Wohlwollende Beobachterin: Das Mondkalb mit Blick auf den Ausstellungsraum.
Aus Küchengeschirr, Holz oder Technikschrott sind sie gemacht – die schrägen Typen, die sich am Freitag in der Strychnin Gallery in Berlin zur „Gentle Giants“ versammelt haben, einer Ausstellung in Sachen „Roboter-Kunst“, wie es in der Ankündigung heißt.
Da ist viel Verspieltes dabei, da blinken Lichter und wenn man etwa die Knöpfe an den Robotern des US-Amerikaners Nemo Gould drückt, kommt plötzlich Bewegung ins Spiel, mal wackelt ein freundlicher Holzriese mit dem Kopf, mal schlägt eine zum Leben erweckte Standuhr ihre aus Schuhspanner-Ohren zusammen, verdreht die schielenden Augen und grinst durch schiefe Zähne, mal setzt ein kleiner Blechroboter zum Ritt durchs Plastikwäldchen an, währenddessen sein Reittier gierig das Laub von den Bäumchen zupft.
Daneben stehen kleine irgendwie süße Zwerge aus der Werkstatt von Himatic (alias Andrea Petrachi aus Italien), die aussehen, als hätten sie sich auf einer Müllhalde selbst zusammengebaut. Auf den aus Technikschrott, Plastikverstrebungen und kleine Schräubchen zusammengeschusterten Körpern sitzen freundlich lächelnde oder ängstlich dreinschauende Puppenköpfchen.
Blickfang im Eingangsbereich: der Styrobot.
Detailreich und liebevoll gestaltete Technik-Wesen, die selten bedrohlich, sondern – wie schon das Ausstellungsmotto vorgibt – sanft wirken. Das gilt auch für den Styrobot – ein raumhoher Styropor-Riese des US-Amerkaners Michael Salter, der im Eingangsbereich die Besucher der Galerie begrüßt und bei dem man sich fragt, ob er diese Galerie unbeschadet verlassen kann, sollte sich ein Käufer finden.
Mit dabei in Berlin ist auch der Regensburger Stefan Fromberger, der – in einem eigenen Raum – als Newcomer präsentiert wird. Die Ausstellung in der namhaften Galerie mit Dependancen in London und New York ist Bestandteil des „Blooom Awards“, den er im vergangenen Jahr in Köln gewonnen hat.
Frombergers Skulpturen wollen nicht wirklich zum Rest der Ausstellung passen. Das Affenwesen Mellog, die „Helden der Mumifikation“ oder „Gylbertus der Zygote“ sind keine Roboter, eher Produkte einer bizarren Evolution, bei der Menschliches und Animalisches, Lebendiges und unbelebte Technik zu bizarren Mischwesen verschmilzt. Ein Gigant ist allenfalls Frombergers zwei Meter hohes aus goldenem Kunststoff gefrästes Mondkalb – ein augenscheinlich weibliches Mensch-Tier-Zwitter-Wesen, das irgendwie zu lächeln scheint und – mit kleiner modischer Fliege am nackten Oberkörper – auf den nächsten Einsatz zu wartet, zu dem es mit seinen die Arme ersetzenden Düsen starten kann. Ein Blickfang, vor dem die Leute immer wieder stehen bleiben, sich über die vorhandene oder nicht vorhandene Erotik unterhalten und manchmal fragen, warum an den Brüsten (nicht nur des Mondkalbs) die Nippel fehlen.
Zwischen Zygote und Mondkalb: Stefan Fromberger.
Seit 2006 arbeitet Fromberger an seinen Skulpturen, hat mit Zink, Seife und verschiedenen Kunststoffen experimentiert, auch ein Beton-Maulwurf steht in seinem Atelier. Wie Karikaturen kriegerischer Superhelden wirken einige seiner Figuren, Bewohner einer apokalyptischen Barbie-Welt, einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick entsprungen, Übermenschen ohne Superkräfte, denen allen ein Makel anhaftet, die sich – und das haben fast alle gemeinsam – hinter Masken verstecken. Vermeintliche Sauerstoffschläuche, von denen man nicht weiß, ob sie der Lebenserhaltung dienen oder nur schmerzhafte Implantate in den Körpern sind, die ihre Lebenskraft aus sich selbst ziehen, finden sich an einigen Skulpturen.
Die Ausstellung in der Strychnin Gallery ist für Fromberger nach Auftritten in Köln, Günzburg, Schwabach und München der Höhepunkt in diesem Jahr. Die Vernissage am Freitag lockt Besucher unterschiedlichster Couleur an: Jugendliche Punks, Kunstsammler im Maßanzug, Künstler mit Frack, Zylinder, kurzer Hose und Kniestrümpfen. Schräge Typen eben, die da aufeinandertreffen: Seien es nun die Künstler, die Besucher oder die Gentle Giants.