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Archiv für 28. Februar 2011

„Offenkundig ist ein Austausch der handelnden Personen notwendig, die dienstlich oder vertraglich mit der Errichtung und Sanierung der Goethe-Turnhalle betraut waren/ sind. Nicht nur, weil man immer noch am Anfang der Ursachenforschung steht, sondern gerade auch, weil der dringende Verdacht auf Fehlverhalten, Vertuschung und Abwälzung der jeweiligen Verantwortlichkeiten nicht ausgeräumt werden konnte und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen andauern.“
Im Nachgang zur Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses zur Goethe-Turnhalle am vergangenen Dienstag hat ein Diplomingenieur für technische Chemie, Schwerpunkt Umweltschutz, die bislang preisgegebenen Informationen unter die Lupe genommen und für unsere Redaktion einen elfseitigen Sachstandsbericht verfasst (hier als PDF). Ein weiteres Fazit daraus:
„Die öffentlich kommunizierten Informationen zum Bauprojekt sind widersprüchlich, oft oberflächlich und/oder falsch und spätestens seit Anfang Februar davon geprägt, dass sich daran beteiligte Parteien und Personen auf bereits angekündigte juristische Auseinandersetzungen vorbereiten. Einige der bislang bekannten Informationen zu dem Bauprojekt deuteten auf erhebliche Fehler in der Planung hin.“
Während die Sitzung vom vergangenen Dienstag in erster Linie davon geprägt war, von Verantwortlichkeiten abzulenken und Fehlverhalten zu verschleiern, versucht der vorliegende Bericht auf Basis der bislang öffentlichen Informationen, Verantwortliche zu benennen und einige offene Fragen zu klären. Deutlich wird dabei vor allem eines: Die „Expertenrunde“ bei der Sitzung am vergangene Dienstag hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Statt Aufklärung standen Widersprüche, Falschaussagen und Verharmlosungen. Unverständlich ist bislang insbesondere, weshalb die Protokolle aller bislang durchgeführten Schadstoff-Messungen nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion hat die Stadt Regensburg vergangene Woche abgelehnt. „Messprotokolle legen wir nicht öffentlich aus. Eine Weitergabe an die Medien käme ja dem gleich“, heißt es dazu ohne weitere Begründung.
Kaum Aufklärung, stattdessen zusätzliches Misstrauen brachte die Expertenrunde in der Turnhallen-Affäre. Foto: as
Tatsächlich werden die Protokolle nur einem ausgewählten Personenkreis vorgelegt und „durch den Sicherheitsingenieur und den Leiter des Hochbauamtes erläutert“. Durch Personen also, die unmittelbar in die Turnhallen-Affäre verstrickt sind und deren Erläuterung vor dem Hintergrund der bisherigen Informationspolitik und widersprüchlichen Aussagen – insbesondere bei der Sitzung am vergangenen Dienstag – nicht als glaubwürdig beurteilt werden können. Wir haben unsere Anfrage mit Blick auf die kürzlich verabschiedete Informationsfreiheitssatzung am Freitag erneut gestellt und warten nun auf Antwort. Auch weitere Unterlagen will die Stadt nicht öffentlich zugänglich machen, weil man diese „für eine Berichterstattung zum Thema ‘Schadstoffbelastung der Turnhalle im Goethe-Gymnasium’ nicht für relevant“ hält. Echte Aufklärung sieht anders aus. Wir veröffentlichen hier den kompletten Sachstandsbericht hier zum Download als PDF.

Hier  der Sachstandsbericht im kompletten Wortlaut:

Anmerkungen zur schadstoffbelasteten Turnhalle des Goethe-Gymnasiums zum 24.2.11

Die im April 2009 fertiggestellte Turnhalle des Goethe-Gymnasiums (GT) wurde am 2. Februar 2011 zum zweiten Mal wegen gesundheitsschädigender Formaldehyd-Belastung bis auf Weiteres gesperrt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf Körperverletzung. Auch wenn viele Informationen nicht zugänglich sind ist, folgt hier der Versuch einer unabhängigen Sachstands-Analyse, der auch zu einer Klärung der Verantwortlichkeiten beitragen soll, die viele der leidtragenden Schüler, Eltern und Lehrer des Goethe-Gymnasiums fordern.

