Nazis“ sprach, forderte mit Blick auf Regensburg eine eigene städtische Fachstelle gegen Rechtsextremismus. „Initiativen gegen Rechts müssen unterstützt und nicht wie in der Vergangenheit behindert werden.“
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