Er zieht sie an wie die Motten das Licht: Zur Berufungsverhandlung gegen Piusbruder Richard Williamson versammelt sich am Montag ein Grüppchen von Antisemiten, Verschwörungstheoretikern und Holocaust-Leugnern im großen Saal des Regensburger Landgerichts. Im November 2008 hatte der Bischof der ultrakonservativen Piusbruderschaft nach einer Priesterweihe in deren deutscher Dependance Zaitzkofen (Landkreis Regensburg) gegenüber einem schwedischen Kamerateam die Existenz von Gaskammern bestritten und ausgeführt, dass allenfalls „zwei- oder dreihunderttausend Juden in Nazi-Konzentrationslagern umkamen“. Im vergangenen Jahr hatte das Regensburger Amtsgericht Williamson wegen Volksverhetzung zu 10.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Sowohl er wie auch die Staatsanwaltschaft haben dagegen Berufung eingelegt.
„Das Deutsche Reich erhebt sich!“
Wie schon 2010 war auch dieses Mal ein brauner Fanclub angereist, zu dem etwa Sylvia Stolz gehört, Lebensgefährtin des militanten Judenhassers Horst Mahler. Die mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestrafte ehemalige Rechtsanwältin aus Ebersberg unterzeichnete Schriftsätze schon mal mit „Heil Hitler“ oder musste in der Vergangenheit unter Rufen wie „Das Deutsche Reich erhebt sich! Das Deutsche Reich erhebt sich!“ aus dem Gerichtssaal getragen werden.
An Stolzens Seite sitzt Rolf Winkler aus München. Winkler gehört zu den Aktivisten des mittlerweile verbotenen „Vereins zur Rehabilitation der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten”. Immer wieder plauscht er am Montag mit Gerd Walther aus Zossen. Der 65jährige ist mehrfach vorbestraft, Volksverhetzung und Betrug gehören dazu. Seine letzte Verurteilung fuhr Walther vor kurzem in Regensburg ein, weil er sich bei der ersten Verhandlung gegen Williamson vor die Fernsehkameras gedrängt und seinerseits den nationalsozialistischen Massenmord bestritten hatte.
„Ernst-Zündel-Truppe“
Eigens aus Großbritannien angereist ist die 65jährige Michèle Renouf, Jet-Set-Lady mit einem Herz für Holocaust-Leugner, die das Existenzrecht Israels bestreitet, den Judaismus als „Wurzel allen Übels“ bezeichnet und mehrfach angekündigt hat, Bischof Williamson beim Prozess zu unterstützen.
Etwas verloren im Hintergrund sitzt in blauer Latzhose Andreas Kischka, adipöser Verehrer des Holocaust-Leugners Ernst Zündel und äußerst aktiver Reisender in Sachen Volksverhetzungsprozesse. Entsprechend bezeichnet sich der Berliner als Angehöriger der „Ernst-Zündel-Truppe“. Mit dem Rest der braunen Gesellschaft liegt Kischka etwas im Clinch. Es gibt offenbar Meinungsverschiedenheiten darüber, ob nun allein die Juden oder auch die Freimaurer für die große Weltverschwörung verantwortlich sind.
Auf ihr Idol warten sie indes vergebens: Der 71jährige Williamson bleibt auch der Berufungsverhandlung fern.
Nachdem sein erster Verteidiger Matthias Loßmann das Mandat niedergelegt hatte, fand Williamson nach einem kurzfristigen Engagement des NPD-Anwalts Wolfgang Nahrath schließlich das Rechtsanwalts-Duo Edgar und Benjamin Weiler, Vater und Sohn.
Williamson: Ein Opfer der Journalisten?
Williamsons Rechtsanwälte machten im Rahmen ihres einstündigen Plädoyers zwei Verteidigungsfelder auf, um einen Freispruch für ihren Mandanten zu erreichen und die Frage „Darf ein Brite auf deutschem Boden gegenüber dem schwedischen Fernsehen den Holocaust leugnen, ohne sich strafbar zu machen?“ mit „Ja“ zu beantworten.
Williamson sei zum einen „Opfer“ der schwedischen Journalisten geworden. Diese hätten ihn nach einem längeren Gespräch über ausschließlich theologische Dinge mit einer „themenfremden Fangfrage“ aufs Glatteis geführt. Seine „nicht-öffentlich gemachte Aussage“ hätte von dem Fernsehteam nicht verbreitet werden dürfen.
Für die Verbreitung von Williamsons Aussage in Deutschland – wo Holocaust-Leugnung im Gegensatz zu Schweden strafbar ist – sei zudem nicht Williamson selbst, sondern das schwedische Fernsehen verantwortlich, von dem das Interview ohne die Zustimmung des 71jährigen ins Internet gestellt worden sei. Hier sei sogar die Frage zu stellen, ob sich nicht vielmehr die Journalisten – als Verbreiter der Aussagen – strafbar gemacht hätten und nicht Williamson als deren geistiger Urheber.
Ein Journalist, kein Priester
„Er wusste, dass er das Interview einem Journalisten gibt und nicht einem Priester, der dem Beichtgeheimnis unterliegt“, meint dagegen Oberstaatsanwalt Edgar Zach. Williamson habe einem öffentlich-rechtlichem Fernsehsender ein Interview gegeben, damit erreiche er potentiell ein Millionenpublikum. „Mehr Öffentlichkeit geht kaum.“ Zach fordert eine Geldstrafe von 12.000 Euro für den 71jährigen.
Pius-Brüder gehen auf Distanz
Die Pius-Bruderschaft ist indessen bemüht, immer mehr auf Distanz zu ihrem berühmt-berüchtigtem Bischof zu gehen. Der als Zeuge geladene Rechtsanwalt der Pius-Brüder Maximilian Krah bezeichnet Williamson als einen Menschen, dem „die Vorstellung, dass etwas Positives passieren könnte, generell fremd“ sei. Er sei ein „bunter Vogel“ ohne besondere Funktion oder herausgehobene Stellung, der vor allem „aus Gründen der Barmherzigkeit“ nicht aus der Bruderschaft geworfen werde.
Das Urteil wird am kommenden Montag verkündet.