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Archiv für Dezember, 2010

Im Jahr 1951 starb im Johns Hopkins Hospital in Baltimore, Maryland, USA, eine schwarze Frau mit nur 31 Jahren an einem bösartigen Tumor des Gebärmutterhalses. Sie stammte aus sehr einfachen Verhältnissen und hatte mit 14 Jahren das erste der fünf Kinder bekommen, die sie hinterließ. Im Januar des Jahres 1951 war sie ins Krankenhaus gekommen, weil sie selbst schon vor längerem einen Knoten am Gebärmutterhals gefunden hatte, der schmerzte und inzwischen blutete. Eine Biopsie ergab die Diagnose eines ungewöhnlich bösartigen Tumors. Trotz Radiumbehandlung und Bestrahlung verstarb die Patientin unter schlimmen Schmerzen noch im Oktober desselben Jahres. Soweit das traurige und gleichzeitig millionenfach geteilte Schicksal der Patientin Henrietta Lacks. Was ihren Fall einzigartig macht, ist die Tatsache, dass kurz vor ihrem Tod Gewebeproben ihres Tumors genommen und in eine Petrischale gegeben worden waren. Diese Zellen starben im Gegensatz zu allen bis dahin verfügbaren Proben nicht nur nicht ab, sondern vermehren sich bis heute rasant, wurden in gigantischen Mengen gezüchtet und in die ganze Welt verschickt und waren unter dem Namen HeLa an sehr vielen Forschungen und wissenschaftlichen Entdeckungen beteiligt. Sie waren in den meisten Instituten die menschliche Standardzelllinie (obwohl es sich um Krebszellen handelt, haben sie viele elementare Eigenschaften mit anderen Zellen gemeinsam) und sind auch heute noch allgegenwärtig. So groß die Leistungen der beteiligten Wissenschaftler bei den Forschungen mit HeLa-Zellen waren, so unsensibel war ihr Umgang mit den Betroffenen. Henrietta Lacks erfuhr nie, dass ihr eine Gewebeprobe entnommen war (auch heute sind Ärzte im übrigen nicht dazu verpflichtet, bei Gewebeproben das Einverständnis der Patienten einzuholen). Die Familie entdeckte viele Jahre später durch Zufall über eine Labormitarbeiterin die Existenz der HeLa-Zellen. Kurz danach rief eine Hilfskraft an und wollte den Angehörigen zum Zweck weiterer Forschungen Blut abnehmen. Auch bei dieser Gelegenheit wurden die Kinder von Henrietta Lacks nicht ausreichend informiert und aufgeklärt. Sie dachten, es sollte getestet werden, ob sie den gleichen Krebs hätten wie ihre Mutter, und warteten wochenlang ängstlich auf einen Anruf aus dem Krankenhaus mit dem Befund, der natürlich nicht kam. Ab 1976 interessierten sich Journalisten für die Geschichte hinter HeLa; damals erschien ein Buch, das die komplette Krankenakte von Henrietta Lacks enthielt, die die Familie niemals zu Gesicht bekommen hatte. Dieser Bruch der ärztlichen Schweigepflicht führte dazu, dass die Familie immer wieder mit Journalisten und auch Wissenschaftlern zu tun bekam, die ihnen von Henriettas angeblicher Leistung und der Bedeutung ihrer Zellen für die Wissenschaft erzählten und sie dadurch belasteten und verwirrten. Die Kinder hatten unter dem frühen Tod ihrer Mutter schmerzlich gelitten (als Henrietta starb, war ihr jüngstes Kind erst ein Jahr alt; die Kinder wuchsen danach unter sehr schwierigen Bedingungen bei Verwandten auf). Insbesondere Henriettas Tochter Deborah wurde durch die kaum begreiflichen Informationen über angeblich unsterbliche Zellen ihrer Mutter in Reagenzgläsern stark belastet; sie stellte sich ein ganzes Dorf voller Klone ihrer Mutter und anderes vor und erlitt mehrere Nervenzusammenbrüche. Ein anderer Verwandter wird mit den Worten zitiert: „Hier in der Gegend kapiert keiner, wie sie tot sein kann und das Zeug lebt noch. Das is´n richtiges Rätsel.“ (S. 121). Wieder andere in der Familie glaubten, Henrietta sei buchstäblich unsterblich geworden und als Engel zurückgekehrt, um Leidenden zu helfen. Im Lauf der Zeit gab es zwar verschiedene Ehrungen und Feierlichkeiten zur Würdigung von Henrietta Lacks, aber niemand bot eine Entschuldigung für die unautorisierte Gewebeentnahme und die Preisgabe ihrer Identität oder eine finanzielle Entschädigung der Familie an. Der Forscher, der die ursprüngliche Probe von Henriettas Tumor genommen hatte (George Gey), hatte sich daran zwar nicht bereichert, sondern die Zellen kostenlos weitergegeben; später gab es aber Technologieunternehmen, die die Zellen verkauften und davon lebten. In dieser Hinsicht ist die Geschichte der HeLa-Zellen auch eine Geschichte der Ausbeutung einer schwarzen Frau aus der Unterschicht im Dienste der medizinischen Forschung. Rebecca Skloot hat viele Jahre an diesem Buch gearbeitet und eine Unmenge von Details zusammengetragen, was ihre Erzählung streckenweise unübersichtlich werden lässt. Sie hat sich aber ganz auf die Begegnung mit Henriettas Familie, insbesondere ihrer Tochter Deborah, eingelassen und sie in die Recherchen intensiv einbezogen, hat im Lauf der Jahre ihr Leben bis zu einem gewissen Grad geteilt, was sicher die einzige Möglichkeit war, das Vertrauen dieser Menschen zu gewinnen. Sie hat den einzelnen Familienmitgliedern auf diesem Weg viel von der längst überfälligen Aufklärung und Information vermittelt. Insgesamt leistet sie mit ihrem Buch ein wichtiges Stück Aufarbeitung der Geschichte der medizinischen Forschung. Rebecca Skloot: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks. New York, 2010

