25 Sep2011
„Es war einmal ein Spiegelredakteur, der musste eine Geschichte frei erfinden. Die sollte dann im Spiegel erscheinen, aber nicht Märchen heißen, sondern Nachricht. Er dachte nach, worüber er schreiben solle. Schreibt er über Zwerge? Böse Wölfe? Über garstige Stiefmütter, die eine sprechende Ausgabe des Spiegels besitzen? Oder über Kinder in den Händen von Hexen? Wir müssen nicht weiter spekulieren. Wir recherchieren bei Spiegel-online und wissen Bescheid: Die Hauptfigur des Spiegelmärchens sei der Bischof von Regensburg.“
Im bischöflichen Ordinariat zu Regensburg ist man stinksauer. Aber irgendwie scheint man sich auch diebisch zu freuen. Die peinliche Verwechslung eines Spiegel-Online-Redakteurs ist es, die den bischöflichen Rechtsanwälten einen neuen Auftrag beschert und die Pressesprecher Clemens Neck zu einem Eintrag in seinem von uns schon einmal vorgestellten Zeitungslese-Tagebuch veranlasst hat. Bischof Gerhard Ludwig Müller soll den Papstbesuch in Berlin geschwänzt und stattdessen eine Lesung von Thurn-und-Taxis-Prinzessin Elisabeth im Berliner Szene-Restaurant Grill Royal besucht haben, vermeldete Spiegel-Online am Freitag. Der launige Text mit allerlei adligen Erkenntnissen rund ums Katholischsein hat nur einen Schönheitsfehler: Nicht Bischof Müller war es, der da vor Nacktfotos und ausgestellten Schweinehälften im Grill Royal posierte, sondern Wilhelm Imkamp, ein den Thurn und Taxis freundschaftlich verbundener Prälat. Eine Ähnlichkeit mit Bischof Müller kann man Imkamp nun nicht wirklich unterstellen und tatsächlich ist er kein völlig Unbekannter; schon öfter gab der Prälat das Maskottchen, wenn die Adelsfamilie ihre neusten (literarischen) Ergüsse in Sachen Kinder, Küche, Kirche zum Besten gab. Bild Online hat Imkamp denn auch sofort erkannt und ebenfalls am Freitag unter der Überschrift „Was macht ein Priester im Berliner Nachtleben?“ nebst Foto über die Lesung berichtet. Was aber die Falschmeldung auf Spiegel-Online nun hervorgebracht hat, ist ein wirklich unterhaltsamer Text auf der Bistumshomepage, aus dem sowohl Hohn wie auch Zorn sprechen.
„Spieglein, Spieglein an der Wand…“
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer schreibt die Wahrheit hier im Land?“, fragt da Clemens Neck in seinem „Tagebuch“ und stellt sich die Frage, ob jemand dem Spiegel-Redakteur, der da „eine Geschichte frei erfinden“ musste, „den falschen dope angedreht“ hat. Überhaupt wird der Autor recht hart rangenommen. Neck macht sich Gedanken über dessen „Hinterzimmerphantasien“ und rät, dessen „Märchen“ psychoanalytisch zu deuten… Die heftige Aufregung angesichts des eigentlich harmlosen Fehlers – Bischof Müller ist nicht die Hauptperson, sondern lediglich eine Randnotiz – kommt nicht von ungefähr. Es ist nicht das erste Scharmützel, das die Diözese mit dem Spiegel ausficht. Bischof Müller hat dem Magazin in der Vergangenheit antikatholische Kampagnen vorgeworfen, es wegen angeblich falscher Berichterstattung im Zuge des Missbrauchsskandals verklagt und von „missbrauchter Pressefreiheit“ gesprochen. Da trifft es sich gut, nun den Spiegel der Falschberichterstattung zeihen zu können.Koberind und Grauburgunder
Darüber hinaus hat der Artikel in der Diözese durchaus für Ärger gesorgt – bei Priestern und gläubigen Katholiken, die sich im Ordinariat und bei lokalen Medien beschwerten. Denn die Papstmesse für Koberind, Grauburgunder und Nacktfotos zu schwänzen schickt sich nicht, schon gar nicht für den Regensburger Bischof.