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Archiv für 30. August 2011

Er sorgt immer wieder für Missverständnisse: Adolf Hitler. Nun soll sich der Stadtrat mit dem Regensburger Ehrenbürger befassen. CSU-Fraktionschef Christian Schlegl hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt und damit auf eine Pressemitteilung reagiert, die Oberbürgermeister Hans Schaidinger am Montag verschicken ließ. Wie berichtet, hatte Schaidinger erklärt, dass es wegen Wikipedia-Einträgen zum Ehrenbürger Hitler „immer wieder zu Missverständnissen“ komme. Tatsächlich war die Immer-Noch-Ehrenbürgerschaft Hitlers in Regensburg in den letzten Jahren immer wieder mal kritisiert worden. Vielleicht am öffentlichkeitswirksamsten im Theaterstück „Keine Chance Regensburg“, das Christoph Schlingensief anlässlich der Kulturhauptstadtbewerbung auf die Berliner Volksbühne brachte. Reagiert hat die Stadtspitze auf derlei Kritik in der Vergangenheit entweder gar nicht oder mit dem Argument: „Die Ehrenbürgerschaft erlischt mit dem Tod.“

Formalistische Pseudoargumente

Am Montag aber preschte der Oberbürgermeister mit einer Argumentation vor, die neu ist: „Wir haben bereits vor Jahrzehnten ein eindeutiges Bekenntnis abgelegt, dass sowohl Adolf Hitler als auch der ehemalige Gauleiter Adolf Wagner als Ehrenbürger in unserer Stadt unerwünscht sind und haben beide aus dieser Liste gestrichen“, so Schaidinger. In der Aufstellung der Regensburger Ehrenbürger würden beide „zumindest seit 1966 – soweit konnte die öffentliche Auflistung kurzfristig zurückverfolgt werden – nicht mehr geführt“. Aberkennen könne man Hitler die Ehrenbürgerwürde nicht, so der OB, weil das „formal“ und „nach herrschender Meinung“ nicht gehe. Zusammengefasst: Man hat also alles richtig gemacht. Und zwar schon immer. Was eher der Kategorie Verschweigen, Vergessen, Verdrängen zuzuordnen ist, wird in Schaidingers Lesart zu einem „klaren Bekenntnis“, zur Distanzierung. Was bei vielen Städten und Kommunen gängige Praxis ist – man distanziert sich tatsächlich und erkennt Hitler die Ehrenbürgerwürde posthum ab – scheitert in Regensburg aus formaljuristischen Gründen.

Schlegls Ei des Columbus

CSU-Fraktionschef Christian Schlegl glaubt nun das Ei des Columbus gefunden zu haben. Sein Antrag im Wortlaut: „Die bisherige seit Jahrzehnten geübte Verwaltungspraxis der Stadt Regensburg, die offenbar auf einer früheren, internen Verwaltungsentscheidung beruht, Adolf Hitler aus der Liste der Ehrenbürger zu entfernen und nirgends zu führen, wird durch den Stadtrat der Stadt Regensburg ausdrücklich begrüßt und bestätigt. Analoges gilt für den NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner.“ Damit schlägt Schlegl zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Stadtrat legt ein öffentliches Bekenntnis gegen Hitlers Ehrenbürgerschaft ab und vermeidet es gleichzeitig, Schaidinger zu brüskieren, indem er dessen Pseudoargumentation übernimmt.

Traditionelle Geschichtsvergessenheit

Man fragt sich, wo eigentlich das Problem liegt. Sicher: Wenn man Adolf Hitler heute die Ehrenbürgerwürde symbolisch aberkennt, macht man sie deshalb nicht ungeschehen. Schon gar nicht formaljuristisch. Aber diese Ehrenbürgerwürde einfach zu streichen und totzuschweigen und das im Nachhinein als „klares Bekenntnis“ verkaufen zu wollen, tut dies erst recht nicht. So etwas steht eher in der Tradition praktizierter Geschichtsvergessenheit, wie sie etwa beim KZ-Außenlager Colosseum, bei der Neupfarrplatzgruppe oder den tausenden Zwangsarbeitern in den Regensburger Messerschmidt-Werken bis heute praktiziert wird. Und so etwas kann für weit mehr Missverständnisse sorgen als irgendwelche Wikipedia-Einträge.

Ein Gefälligkeitsgutachten und Kritik-Resistenz

Die Kritiker der Westtrasse haben recht behalten, wenigstens zum Teil. Am Montag hat die Stadt Regensburg das ICOMOS-Gutachten zur Westtrasse veröffentlicht. Es entspricht nahezu im kompletten Wortlaut dem Dokument, das Anfang Juli beim „Bürgerbündnis“ kursierte, dessen genaue Herkunft aber seinerzeit nicht geklärt werden konnte. Einzig mit der Einschätzung, dass es sich dabei um ein endgültiges Urteil der UNESCO handelt könnte, lagen die Brückengegner falsch.

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