1. Das Bauprojekt Turnhalle

Die Gruppe derer, die am Bauprojekt beteiligt sind, ist zerbrochen und im Hinblick auf eine gemeinsame Ursachenanalyse bzw. Schadensbehebung kaum mehr handlungsfähig. Sie besteht aus Bürgermeister Gerhard Weber (für die Stadt Regensburg als Bauherrin), Michael Hermann (Bau-Koordination, Leiter des Amts für Hochbau und Gebäudeservice), Thomas Eckert (Bauleitung, Architekturbüro Dömges AG), Ulrich Dickert (Ingenieurbüro für Lüftung und Heizung und ebenso öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Heizungstechnik), diversen Mess-Instituten (Labor Dr. Mehrer für 2009; Thomas Wirkner, Analytik Aurachtal für 2010; IFB Eigenschenk ab Februar 2011) und weiteren bislang unbenannten Baufirmen. Die öffentlich kommunizierten Informationen zum Bauprojekt sind widersprüchlich, oft oberflächlich und/oder falsch und spätestens seit Anfang Februar davon geprägt, dass sich daran beteiligte Parteien und Personen auf bereits angekündigte juristische Auseinandersetzungen vorbereiten. Einige der bislang bekannten Informationen zu dem Bauprojekt deuteten auf erhebliche Fehler in der Planung hin. In baulich-technischen Belangen (wie etwa Planungsfehler, belastete Baumaterialien, etc.) werden letztendlich aufwendige Baurechts-Prozesse mit diversen Gutachten das letzte Wort haben.
Das Prinzip der Fensterlüftung, das in der Goethe-Turnhalle mit dem automatischen und/oder manuellen Öffnen von Fensterklappen im Dachbereich und in den Fluchttüren mittels Elektromotoren realisiert wurde, gilt in energetischer Hinsicht „als Energie verschwendend und unrentabel“. (Quelle: Energiekonzepte für Sporthallen. Ulrich Kappei, Henning Pflästerer, 2007)
Unverständlicher Weise wurden weder der Ausschuss noch die Zuhörer in der Sitzung vom 22.Februar 20011 über wesentliche so Grundlagen, wie die Normwerte der einschlägigen DIN 18032 informiert, teilweise wurden weiter falsche und widersprüchliche Angaben bemüht. Die DIN 18032 (Richtlinien zum Bau von Turnhallen zur Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallation) schreibt für das Fensterlüftungs-Prinzip der Goethe-Turnhalle einen 2,5-fachen Luftwechsel pro Stunde und als Auslegungswert zur Berechnung der Heizleistung einen Normwert von 20°C vor. Aus gestalterischen Gründen wurde die Turnhalle als untergeschössiges Bauwerk geplant und ausgeführt. Unter anderem aus der Bauweise unter der Erdgleiche dürften auch die Probleme resultieren, den geforderten Luftwechsel bei jeder Witterung sicherzustellen. Anders als in den von Bauleiter Eckert angeführten Hallen, die er als positive Beispiele für das gewählte Lüftungsprinzip nannte, muss die Frischluft für die ausreichende Belüftung der Goethe-Turnhalle erst den Weg über die Fluchttreppen ins Untergeschoss nehmen, bevor sie durch die Tür-Klappen einströmen kann. Bei bestimmten Windrichtungen bzw. Windstärken und Temperaturen ist jedoch das Entstehen eines Unterdrucks bzw. die Reduzierung der notwendigen Thermik, und somit ein zu geringer Luftwechsel, derzeit nicht auszuschließen. Die laut Amtsleiter Hermann zur Verbesserung des Luftwechsels in den senkrechten Glasflächen eingebauten Klappen, aus denen er für die gesamte Lüftung irreführender Weise die Bezeichnung „witterungsunabhängig“ ableitet, ändern an der untergeschössigen Bauweise und den damit wahrscheinlich verbundenen Phänomenen nichts. Die Installation einer mechanischen Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wäre die wesentlich bessere, wenn nicht erforderlich Variante, gewesen. Hier hat die gemeinsame Entscheidung von Planer und Bauherrn den zu erwartenden witterungsbedingten Störungen, die bei der untergeschössigen Ausführung verstärkt auftreten können, nicht Rechnung getragen.

Nach der Ausschusssitzung vom 22. Februar bleibt festzuhalten

Mit der Ursachenforschung für die Formaldehyd-Quelle steht man nach wie vor am Anfang, der Vertrauensverlust ist nicht gestoppt. Im Gegenteil die „Expertenrunde“ des Podiums war trotz gemeinsamer Anstrengung, vielleicht wegen der jeweiligen Verstrickungen , der nicht in der Lage, wesentliche Sachverhalte detailliert und widerspruchsfrei darzustellen, z.T. wurden offensichtlich falsche Angaben in teils unvereinbar definierten Arbeitsbegriffen kommuniziert. Die wenigen Versuche, Verantwortlichkeiten zu benennen, waren regelmäßig begleitet vom Leugnen der eigenen Verantwortung. Trotz außergewöhnlich guter Vorbereitung und hohen Engagements waren den Aufklärungs- und Kontrollmöglichkeiten der Ausschuss-Mitglieder wegen ungenügendem Sachverstand und schlechter Faktenlage enge Grenzen gesetzt. Offenkundig ist ein Austausch der handelnden Personen notwendig, die dienstlich oder vertraglich mit der Errichtung und Sanierung der Goethe-Turnhalle betraut waren/sind. Nicht nur, weil man immer noch am Anfang der Ursachenforschung steht, sondern gerade auch, weil der dringende Verdacht auf Fehlverhalten, Vertuschung und Abwälzung der jeweiligen Verantwortlichkeiten nicht ausgeräumt werden konnte und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen andauern. Bildlich besprochen, verhält sich die Gruppe, der in der Causa Turnhalle handelnden Personen, wie eine zerstrittene Großfamilie, bei der strafrechtlich relevante Vorgänge im Raum stehen und eventuell ein Erbe zu verteilen wäre. Auch da käme kein Außenstehender auf die Idee, zu glauben dass es damit getan ist, wenn der „Familien-Therapeut“ am Ende der ersten Sitzung meint, „dass sich viele bemüht haben“, die Vorgänge aufzuklären.

