„In der Altstadt sollen (…) alle sozialen Gruppen leben können. Die Vorzüge innerstädtischen Wohnens dürfen nicht vornehmlich privilegierten Interessenten zugute kommen.“ Dieser Grundsatz aus dem Regensburger Sozialplan ist fast 25 Jahre alt, doch er besitzt bis heute Gültigkeit – eigentlich. Dass er kaum das Papier wert ist, auf dem er geschrieben steht, prangert der Mieterbund Regensburg an.
Mittlerweile funktioniere der Immobilienmarkt in der Altstadt nach dem „Prinzip Profitmaximierung“, sagt der langjährige Vorsitzende Kurt Schindler. Verdrängungswettbewerb unter Mietern sei mittlerweile Alltag. Die Zahl öffentlich geförderter und damit bezahlbarer Wohnungen in der Altstadt nimmt durch den Wegfall der Mietpreisbindung kontinuierlich ab – waren es 1995 noch 734, so ist ihre Zahl dem Mieterbund zufolge auf zwischenzeitlich etwa 500 gesunken. „In nur zehn Jahren ist die durchschnittliche Nettomiete um fast 35 Prozent gestiegen“, sagt Schindler. Die Folge: Menschen mit durchschnittlichem Verdienst, Einkommensschwache und Familien werden zunehmend durch zahlungskräftigere Klientel „ausgetauscht“.
Dieses Phänomen unter dem Stichwort „Gentrifizierung“ ist weder gottgegeben, noch unvermeidlich, sondern zu einem Gutteil hausgemacht. Vor allem die städtische Tochter Stadtbau GmbH hat der Mieterbund dabei im Visier.
Nur auf maximalen Profit aus?
In einer umfangreichen Dokumentation unter dem Titel „Tatort Altstadt“ (hier abrufbar) belegen Schindler und seine Mitstreiter: Beginnend 1995 hat die Stadtbau im Altstadtgebiet ihre Sanierungstätigkeit zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum nicht nur so gut wie eingestellt, sondern verkauft stattdessen immer mehr Grundstücke und Gebäude in der Altstadt an Privatinvestoren verkauft – meistbietend.
„Das ist einem privaten Unternehmen unbenommen“, kritisiert Schindler. „Aber wozu braucht die Stadt eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die auf maximalen Profit aus ist?“
Die Stadtbau GmbH hat in den letzten beiden Jahren mehrere Immobilien und Grundstücke in attraktiver Lage verkauft bzw. zum Verkauf angeboten. Als kommunales Unternehmen dürfe man dabei keine Gelegenheit auslassen, um den größtmöglichen Gewinn zu erzielen, so Stadtbaugeschäftsführer Joachim Becker.
Erlöse für den Wohnungsbau
Dieser Maxime folgend ging der Trunzerblock am Donaumarkt 2010 an die Immobiliengruppe Trepnau – für bis zu 4.000 Euro pro Quadratmeter werden die dort entstehenden Eigentumswohnungen nun angeboten. Ein Gebäudekomplex in der Wittelsbacherstraße ging ebenfalls 2010 in Privatbesitz über. Das gleiche gilt für ein Haus in der Zandtgasse 1. Derzeit stehen zudem Ostermeier- und Brüchner-Areal am Donaumarkt zum Verkauf und werden ebenfalls privatisiert.
Rund um den Donaumarkt – im Sanierungsgebiet Ostengasse – finden Schindler zufolge bereits „Mietervertreibungen“ durch die Stadtbau statt.
Begründet werden die Verkäufe von der Stadtbau just damit, dass die erzielten Erlöse benötigt werden, um neuen bezahlbaren Wohnraum überhaupt erst schaffen zu können. Dieser entsteht allerdings fernab der Altstadt. Den Grundsätzen des Regensburger Sozialplans wird man damit nicht gerecht.
Der Mieterbund sieht nun den Stadtrat in der Pflicht. Dort, aber auch in der breiten Öffentlichkeit, müsse das Thema Gentrifizierung ausgiebig diskutiert werden.