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Archiv für 20. März 2011

Eine Polemik von Hans Mirwald Manchmal möchte man meinen, dass die Freunde der Kernkraft direkt und kostenlos aus den Reaktorblöcken mit Strom versorgt werden. Das könnte eine Versorgung ihrer Latifundien genau so betreffen, wie die ihrer biologischen Schaltzentrale hinterm Neurocranium. Wäre ersteres einfach nur ein Privileg für Nibelungentreue bis in einen drohenden Strahlentod, scheint letzteres schon tragischer. Diese Tragik, das erschließt sich zugegeben lediglich mittelbar aus manchen Äußerungen dieser Spezies, könnte in der Überlagerung aller anderen Impulse durch hochfrequente Reaktorenergie in deren „Informationsautobahnen“ verursacht sein. Dass dabei die eine oder andere Synapse das notwendige Reaktionsvermögen zur ordentlichen Funktion nicht mehr mitbringt, ja gar die ordnungsgemäße Funktion verweigert, wäre dann wohl einer elektrischen Reizüberflutung geschuldet, der die Empfänger dieser Sonderzuwendungen ihrer Freunde aus der Atomlobby ausgesetzt sein könnten. Na gut, könnte man sagen, da stimmt halt einfach die Chemie (nicht).

Brillante Befürworter der Vernunft

Am 13. März schleudert ein Wolfgang Herles, der „Befürworter der Vernunft“ und aspekte-Chef beim ZDF bei der armen Frau Anne Will in geradezu liebevoller Feinrhetorik einem Ex-Bischof Wolfgang Huber inbrünstig seine tiefe Überzeugung ins Gesicht: „In vierzehn Tagen sind in Baden-Württemberg Landtagswahlen und ich hab schon denn Eindruck, dass es vielen in diesem Land grad recht ist, dass diese Katastrophe vierzehn Tage vor der Landtagswahl ist.“ Brillant. Und was tut das Publikum? Anstatt einmal diese Terminnähe zu den Wahlen ernsthaft zu hinterfragen, kann es nicht an sich halten und quittiert Herles’ Weisheiten mit Buhrufen. Diese Banausen. Der Herr Herles stammt aus dem Bayerischen Wald, genauer aus dem niederbayerischen Tittling. Tittlings Nachbargemeinde Thurmansbang weckte bereits Begehrlichkeiten bei den Endlagerbewegten. Der Granit hat es ihnen dort mächtig angetan. Ob Herles in dieser Nachbarschaft Ländereien sein Eigen nennt, ist nicht bekannt. Die Unbillen eines ignoranten Publikums umschiffend meidet hingegen der Profi geschickt dessen Gegenwart. Michael Opoczynski ist Experte für Wirtschaft, Recht, Soziales und Umwelt. Das ist sein Métier, hier kennt er sich aus. Und Kraft gebündelter Kompetenz hat er seinen Auftritt im Studioplausch mit Norbert Lehmann bei einem ‘ZDF spezial’.

Die rechte Haltung in Zeiten der Schmelze

In der Sondersendung am 14. März 2011 zum Thema „Atomkatastrophe in Japan?“ klingt er zuversichtlicher und versöhnlicher als sein Kollege Herles. Er ist, daran sei erinnert, ja eben auch Experte für Wirtschaft: „Ein paar Stromausfälle bringen das Land nicht um […] das könnte zugleich auch ein Konjunkturprogramm sein.“ Gut so, Herr O., das ist die rechte Haltung in Zeiten der Schmelze. Und auch sein Gegenüber, der Herr Lehmann, zieht sein Fazit: „Gute Nachrichten in einer Zeit der schlechten Nachrichten.“ Das sind Nachrichten! In Reaktoren bremst der Moderator zu viele freie Neutronen, das schützt vor Katastrophen. Und in Fernsehstudios? Apropos umschiffen: Den Miesepeter geben, in Zeiten der Katastrophe? Nein, da gelten andere Gesetze. Dies sei allen Beteiligten im privaten und öffentlichen Diskurs ausdrücklich zugestanden: Standpunkte dürfen wanken. Und das soll wohl auch das „Kernkraftmoratorium“ der Regierung andeuten. Aber das Kalkül baut darauf, dass sich dieses Wanken nicht bis zu einem Umfallen aufschaukeln wird. So will Schwarz-Gelb den drohenden Fels „Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg“ erfolgreich umschiffen.

Eine neues ALG muss her…

Das Beben in Japan wurde in Berlin registriert. Die Schäden für die hiesigen Kernkraftwerksbetreiber aber bleiben so lange aus, so lange in Deutschland kein Reaktor vom Netz geht. Bleibt das die letzte Konsequenz aus dieser Erfahrung, dann war für EnBW, Vattenfall und Co das Moratorium genau die richtige Technik, die einem Beben der Stärke 9 trotzen kann. Und das ist auch der Frau Dr. rer. nat. Angela Merkel nicht entgangen. Ihr einziger Ausweg: Ein neues „Atomlaufzeitgesetz“. Ein neues „ALG“! Ups – Frau Dr. – schon vergeben? Aber das kleine Arbeitslosengeld nennt eh jeder nur noch Hartz (IV), außerdem hat’s ja hinten dran die römische II. Äußerlich schwer zu unterscheiden, wird Frau Dr. jetzt sagen, aber wäre das wirklich ein Problem? Die beiden Patienten sind sich doch auch inhaltlich recht ähnlich.

Die kritischen Massen kosten Geld

Sowohl Atomstromproduzenten als auch Hartz IV-Empfänger eint in der deutschen Öffentlichkeit ihre ungünstige Zukunftsprognose. Beide können kaum auf große gesellschaftliche Akzeptanz hoffen. Es wird von den Massen erwartet, dass beide sich neu orientieren, sich gar aus Eigennutz und im Interesse der Gesellschaft aus der sich abzeichnenden Misere selbst erretten. Was beide brauchen, finden sie nur in einer „besseren“, weil „anderen“ Zukunft. Dafür müssen sie sich bewegen. Aber dieser Trick, Frau Merkel, der ist wirklich gut: Beim Atomausstieg wollten Sie die Trägheit der ohnehin gut gepolsterten Konzerne durch finanzielle Anreize überwinden. Beim ALG II-Empfänger soll das genaue Gegenteil die Motivation fördern: Erst die Verknappung der Mittel wird diesen Faulpelzen den notwendigen Anreiz für eine Flexibilität liefern, die sie in eine „bessere“ Zukunft befördert. Aber im Vertrauen: Die kritischen Massen sind es, die Geld kosten, nicht die unkritischen, oder? Und Prioritäten, das sind ihre geschätzten Stärken, Frau Dr.
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