2. Die Schulfamilie

Ein in gesunder Atmosphäre stattfindender Schulbetrieb ist durch die (mittlerweile unbestrittenen) Reiz- und Vergiftungserscheinungen von Turnhallennutzern durch Formaldehyd nicht möglich. Die Turnhalle ist bis auf Weiteres gesperrt, das Doppelabitur der G8- und G9-Jahrgänge kann nicht in der Turnhalle stattfinden. Die „Schulfamilie“, die aus Schülern, SMV, Schulleitung, Kollegium und Elternvertretung besteht, sprach nicht immer mit „gemeinsamer Stimme“. Nach der Wiedereröffnung vergingen mehrere Monate, bis Teile, der wg. Reiz- und Vergiftungserscheinungen protestierenden Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft, mit ihren Beschwerden Gehör fanden. Soweit ersichtlich trägt die Schulfamilie, bzw. das Schulforum seit Anfang 2011 gebündelt Wünsche und Kritik zur Verbesserung der derzeitigen Situation vor. In einem Schreiben des Schulforums vom 17. Februar an den OB Schaidinger werden u.a. folgende Beschwerden genannt: Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Halsschmerzen, Grippesymptome. Nach der Darstellung von Egon Reichsthaler, dem Amtsleiters für Zentraler Verwaltungsservice, das dem Wirtschafts –und Finanzreferat untergeordnet ist(!), wurde die Sperrung der Goethe-Turnhalle durch OB Schaidinger am 2. Februar veranlasst, weil die Stadtverwaltung anlässlich eines Elternsprecherabends vom 27. Januar konfrontiert worden sei „mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die bisher nicht Gesprächsgegenstand waren“, wie „Hautausschläge auf unbedeckten Körperstellen“. Um ausschließen zu können, dass es sich hierbei nur um „Schutzbehauptungen“ eines ggf. Verantwortlichen handelt, müsste z. B. überprüft werden, wann zum ersten Mal „Hautausschläge auf unbedeckten Körperstellen“ kommuniziert wurden. Neben dem Umstand, dass dieses Eingeständnis für die staatsanwaltlichen Ermittlungen auf Körperverletzung von Belang sein dürfte, ist zu konstatieren, dass der auch für „Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz“ zuständige Amtsleiter Reichstaler die Messbedingungen beschönigte, indem er davon sprach, dass eine Messung bei 14,3 Grad einem „Worst-Case“-Szenario entsprechen würde. Daneben widersprechen sich Reichsthaler und Hochbauamtsleiter Hermann. Während Hermann die Methode des Hochrechnens verwirft, wendet Reichsthaler sie an. (Ein Worst-Case-Szenario der innerstädtischen Kommunikation?) Als amtliches Umfeld der Schulfamilie sind das städtische Schulamt (Gerhard Schwabl) und das Regensburger Gesundheitsamt (Heinrich Körber) zu nennen.

3. Formaldehyd und andere Schadstoffe

Im Zentrum der Debatte stehen Reiz- und Vergiftungserscheinungen, die auf Formaldehyd (F) zurückgeführt werden. Formaldehyd ist eine farblose Substanz, die bei Zimmertemperatur gasförmig vorliegt und einen typischen, stechenden Geruch aufweist, der noch in geringen Konzentrationen wahrgenommen werden kann. Formaldehyd ist in der Natur allgegenwärtig. Es entsteht zum Beispiel als Zwischenprodukt beim Stoffwechsel von Säugetieren und Menschen. Weltweit werden jährlich rund 21 Millionen Tonnen Formaldehyd technisch produziert, es ist als Grundstoff für industrielle Synthesen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Formaldehyd 2004 als krebserzeugend für den Menschen ein. (Quelle: Stellungnahme des Bundesinstitut für Risikobewertung zu F. vom 29.11.2004) Erste körperliche Reaktionen können schon bei einer F-Belastung ab ca. 0,03 ppm (≈ 36µg/m3 Raumluft) auftreten. Sie äußern sich in Augen- und Schleimhautreizungen (Schwellung der Nasenschleimhäute. Hustenreiz). Weiterhin können Atembeschwerden und unspezifische Symptome wie Unwohlsein und Kopfschmerzen auftreten. Längerfristig kann Formaldehyd allergische Reaktionen gegen andere Substanzen begünstigen („Promotoreffekt“). Nähere Angaben finden sich in der Fachliteratur. (Quelle: KATALYSE Institut für angewandte Umweltforschung e. V.; siehe auch den Auszug aus einem Gutachten über Formaldehyd-Belastung unter: http://www.regensburg-digital.de/turnhallen-affare-flucht-vor-der-verantwortung/21022011/) Das Umweltbundesamt gibt einen „Eingreifwert“ von 120 µg/m3 vor, bezogen auf eine Raumtemperatur von 23°C. Der Richtwert der WHO beträgt 60 µg/m3. In ungelüfteten Räumen ist laut Dr. Heinrich Körber vom staatlichen Gesundheitsamt eine Formaldehyd-Konzentration von 20 bis maximal 60µg/m3 üblich, die Werte aus der Turnhalle (so z.B. 87µg/m3 bei 14,3°C) seien deutlich erhöht und nicht unproblematisch. Bei der Ausschusssitzung am 22. Februar gab Körber an, jetzt deutlich beschwichtigend, dass gesundheitliche Schädigungen bei F-Konzentrationen unter dem „sicheren Richtwert“ nicht zu erwarten seien. Weiter forderte er eine Suche der Schadstoffquelle(n), Messungen auf Formaldehyd und evtl. anderer Schadstoffe. Diese müssten unter „realistischen“ Bedingungen stattfinden.

