Am 25. Februar heutigen 11. März, 12 Uhr, verkündet das Landgericht Hamburg seine Entscheidung im Rechtsstreit der Diözese Regensburg gegen regensburg-digital.de. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir heute einen Text des Webevangelisten Luis Pistor, der den Sachverhalt intensiv beleuchtet. Leider müssen wir aufgrund der derzeit gültigen Einstweiligen Verfügung die strittigen Passagen zensieren.
Bild Dir Deine Meinung – so lange Du noch darfst!
von Webevangelist Luis Pistor Am 25. Februar tagt in Hamburg die Heilige Inquisition. An diesem Tag entscheidet das dortige Landgericht darüber, ob der Journalist Stefan Aigner weiter seine Meinung zu einer Schweigevereinbarung, Geldzahlungen und einem eventuell bestehendem (von der Diözese mit gerichtlicher Hilfe bestrittenem) Zusammenhang äußern darf. Derzeit ist Aigner seine Meinung per Einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg verboten – bei einer Strafandrohung von 250.000 Euro. Dank der breiten Solidarität im Netz wehrte er sich aber dagegen und steht mit der Diözese derzeit vor Gericht. Zeit, bekannte und unbestrittene Fakten auf den Tisch zu legen. Schließlich soll sich jeder seine eigene Meinung bilden können. Und Gott bewahre mich davor, hier einen falschen Eindruck zu erwecken. Ich habe keine 250.000 Euro.
Wie kam es zu der Einstweiligen Verfügung gegen Aigner?
Am 7. März veröffentlichte er im Online-Magazin regensburg-digital.de unter dem Titel „Aufklärung auf katholisch“ einen Kommentar. Der Tenor: Es ist grotesk, wenn die katholische Kirche – insbesondere in Regensburg – ankündigt, Missbrauchsfälle aufzuklären, die bei der katholischen Kirche stattgefunden haben. Es ist grotesk, wenn sie nun um das Vertrauen der Opfer bittet. Es ist grotesk, dieser Kirche Glauben zu schenken. Für diese, seine Meinung führt Aigner mehrere Beispiele an, unter anderem schreibt er:
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Diese Passage verlinkt Aigner komplett auf einen juristisch nie angegriffenen Spiegel-Artikel aus dem Jahr 2007 mit der Überschrift „Schweigen gegen Geld“. Ende März erhält Aigner von der Diözese Regensburg die Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Folgende Formulierung sei unrichtig:
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Gegen den Spiegel habe man wegen einer ähnlichen Formulierung (in einem Artikel aus dem Jahr 2010 wohlgemerkt) schon ein Einstweilige Verfügung erwirkt, so die Rechtsanwälte der Diözese. Aigner unterschreibt nicht. Er erklärt sich aber rechtsverbindlich bereit, die Formulierung
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
bis zum Ende des Rechtsstreits der Diözese mit dem Spiegel nicht mehr zu wiederholen. Stattdessen schreibt er:
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Von der Diözese kommt keine Antwort. Stattdessen folgt kurz darauf eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, die Aigner bei Strafandrohung von bis zu 250.000 Euro beide Formulierungen verbietet. Aigner dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Kommen wir zu dem „in Rede stehenden Vorfall“. Anders ausgedrückt, den sexuellen Missbrauch eines elfjährigen Jungen im niederbayerischen Viechtach durch den Kaplan Peter K. im Jahr 1999. Die Eltern erfuhren davon und wandten sich an die Diözese. Sie hatten seinerzeit Angst, dass ihr Sohn in dem erzkatholischen Örtchen öffentlich an den Pranger gestellt werden könnte. Nach monatelangen Verhandlungen trafen Diözese und Kaplan auf der einen und die Eltern des missbrauchten Jungen auf der anderen Seite eine Vereinbarung mit folgenden wesentlichen Punkten: 1. Es wurde beiderseitiges Stillschweigen vereinbart, „auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern und im wohlverstandenem Interesse der Kinder“. 2. Es wurde die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 6.500 Mark vereinbart. 3. Die Diözese sagte zu, sämtliche „medizinisch indizierten“ Therapiekosten für den elfjährigen Jungen und seine beiden Geschwister, die den Missbrauch mitbekommen hatten, zu übernehmen. Wenig später zeigte ein Mitglied aus der Therapiegruppe des Vaters den Priester an. Die Familie erhielt daraufhin ein Schreiben der Diözese, in dem es unter anderem heißt:
„Inzwischen läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Deggendorf gegen Herrn K[…]; deshalb waren wir etwas überrascht, dass die Vereinbarung bei uns eingegangen ist, kurz nachdem sich die Staatsanwaltschaft gemeldet hat. Man sollte zunächst das Ergebnis der Ermittelungen und eines möglicherweise folgenden gerichtlichen Verfahrens abwarten, bis weitere Leistungen erbracht werden. Die Vereinbarung haben wir auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Wir hoffen, dass die Angelegenheit für beide Seiten zu einem erträglichen Ergebnis führt, Wir bedanken uns für Ihre Bemühungen und verbleiben […]“
Das Ergebnis der Ermittlungen: Der Priester wurde per Strafbefehl zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der sexuelle Missbrauch wurde ansonsten nicht öffentlich. Die Diözese bezahlte Therapiekosten. 2007 erfuhr die Familie des missbrauchten Jungen, dass Peter K. bereits seit über fünf Jahren in der Gemeinde Riekofen arbeitet. Dort wusste niemand etwas von seiner kriminellen Vergangenheit. Die Familie ging an die Öffentlichkeit. Zeitgleich flog auf, dass Peter K. auch in Riekofen mindestens einen Ministranten über Jahre sexuell missbraucht hatte. Er wurde dafür zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Bei der Familie aus Viechtach brachen die Ereignisse aus dem Jahr 1999 wieder auf. Sie beantragte bei der Diözese erneut Therapien. Über einen Rechtsanwalt lehnte die Diözese die Übernahme von Therapiekosten für die Mutter, die Geschwister und den 1999 missbrauchten Jungen ab. In dem Schreiben heißt es unter anderem: Die Zahlungen in der Vergangenheit „basierten auf dem wohlwollenden Entgegenkommen des Ordinariats.“ Der Vorwurf, dass es sich bei den Zahlungen um
Dieser Begriff ist uns derzeit durch die Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
handle sei „unredlich“. Die nun beantragten Therapien seien entweder von der Vereinbarung nicht gedeckt oder medizinisch nicht notwendig. Auch das vereinbarte Schweigen wird in dem Anwaltsschreiben erwähnt. Natürlich, ohne einen Zusammenhang mit den abgelehnten Zahlungen herzustellen. Die Familie ist bislang auf Kosten von mindestens 1.000 Euro sitzengeblieben. Wie bei der ersten Verhandlung gegen Aigner zu erfahren war, bestreitet die Diözese, jemals die Zahlung irgendwelcher Therapiekosten verweigert zu haben. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk hat die Mutter des missbrauchten Jungen kürzlich angegeben, sie empfinde die Zahlungen der Diözese Regensburg im nachhinein als
Diese Formulierung ist uns derzeit durch die Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Erweckt damit die Formulierung, die Aigner derzeit verboten wird, einen falschen Eindruck?
Noch einmal zum Mitlesen:
Diese Aussage ist uns derzeit durch eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagt.
Bild Dir Deine Meinung, so lange Du noch darfst… Epilog: Der Spiegel hat sein Verfahren gegen die Diözese Regensburg in erster Instanz verloren und diskutiert noch darüber, ob er in die zweite Instanz gehen will. Aigner hat für den Fall einer Niederlage vor Gericht bereits Berufung angekündigt.