Es ist keine Debatte. Es handelt sich auch nicht um eine mit Spannung erwartete Abstimmung. Es ist das Schaulaufen der Fraktionschefs. Bei der letzten Stadtratssitzung im alten Jahr dürfen sie ran, um im Rahmen ihrer Haushaltsreden rhetorisches Talent, Unterhaltungsqualität und Kompetenz zu beweisen und politisch miteinander abzurechnen. Bereits im Vorfeld der Sitzung war klar, dass der Haushalt den Stadtrat passieren würde, trotz einhelliger Ablehnung durch die die Opposition. Bleibt also zu fragen, wer bei der Sitzung am Donnerstag den besten Auftritt bieten würde – und der Preis geht an Norbert Hartl (SPD). „Hab ich wirklich eine Stunde geredet? Doch nicht wirklich?”, meint der nach 56 Minuten.
Während seiner mit interaktiven Elementen versehenen Ansprache (es gibt SSV Jahn-Schlüsselanhänger für die Bürgermeister und Koalitionspartner Schlegl), die bisweilen an eine Predigt von Bruder Barnabas auf dem Nockerberg erinnert, hört auch Hans Schaidinger mit dem bis dahin gelangweilten Durchblättern und Abzeichnen von Unterlagen auf, Bürgermeister Joachim Wolbergs wechselt den Gesichtsausdruck von verkniffen zu gelöst und lehnt sich entspannt zurück, die „CSU-Dissidenten“ Franz Rieger, Armin Gugau und Hans Renter hören kurz mit dem gemeinsamen Pläne-Schmieden in der hinteren Reihe auf und lauschen, während CSU-Fraktionschef Christian Schlegl ein wenig neidisch drein schaut, weil er doch glaubte, heute die peppigste Rede zu halten (Alle Reden zum Nachlesen am Ende des Artikels).
Doch weit gefehlt: Lediglich beim heiteren Zitate-Raten, zu dem Jürgen Mistol (Grüne) in seiner Haushaltsrede aufgefordert hatte, kann Schlegl punkten, als er einen von ihm selbst getätigten Ausspruch Franz Josef Strauß zuschreibt. Schlegls Rede indes schrammt – trotz guter Ansätze – deutlich an Strauß’schen Anforderungen vorbei.
Tatsächlich ist Hartl der einzige Redner, der den Haushalt Punkt für Punkt abarbeitete und dabei weder den launigen Ton noch das kräftige Austeilen vergisst. Dabei gibt er sich unbescheiden bei der Präsentation des eigenen Kenntnisreichtums, ist konsequent darum bemüht, das sozialdemokratische Profil innerhalb der Koalition herauszustellen, nimmt die eigene Arbeit derart wichtig, dass er immer wieder ganz bundespolitisch von „Legislaturperiode“ spricht und verteilt Watschn wie der Nikolaus Mandarinen und Walnüsse.
Eine Watschn fängt sich etwa Jürgen Huber (Grüne), weil er beim mittlerweile ausgeschiedenen SPD-Stadtrat Tonio Walter angefragt hatte, ob dieser bei der Referentenwahl nicht mit der Opposition gegen Klemens Unger stimmen wolle.
Eine solche erteilt Hartl Benedikt Suttner (ödp), weil der bei der Abstimmung zur Anti-AKW-Resolution gefehlt hatte und damit deren Erfolg verhindert hat. „Sie haben’s vermasselt.“
Auch Ludwig Artinger (Freie Wähler) fängt sich eine, weil er zwar eine Haushaltsrede gehalten habe, in der er attackiert habe („Mir gefällt’s, wenn’s ein bisserl zintig wird“, so Hartl.), bei der aber der Inhalt gefehlt habe.
An der „Partei-CSU“, also dem Rieger/Gugau-Lager, arbeitet sich der SPD-Fraktionschef besonders ab, deutlicher als vor ihm Christian Schlegl, der sogar Gelächter erntet, als er sich bei seinen „zuverlässigen Fraktionsmitgliedern“ bedankt.
Den „fünf Siebengescheiten“, (Armin Gugau, Hans Renter, Franz Rieger, Hermann Vanino und Martina Dräxlmaier) gehe es bei ihren Einwänden erkennbar „nicht um bessere Sachpolitik, sondern um – einen ausschließlich persönlich motivierten – CSU parteiinternen Machtkampf“, schießt dagegen Hartl. Franz Rieger sei ein „Populist“, ein „vermeintlich smarter Sonnyboy“, der bislang nur „blamable Anträge“ im Stadtrat vorgelegt habe.
Zu diesem Zeitpunkt wird im Plenum noch gelacht, selbst von den meisten Kritisierten. Später – nach Abschluss der Haushaltsdebatte – wird der Ton wieder rauer. Als eine Pressemitteilung von Franz Rieger bekannt wird, in der dieser Joachim Wolbergs Versagen beim Winterdienst vorwirft, nimmt dieser Riegers Pressemitteilung in einem längeren Vortrag auseinander und bezeichnet ihn als „Charakterschwein“. Doch das nur am Rande.
Beim gemeinsamen Essen mit Amtsleitern, Referenten und ausgewählten Journalisten sind dann doch fast alle Stadträte anwesend. Schließlich ist bald Weihnachten.
HaushaltsredenOberbürgermeister Hans SchaidingerFinanzreferent Dieter DamingerNorbert Hartl (SPD)Christian Schlegl (CSU)Ludwig Artinger (Freie Wähler)Jürgen Mistol (Grüne)Horst Meierhofer (FDP)Irmgard Freihoffer (Linke)
Eberhard Dünninger (ödp)