Zur Messung der Formaldehyd-Konzentration und zur vorhandenen Temperaturabhängigkeit

In der EN ISO 16000-1/2 werden Bedingungen formuliert, die bei der Ausführung der Messung einen gewissen Spielraum lassen. Demnach sollten die Messung in der Regel zwischen 20 und 24°C und bei 30 bis 60 Prozent relative Luftfeuchte vorgenommen werden. Neben der Raumlufttemperatur sind unter anderem relative Luftfeuchte, Flächentemperaturen, Windstärke (Messung nur bei Windstärken ≤ 3), Außentemperatur, Luftwechsel, Zustand der Lüftungsöffnungen, Raumzustand, Lüftungs- und Messzeiten zu dokumentieren. Die Messung soll bei „nutzungsüblichen Bedingungen“ stattfinden. Da bei Formaldehyd-Belastungen eine positive Temperaturabhängigkeit besteht (d.h. mit steigender Temperatur steigt auch die F-Konzentration in der Luft), darf keinesfalls unter 20°C Raumtemperatur gemessen werden. Um bezüglich der Temperatur eine realistische Worst-Case-Messung vornehmen zu können, müsste geklärt werden, wie hoch die Raumtemperatur in der Turnhalle maximal sein könnte, und dieser Wert müsste dann für ein „Worst-Case-Szenario“ zugrunde gelegt werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass tatsächlich die höchste in der Turnhalle vorkommende Formaldehyd-Belastung erfasst werden kann. Bislang wurde bezüglich der Temperatur noch kein Worst-Case-Messergebnis vorgelegt! Um die gegebene Temperaturabhängigkeit „auszugleichen“, wurde z.B. das Messergebnis vom 3.Januar 2011 mit der Rechenmethode „nach Mehlhorn“ vom Gutachter Wirkner von 14,3 Grad auf die willkürliche Temperatur von 18 Grad „hochgerechnet“. (siehe Mitteilung auf der städtischen „Top-Aktuell-Seite“ vom 18.2.) Auf der Ausschuss-Sitzung (vom 22.2.) jedoch verwarf Amtsleiter Hermann dieses Vorgehen überraschender Weise. Es sei für die Situation in der Turnhalle nicht tauglich, da die Methode nach Mehlhorn nur bei Spanplatten anzuwenden sei. Der Gutachter Thomas Wirkner bestätigte bei der Sitzung am 22. Februar in mehrfacher Hinsicht ein irreguläres Vorgehen, das übrigens auch im Widerspruch zu den großenteils zutreffenden Angaben auf der Homepage seines Instituts steht. (vgl.: http://www.analytik-aurachtal.com/inhalt_2_02a.html). In unlogischen bzw. unstimmigen Satzgebilden, mit sachlich offensichtlich falschen „Erklärungen“ (z.B. in moderne Heizungssteuerungen könnte nicht mehr eingegriffen werden) und mit falschen Behauptungen (die EN-ISO-Vorschrift impliziere eine Beibehaltung der von ihm am 3.1.2011vorgefundenen Raumtemperatur von 14,3 °C bzw. die dadurch gewonnenen Messwerte würden auf „die üblichen 18°C erwärmt“ werden können) trug der Gutachter zur Irreführung, aber nicht zur Sachaufklärung bei. Nebenbei ist zu bemerken: Eine abwälzende Verteidigungsstrategie von Gutachter Wirkner liegt darin, auf seinen Auftraggeber (hier: den städtischen Sicherheitsingenieur Ralph Schweiger) mit der Bemerkung zu deuten, er habe die Messung bei eben dieser Temperatur (14,3°C) so gewollt, was zu überprüfen wäre.

Der Zusammenhang zwischen Luftwechsel und Formaldehyd-Messungen

In der EN ISO 16000-1/2 werden hinsichtlich der Luftwechsel- Bedingungen formuliert, dass vor der eigentlichen Probenahme 15 Minuten intensiv und dann mindestens acht Stunden gar nicht gelüftet werden soll. Im Anschluss daran muss die Messung erfolgen (entweder über 30 Minuten oder bis zu 24 Stunden). Auch eine auf den Luftwechsel bezogene Worst-Case-Messung muss bei nutzungsüblichen Bedingungen vorgenommen werden. Die bisherigen Messungen haben laut Gutachter Wirkner bei den o.g. Bedingungen stattgefunden. Bekannt wurde allerdings auch die Messung vom 7. Februar 2011, die wegen geöffneter Lüftungsklappen verworfen werden musste, was berechtigtes Misstrauen gegen das neue Messinstitut aufkommen lässt. Um ein lüftungsbezogenes Worst-Case-Szenario bestimmen zu können, müsste von einer bei jeder Witterung verlässlich arbeitenden Lüftung ausgegangen werden, und davon dann die schlechtesten Betriebsumstände (sprich der geringste Luftwechsel) abgeleitet werden. An dieser Stelle ist noch darauf hinzuweisen, dass der repräsentativen Auswahl eines Messortes in der Halle größtes Augenmerk beigemessen werden muss. So weit bekannt wurde bisher immer in der Hallenmitte gemessen. Da auch die Fluchttüren bzw. Zuluft-Klappen sich in der Mitte befinden, muss sicher gestellt sein, dass während der Kurzzeit-Messung (mit 0,5 Stunden) keinerlei Luftwechsel stattfindet. Bei einer Langzeitmessung (mit 24 Stunden) wäre eine betriebsübliche Fensterlüftung in einem zweistündigen Intervall zu wählen. Wer sich je die schlecht schließenden Fluchttüren näher ansah, muss das Problem eines ggf. irregulären Luftwechsels bei der Messung annehmen. Was bislang unter dem Schlagwort „Worst-Case-Messung“ kommuniziert wurde, trug nicht zur Sachaufklärung sondern eher zur Irreführung bei. Z.T. war es grob falsch und/oder widersprüchlich (siehe Statements zu den Messungen im Dezember 2010 und Januar 2011 und die vielfach nicht und/oder unterschiedlich angewandte Definition dieses Arbeitsbegriffes). (Quelle: http://www.innenraumanalytik.at/pdfs/formaldehyd_ak.pdf; EN ISO 16000-2)

