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Archiv für 7. Oktober 2011

Zu zehnt in einem Schlafsaal. Nachtruhe, das Licht muss gelöscht werden. Aber geschlafen wird noch lange nicht, leise wird geflüstert. Und dann um halb sieben aufstehen, Frühstück um sieben, Betten machen. Wie im Schullandheim? Ja, nur dass die Jungs und Mädels dann auf die Wanderung zur Uni gehen, denn sie sind keine Schüler mehr, sondern Studenten in Regensburg. Sonderkonditionen für Studenten im Gruppenschlafsaal der Hostel, sogar ein Matratzenlager bis Ende Oktober in den Gemeinschaftsräumen der Studentenwohnheime in Königswiesen, man könnte meinen, eine Flüchtlingswelle hat Regensburg überrascht. Tatsächlich aber ist es wohl eher ein Strom von “Bildungsflüchtlingen”, die ihr Studium an Universität und Hochschule beginnen wollen, angesichts der katastrophalen Wohnungssituation aber auf der Strecke geblieben sind und sich wohl nun mit solchen und ähnlichen Notunterkünften behelfen müssen. Keine auch nur annähernd zufriedenstellende Situation. Und vor allem keine dauerhafte.

Nachfrage um ein Drittel gestiegen

Dass die Wohnungssituation in Regensburg sehr kritisch ist, ist keine Neuigkeit. Und dass sich die Situation eher verschlechtert als verbessert hat in letzter Zeit, ist angesichts des doppelten Abiturjahrgangs aus den letzten G9-Gymnasiasten, die zusammen mit den ersten G8-Abiturienten jetzt an die bayrischen Universitäten drängen, auch nicht verwunderlich. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Nachfrage nach geeigneten Wohnungen in Regensburg um etwa ein Drittel erhöht laut Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz. Wohnungen in der richtigen Größe und Preisklasse sind also verzweifelt gesuchte Mangelware, auch in Regensburg. Ein Blick auf die Homepage der Universität zeigt aber eben auch schon, wie drastisch auch hier in Regensburg die Lage zu sein scheint Die genannten Lösungen sollen lediglich kurz- bis mittelfristig die gestiegene Nachfrage abfedern. Handlungsbedarf scheint also reichlich vorhanden, auch in Regensburg.

Alles, was das Studentenherz begehrt?

Wo Nachfrage vorhanden ist, da findet sich in der Regel dann auch jemand, der diese Nachfrage bedienen will. Zum Beispiel die Lambert Wohnbau GmbH. Geplant ist ein Gebäudekomplex in Nachbarschaft zu den Bürogebäuden der Mittelbayrischen Zeitung, direkt an der Fritz-Fend-Straße. Am Donnerstag war der Geschäftsführer samt Architekten mit diesem Bauvorhaben vor dem Gestaltungsbeirat der Stadt, um sein Projekt vorzustellen. Der Komplex soll auf den Namen UNIcentro hören und den Interessierten alles bieten, was das Studentenherz begehrt. Schon längst haben die Bauarbeiten begonnen, nun wollte man gestern den Segen des Rates zum Projekt. Wieso auch nicht, kann denn eine Universitätsstadt wie Regensburg auf derlei Projekte verzichten? Die Qualität des Wohnens der Studenten wolle man steigern, deswegen ein Projekt in bester, in zentraler Lage. Damit wirbt Lambert auf seiner Homepage. Einzelapartments von ungefähr 22 bis 30 Quadratmetern, preislich etwas höher angesetzt als die Zimmer in den anderen Studentenwohnheimen, die allerdings nicht ganz so zentral liegen. “Besser kann man als Student nicht wohnen”, heißt es auf der Homepage.

Nun, das scheint wohl Ansichtssache zu sein. Denn genau die Wohnqualität wurde in der Sitzung angezweifelt. Man wolle in Regensburg keine “Studentenghettos” schaffen und gerade am Einfallstor zur Innenstadt äußerte man “Skepsis gegenüber der Massierung von Studentenwohnheimen an dieser Stelle”, schnell wird hinzugefügt, “in dieser Form”. Das Argument des Rates: Die klassischen Einzelapartments wie in Studentenwohnheimen, auch im UNIcentro geplant, lassen sich kaum anders nutzen als als Wohnungen für Studierende. Da man im Rat aber der Nachhaltigkeit verpflichtet sei, müsse man angesichts von Prognosen, die in der Zukunft von stagnierenden Studentenzahlen sprechen, solch einem Projekt an solch prominenter Stelle widersprechen. Zudem biete die gleichförmige Anlage des Komplexes wenig Ästhetisches. Gerade an dieser Stelle wolle man aber einen “starken Brückenkopf”. Mag dieses Argument vielleicht im ersten Moment vorgeschoben wirken, so lässt es sich angesichts der Pläne auch nachvollziehen.

…ein Hauch von DDR

Architektonisch bereichern derartige Bauten Städte eher weniger, wie auch andere Beispiele in Regensburg zeigen. Dementsprechend wird auch von einem Gremiums- Mitglied bemängelt, dass die Architektur des Komplexes doch sehr schlicht sei, der Anschluss an den nachbarlichen MZ-Komplex erinnere an einfallslose “DDR Plattenecke”. Zurecht, wenn man die Pläne betrachtet. Setzkasten-Ästhetik und ein Hauch von DDR. Über Ästhetik lässt sich genauso trefflich streiten wie über Geschmack grundsätzlich. Daneben werden aber auch grundsätzliche Bedenken von den universitären Sachverständigen geäußert. Ob das denn im Sinne der Berufsvorbereitung sei, wenn man Studenten in einzelne Zellen verfrachtet. Schließlich würden sie sich so dann keine sozialen Kompetenzen aneignen wie in Wohngemeinschaften. Sie würden dann ja nur in ihren Apartments sitzen. Und später würde das dann von Unternehmen den Universitäten angekreidet, dass man zu wenig auf die ach so wichtigen “Softskills” der Studierenden geachtet habe. Soziale Vereinsamung als Student Anfang zwanzig? Wohl eher ein neuer Eintrag unter “Neues aus dem Elfenbeinturm”. Zumal ja auch anderenorts schon solche “Studentenghettos” in Regensburg entstanden sind, nur eben noch nicht an so zentraler Stelle. Allein drei davon befinden sich dicht an dicht in Königswiesen, dem architektonisch wohl unattraktivsten Teil Regensburg, in Nachbarschaft zu regelrechten “Wohnbarracken”, hochhausartigen Mehrfamilienhäusern. Von akuten Fällen sozialer Vereinsamung ist dort bisher noch nichts bekannt. Darüber hinaus spricht man im Gremium auch davon, dass man die Stadt gut durchmischt sehen will, nicht nur eine Bevölkerungsgruppe zentriert und massiert an einem Ort. Gerade mit dem Hinweis, dass es eben schon massierte Ansammlungen von Studentenapartments gibt, eben im sozialschwächeren Stadtteil Königswiesen, hinterlassen die Äußerungen der Sachverständigen teilweise bei dem geneigten Beobachter der Diskussion einen bitteren Beigeschmack. Offensichtlich steht man einem solchen Projekt an solch zentraler Stelle von Seiten des Gestaltungsbeirates nicht wirklich offen gegenüber. Die Stadt will Studenten, die Stadt und das Land brauchen Studenten, aber bitte dann doch nicht dort wo man sie sieht. Vielleicht dann doch lieber ein anderes Projekt an diese Stelle, ein Hotel, vielleicht der Sitz einer Versicherung, was wäre genehm?
drin