Bewertung:

Die bei 14,3 bzw. 17,4 Grad Celsius vorgenommenen Formaldehyd-Messungen sind wertlos. Vielmehr disqualifizieren diese den für die Messung verantwortlichen Gutachter, den nachgeschalteten Sicherheitsingenieur und die Personen, die mit so gewonnen Messwerten auftreten (so geschehen in der städtischen Pressemitteilung vom 10.1.2011). Diese irreguläre Vorgehensweisen haben, nach derzeitigem Stand, primär der damit beauftragte Gutachter, also der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Dr. Thomas Wirkner (Analytik Aurachtal von der Stadt beauftragt für 2010 bis Januar 2011) und der nachgeschaltete Sicherheitsingenieur Ralph Schweiger (städtisches Amt 18) zu verantworten. Die mit der städtischen Pressemitteilung vom 10.1.2011 vorgenommene „Entwarnung“ ist skandalös (87µg/m3 bei 14,3°C). Sie spricht der gegebenen Fürsorgepflicht Hohn. Da zudem die irreguläre Messtemperatur von 14,3°C nicht angegeben wurde, muss man derzeit von einem absichtlich irreführenden Vorgehen ausgehen. Da die Formaldehyd-Quelle(n) in der Turnhalle bislang unbekannt sind, erscheint es angebracht auch Langzeitmessungen (also über 20 oder 24h) bei praxisorientierter Lüftung der Halle vorzunehmen. Unklar ist derzeit, unter welchen Bedingungen die nun angekündigten Messungen vorgenommen werden sollen. Mit dem Wechsel des Gutachters (zu IFB Eigenschenk ab Januar 2011) muss in diesem Bereich unbedingt auf Seriosität und Transparenz geachtet werden.

Belastung aus flüchtigen organischen Verbindungen?

Auf der Internetseite der Stadt unter „Top-Aktuell“ (zu 16.2.11) wird auf die Frage nach weiteren Schadstoffmessungen wie folgt geantwortet:
„In der Turnhalle wurden bereits im Jahr 2009 flüchtige organische Verbindungen gemessen. Die Gesamtkonzentration lag mit 477 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft deutlich unterhalb des Eingreifwertes von 1000 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft. Auf andere Schadstoffe hin wurde die Turnhalle nicht untersucht, weil der Gutachter dies aufgrund der verwendeten Materialien nicht für erforderlich hielt.“
Weitere Angaben (wie Temperatur, Lüftungsgrad, Luftfeuchtigkeit) wurden zu dieser Art von Schadstoffmessung nicht gemacht. Voraussetzungen für die Anwendung und Zulässigkeit dieses „Eingreifwertes“ für flüchtige organische Stoffe (nach dem sog. TVOC-Konzept) sind jedoch,
„dass toxikologisch begründete Richtwerte von Einzelstoffen dabei nicht überschritten werden. Eine gesonderte Bewertung ist grundsätzlich erforderlich, wenn Substanzen mit niedrigen Geruchswahrnehmungsschwellen beteiligt sind, die auch in geringeren Konzentrationen aufgrund ihrer Geruchsaktivität belästigend wirken können oder wenn auffällig hohe Einzelstoffkonzentrationen auftreten.“ (aus: Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden Erarbeitet von der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes Berlin, 2008, S.50)
Laut den Angaben des früheren Gutachters Dr. Mehrer wurden die TVOC-Werte 2009 mit GC-MS- Messungen (die Kopplung von Gaschromatographie mit Massenspektrometrie) korrekt ermittelt und auf toxische Einzelstoffe hin überprüft (telefonische Nachfrage vom Feb. 2011). Empfehlung: Nachdem bislang nur ein Messwert aus dem Jahr 2009 vorliegt, müsste dieser mit einer GC-MS-Messung zur Absicherung nochmals überprüft werden. Im von Bürgermeister Wolbergs angekündigten Maßnahmenkatalog fehlt eine solche Messung auf leicht flüchtige organische Verbindungen.

4. Zur Formaldehyd-Belastung in der Turnhalle und ihren baulichen Ursachen

Nach der ersten Schließung der Halle im September 2009 und dem Ausbau der Formaldehyd (F) emittierenden Prallwände, behauptete man die F-Quelle beseitigt zu haben. Nach der Demontage der alten und nach dem Einbau neuer Wände wurden weitere F-Messungen vorgenommen und die Halle danach mit der Auflage, „geregelt zu lüften“, wieder freigegeben. Dieser Sachstand (9.7.2010) ergibt sich aus der Darstellung des Amtsleiters Hermann im Vorlagebericht zur Sitzung vom 22. Februar. Laut diesem Bericht suchen das Amt für Hochbau, die Bauleitung und die Fachstelle für Arbeitssicherheit seit November 2010, angestoßen von neuerlichen Beschwerden durch Formaldehyd aus der Schulfamilie, nach weiteren, bislang unbekannten F-Quellen. Infrage kämen hierfür eine Vielzahl von Baustoffen (neue Prallwände, Deckenisolierung, Beton, Fußboden, etc.). Bei der Ausschusssitzung wurden erneut weitere Materialanalysen (Boden, Wände, Decken, Unterkonstruktion, Beton) und der Austausch aller belasteten Materialien angekündigt. Dies ist – in der Rückschau – im Wesentlichen der gleiche Sachstand wie nach der ersten Sperrung, nur glaubte man damals, mit den Prallwänden den alleinigen Verursacher ausgemacht zu haben. Laut Sicherheitsingenieur Ralph Schweiger werden nun erstmals auch die Hartschaumplatten unter der Hallenboden-Konstruktion beprobt. Angesichts der großen Fläche und einschlägigen Hinweisen in der Fachliteratur (z.B. Formaldehyd in PU-Schaum) geschah dies unverständlicher Weise sehr spät, erst nach der zweiten Schließung. Ein besonderes Augenmerk sollte man auf die Art der Probenahme, insbesondere bei den Prallschutzwänden, legen. Damit diese tatsächlich repräsentativ und das Messergebnis aussagekräftig ist, sollte, falls nicht bereits geschehen, evtl. von mehreren Wänden Materialproben genommen werden. Festzuhalten ist schon jetzt, dass die systematische Suche nach den Schadstoffquellen in der Turnhalle zu lange vernachlässigt wurde. Stattdessen wurde eine Problemlösung über das Lüftungskonzept bevorzugt. Bislang sind aber hier keine Fortschritte erkennbar. Die baurechtlichen Verantwortlichkeiten sind erst benennbar, wenn man die Formaldehyd-Quelle(n) zweifelsfrei ausfindig machen kann. Ob dies vollständig gelingt, ist derzeit nicht absehbar, eine stringente Lösungsstrategie war bislang nicht auszumachen. Hier bräuchte es dringend eine Veränderung im bisherigen Vorgehen: informell, personell und sachlich.

5. Zu den Umständen der Freigabe der Turnhalle nach dem Austausch der Prallwände 2010

Exemplarisch für den fraglichen Umgang der Stadtverwaltung mit der andauernden Formaldehyd-Belastung und den daraus resultierenden F-Messungen werden hier die näheren Umstände der Freigabe der Halle nach dem Austausch der Prallwände im Jahr 2010 analysiert. Der Internetseite der Stadt können unter „Top-Aktuell“ folgende F-Messdaten entnommen werden:
„Nach dem Austausch der Prallwand wurde in der leeren Halle an zwei Standorten gemessen. Ergebnis: 69 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft und 32 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft bei 21°C. Der Wert bei der Freigabe der Halle nach Abschluss der Baumaßnahme belief sich auf 87 bzw. 91 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft bei 17,4°C.“
Angaben über den Lüftungsgrad, Messorte, Zustand der Lüftungsklappen, Funktionstüchtigkeit der Lüftungsanlage, etc. fehlen. So weit rekonstruierbar stammen die o.g. Werte zum einen aus dem sog. Frühjahrsgutachten und zum anderen aus dem Sommergutachten. Laut dem Bericht des städtischen Hochbauamts kam der Gutachter anhand dieser Messergebnisse erneut
„zum Ergebnis, dass die Halle zum Schulsport genutzt werden kann bei geregelter Lüftung.“
Bei der Ausschusssitzung vom 22.2.11 hat Sicherheitsingenieur Schweiger auf konkrete Nachfragen des Stadtrats Graf (nach Auflagen in dem Frühjahrsgutachten) diese Angaben ergänzt. Bereits mit Gutachten vom 7.4.2010 seien von seiner Seite, zusammen mit dem damaligen Gutachter, Maßnahmen vorgeschlagen worden, um eine „geregelte Lüftung sicherzustellen“. Zum Beispiel seien Daten für eine ausreichende Lüftung für den Hausmeister übergeben worden. Das steht evtl. im Widerspruch zu den Angaben von Amtsleiter Hermann, der kurz zuvor die Frage des Stadtrats Graf dahingehend beantwortete, man habe im Sommer 2010 „das erste Mal bewusst zur Kenntnis genommen“, dass für „ausreichende Lüftung“ gesorgt werden müsse. Deshalb habe man auch „das Nachrüsten von zusätzlichen Lüftungsklappen initiiert“, „um witterungsunabhängig zu werden“. Hier wäre zu überprüfen, wer wann welche Vorschläge unterbreitete und ob diese erfüllt wurden bzw. technisch erfüllbar gewesen wären und ob der Gutachter/Sicherheitsingenieur damals auch die Führung eines „Lüftungsprotokolls“ und/oder spezifizierte Luftwechselraten forderte. Dem Bericht des Hochbauamts zufolge bestanden jedoch seit längerer Zeit Zweifel über die Leistungsfähigkeit des Lüftungskonzeptes, woraufhin das Amt für Hochbau „im Sommer 2010 ein neues Lüftungskonzept entwickelt(e)“ (s. städtische PM vom 10.1.2011). Am 01.09.2010 wurde lt. Angaben des Hochbauamts „zur weiteren Verbesserung der Lüftungsmöglichkeiten vorgeschlagen, witterungsunabhängig in die Festverglasung der Nordseite zusätzliche Lüftungsklappen zu den Bestehenden einzubauen. Die Verwaltung vermutete zu geringe Luftaustauschraten.“ Diese Maßnahmen wurden angeblich erst Anfang Februar 2011 abgeschlossen.

Bewertung der Einhaltung der expliziten Freigabe-Bedingung, geregelt zu lüften

Da nach eigener Darstellung beim Hochbauamtes seit der Planungsphase ungeklärte Zweifel am geplanten „Lüftungskonzept“ der Turnhalle bestehen und bis heute kein „rechnerischer Nachweis“ bzw. andere Sicherheiten über dessen Leistungsfähigkeit vorliegen, konnte zum Zeitpunkt der Freigabe nicht sicher davon ausgegangen werden, dass der geforderte Luftwechsel erreicht wird. Damit war auch nicht sicher, dass die Bedingungen, um die Halle wieder freizugeben – geregelt zu lüften – zu jeder Zeit und bei allen Wetterlagen gewährleistet sind. Die Freigabe-Bedingung wurde also nicht wirklich eingehalten. Die Verantwortlichkeit hierfür liegt primär beim federführenden Amt für Hochbau und gegebenenfalls auch beim damaligen Gutachter (hier für 2010: Dr. Wirkner). Hier wäre zu prüfen, in welchem Wortlaut die Freigabe-Bedingungen gegenüber dem Hochbauamt formuliert wurden.

Zu den ermittelten Formaldehyd-Konzentrationen zum Zeitpunkt der Freigabe

Irregulärer Weise wurde von der Messmethode nach EN ISO 16000 (bei üblichen Nutzungsbedingungen und zwischen 20- 24°C) abwichen, die gewählte Messtemperatur von 17,4 Grad Celsius führte zu einem ungültigen Messwert. In folgendem Näherungsverfahren wird zur hilfsweisen Abschätzung des zu erwartenden Anstiegs der F‑Belastung bei höheren Raumtemperaturen davon ausgegangen, dass sich bei einer Temperatursteigerung von 10 Kelvin die Formaldehyd-Konzentration in der Turnhalle verdoppelt. Mit diesem Verfahren kann eine realistische Temperatur errechnet werden, bei welcher der „Eingreifwert“ von 120 µg/m3 erreicht wäre. Man gewinnt dadurch einen rechnerischen „Näherungswert“, der jedoch nur einen Anhaltspunkt darstellt. Alle Näherungswerte sind mit hoher Unsicherheit behaftet, sie können die Ermittlung der tatsächlichen F-Belastung in der Halle durch seriöse Messungen bei 20 bis 24 Grad Celsius nicht ersetzten! Daraus folgt (hier aus den Freigabe“-Messwerten von c(17,4) = 91 µg/m3 bei 17,4°C) für die Abschätzung der Temperatur (ET), bei welcher der „Eingreifwert“ (EW) von 120 µg/m3 erreicht wäre, ein „Rechenwert“ von 20,6 Grad Celsius. c(EW) = c(17,4) + c(17,4) * (ET-17,4)/10 →ET = [( 120 – 91 ) * 10 / 91 ] + 17,4 ≈ 20,6°C

Bewertung des Messwertes für Formaldehyd zum Zeitpunkt der erneuten Freigabe

Angesichts einer Formaldehyd-Konzentration von c(17,4°) = 91 µg/m3 bei 17,4° C hätte die Halle 2010 nicht freigegeben werden dürfen, da schon bei einer hilfsweise errechneten Raumtemperatur von ca. 20,6°C der „Eingreifwert“ erreicht worden wäre. Dass eine Raumtemperatur von 20,6°C in der Halle leicht erreicht werden kann, zeigt die o.g. Angabe einer Messtemperatur von 21°C. Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass eine Formaldehyd-Messung bei 17,4°C an sich schon irregulär und unseriös ist, und nie Grundlage einer Freigabe hätte sein dürfen. Die primäre Verantwortlichkeit für diese Problematik liegt abermals sowohl beim Gutachter als auch beim nachgeschalteten Sicherheitsingenieur, denn beide hätten von Raumtemperaturen von 20,6°C und mehr ausgehen müssen. Sekundär liegt hier eine Verantwortlichkeit beim federführenden Amt für Hochbau vor. Ob dieses Vorgehen der Beteiligten eine strafrechtliche Relevanz besitzt, muss die Staatsanwaltschaft überprüfen. Hierzu wären die tatsächlich aufgetretenen Reiz- und Vergiftungsvorfälle zu dokumentieren und das oben genannte Anerkenntnis von Amtsleiter Reichsthaler über gravierende Reiz- und Vergiftungserscheinungen dazu heranzuziehen.

6. Zum Luftwechsel im irregulär aufgenommenen Turnhallenbetrieb

In diversen aktuellen öffentlichen Wortmeldungen ist bereits ein Abwehren oder Verschieben der gegebenen Verantwortlichkeiten für die Sicherstellung des laufend notwendigen Luftwechsels in der Turnhalle auszumachen. Die vorliegenden widersprüchlichen Informationen lassen an dieser Stelle allerdings nur vorbehaltliche Einschätzungen über die Zuständigkeiten zu. Thomas Eckert, Vertreter der Dömges AG, die als Bauleitung primär auch für die Planung des Lüftungskonzepts verantwortlich zeichnet, stellt sich in seiner Stellungnahme (vom 11.2.2011) auf den folgenden Standpunkt:
„Von uns wurden alle baulichen Voraussetzungen für eine ausreichende natürliche Belüftung richtig und vollständig geplant“.
Mit Verweis auf langjährige Erfahrung und andere Projekte bestreitet Eckert weiterhin die Darstellung und veröffentlichte Details der Stadtverwaltung, so z.B. dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt die Lüftung moniert habe, oder dass es sich um eine „vollautomatische“ Anlage handle. Die tatsächlich witterungsabhängige Lüftung in der Turnhalle funktioniere mit natürlicher Thermik, jedoch bei jeder Witterung, einen rechnerischen Nachweis dafür könne und bräuchte er aber nicht erbringen. Nur letzteres ist gesichert. Eckert deutet in seiner Stellungnahme abschließend an, dass die Ursache eines gegebenenfalls mangelhaften Luftwechsels in der (falschen) automatischen Steuerung der elektrischen Fensteröffner und/oder in deren falschen (manuellen) Bedienung liegen könne. Für die bauliche Ausführung der Steuerungstechnik der automatischen Fensteröffner sei jedoch nicht die Dömges AG, sondern das Ingenieurbüro Dickert zuständig und für das Steuerprogramm das Amt für Hochbau und Gebäudeservice. Hochbauamtsleiter Hermann konterte dies auf der Sitzung am 22. Februar damit, dass die Bauleitung auch für die Koordination mit anderen Gewerken verantwortlich sei. Man muss davon ausgehen, dass das Hochbauamt die Programmierung der Wind- und Regenwächter bzw. der Öffnungszeiten NICHT richtig und rechtzeitig vorgenommen hat. Für eine gegebenenfalls falsche manuelle Bedienung der Fensteröffner hingegen, so die Andeutung Eckerts, käme evtl. die „Schule“ als Nutzer in Frage.
„Ursprünglich war geplant, dass die Nutzer keine manuelle Eingriffsmöglichkeit in die Steuerung der Lüftung haben, alles sollte über Raumsensoren und zentrale Gebäudeleittechnik [durch das Amt für Hochbau, Anm. d. V.] gesteuert werden. Erst kurz vor Fertigstellung des Projekts wurde auf Wunsch der Schule ein Schlüsselschalter nachgerüstet.“
In dieselbe Kerbe schlagen auch Erklärungen von OB Schaidinger und Amtsleiter Hermann, der im o.g. Vorlagebericht moniert:
„Die Schulleitung wurde angehalten, die Lüftungsklappen geöffnet zu lassen. Dies wurde von der Schulleitung an die Sportlehrer weitergegeben. Bei Ortsterminen wurden die Lüftungsklappen trotzdem immer wieder verschlossen vorgefunden.“
Der explizit angesprochene Schulleiter Feldmeier hingegen wies dergleichen zurück und forderte die Stadt mittlerweile auf, falsche Beschuldigungen gegen ihn bzw. die Schule zu korrigieren. Darüber hinaus seien die massiven Lüftungsprobleme in der Turnhalle schon während des Abiturs 2010 deutlich geworden. Bei bestimmten Wetterlagen seien die Dachfenster versperrt und die Lüftungs-Öffnungen in den Fluchttüren seien sogar bis Dezember 2010 nicht zu öffnen gewesen. Die einströmende Frischluft führte oft zu Zugerscheinungen und im Winter sei sie regelmäßig eiskalt, was dem Fürsorgegebot widerspräche.

Vorläufige Einschätzung zum Luftwechsel

Relativ einfach dürfte für sachkundige Handwerker, Ingenieure oder Gutachter anhand der Bauunterlagen zu klären sein, in welcher Form die Lüftungsanlage geplant bzw. letztendlich ausgeführt wurde. Mit dieser Klärung ergibt sich auch, ob die Angaben der Bauleitung (Eckert) wahrheitsgemäß sind, oder die des Amtes für Hochbau (Hermann) bzw. der Stadtverwaltung bis hinauf zu OB Schaidinger. In welchem Zeitraum die mehrfach veränderte Lüftungsanlage (zuletzt am Steuerungsprogramm am 9.2.2011) tatsächlich den nach DIN 18032 geforderten 2,5-fachen Luftwechsel pro Stunde gewährleistet hat, ist nach den vorliegenden Informationen nicht zu klären. Erst die angekündigten Gutachter-Prozesse dürften hier für faktische Klarheit sorgen. Deutlich ist aber bereits jetzt, dass bis Anfang Februar 2011 Veränderung und Umbauten am Lüftungskonzept vorgenommen wurden, und nach Angaben des Hochbauamtes, des Gutachters Wirkner und des Sicherheitsingenieurs Schweiger die Leistungsfähigkeit der Anlage vorher nicht vollumfänglich gewährleistet war. Dass vor diesem Hintergrund auf der Seite der Nutzer, also der Lehrkräfte, ein falsches (manuelles) Bedienungsverhalten der Fensterlüftung vorliegt bzw. vorliegen kann, erscheint nach dem jetzigen Kenntnisstand sehr unwahrscheinlich. Vielmehr scheint bislang aus technischen-baulichen Gründen, wegen Luftzug, kalter Luft und Schadstoffbelastung kein geregelter Betrieb in der Turnhalle möglich gewesen zu sein. Schon jetzt muss man davon ausgehen, dass die Lüftungsanlage der Turnhalle bereits zu ihrer Einweihung nicht vollständig installiert war und die positive Bauabnahme bzw. Inbetriebnahme nicht ohne weiteres von der Bauleitung vollzogen bzw. vom Bauherrn akzeptiert hätte werden dürfen. Ob bereits in diesem Zusammenhang neben baurechtlichen auch strafrechtlich relevante Handlungen vorliegen könnten, muss der staatsanwaltlichen Überprüfung überlassen bleiben.
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