In eigener Sache: Winterpause (Update: Wollis Videobotschaft)

Liebe Leserinnen und Leser, vom 20. Dezember bis zum 6. Januar wird sich die Redaktion erholen und auf die Gerichtsverhandlung mit der Diözese Regensburg am 11. Januar in Hamburg vorbereiten. Wir gehen davon aus, dass Regensburg während dieser Zeit nicht im Schneechaos versinken wird. Zur Streusalz- (das droht auszugehen)/ Winter- (der nicht)/ Charakterschwein-Diskussion stellen wir […]

Hartls Haudrauf-Haushaltsshow

Es ist keine Debatte. Es handelt sich auch nicht um eine mit Spannung erwartete Abstimmung. Es ist das Schaulaufen der Fraktionschefs. Bei der letzten Stadtratssitzung im alten Jahr dürfen sie ran, um im Rahmen ihrer Haushaltsreden rhetorisches Talent, Unterhaltungsqualität und Kompetenz zu beweisen und politisch miteinander abzurechnen. Bereits im Vorfeld der Sitzung war klar, dass […]

Weihnachtliche Botschaften und totalitäre Regelungen

Die Botschaft des CSU-Kreisvorstands klingt auf den ersten Blick richtig weihnachtlich: „Gugau fordert zur Umkehr auf“, lautet die Überschrift einer am Donnerstag verschickten Pressemitteilung. Doch nicht Einkehr und Gebet ist es, was der Regensburger CSU-Chef Armin Gugau seinen Parteifreunden in der staaden Zeit empfiehlt, sondern eine Rücknahme der neuen Geschäftsordnung der CSU-Fraktion. Keine Überraschung. Wie […]

„Wie das Leben wiederaufersteht“

Für Ilse Danziger vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde ist es ein „wichtiger Baustein in der traditionellen langen Geschichte der Juden in Regensburg“, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht. Das Buch, das Dr. Roman P. Smolorz am Donnerstag vorstellte, behandelt dagegen einen vergleichsweise kurzen, aber bislang kaum erforschten Zeitabschnitt: „Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish […]

In eigener Sache: Diözese Regensburg ./. regensburg-digital.de am 11. Januar

Noch werden Schriftsätze hin und her gesandt, doch mittlerweile steht der Verhandlungstermin fest: Am 11. Januar, 13.30 Uhr, treffen sich regensburg-digital.de und die Diözese Regensburg vor dem Landgericht in Hamburg (Az 325 O 153/10). Derzeit ist es unserer Redaktion bei einer Strafandrohung von bis zu 250.000 Euro (ersatzweise bis zu zwei Jahren Haft) untersagt, in […]

„Politische Notwehr“

Mit dem weihnachtlichen Frieden in der Regensburger CSU wird es nichts werden. Am heutigen Dienstag haben die Stadträte Franz Rieger und Hermann Vanino vor dem Landgericht Regensburg Klage gegen ihre Fraktion eingereicht. Sie wollen deren neue Geschäftsordnung für unwirksam erklären lassen. Bei der Regierung der Oberpfalz haben sie ebenfalls Beschwerde eingelegt. Rieger bezeichnet diesen Schritt […]

Rampe, Mauern und noch viel mehr: Donaumarkt-Konzept stößt auf Widerspruch

Dass am Donaumarkt keine Stadthalle gebaut wird, hat sich in Regensburg mittlerweile herumgesprochen. Was genau aber nun im Detail dort geplant ist, gehört noch längst nicht zum Allgemeingut. Das zeigt eine Presseerklärung, mit der sich die Regensburger Altstadtfreunde – im Verbund mit dem Forum Regensburg und unterstützt von den Sozialen Initiativen – gegen die derzeit […]

Flüchtlinge: Nikolaus-Aktion und „Schnauze voll“-Demo

Nikolaus spielten die Regensburger Jusos am 6. Dezember in der Asylunterkunft Plattlinger Straße. Mit Namenslisten und Geschenken bewaffnet zogen Tobias Afsali und seine Genossinnen von Wohnung zu Wohnung, um Bücher und Süßigkeiten an die Kinder zu verteilen. „Eine afghanische Familie hat uns direkt zum Tee eingeladen“, erzählt Afsali. „Es ist einfach unglaublich, wie gastfreundlich und […]

Glatteis stoppt Busse

In der Geschichte der Regensburger Verkehrsbetriebe muss man weit zurück gehen: Ende der 60er Jahre wurde der Betrieb wegen Eisglätte zum letzten Mal komplett eingestellt. Und selbst das weiß Hauptgeschäftsführer Bernd-Reinhard Hetzenecker nur aus Erzählungen. Er selbst ist seit 1978 im Unternehmen. Am gestrigen Donnerstag um 18.58 Uhr war es wieder einmal so weit: Aus […]

Diskussion mit Heubisch: Superrektor scheut Showdown

Kurz vor Weihnachten scheinen alle Wünsche in Erfüllung zu gehen. Die Neubauten an der Hochschule Regensburg wurden vergangene Woche genehmigt. Und auch was die Hochschulfinanzierung im Allgemeinen betrifft, konnte man am Mittwoch hören: „Es wir keine Kürzungen geben, sondern ein Plus.“ Mit dieser Aussage ließ Wolfgang Heubisch alle Kritiker ins Leere laufen. Der CSU-Landtagsabgeordnete Franz […]

Ex-Domspatz fragt: Wo bleibt der Bericht zu Gewalt und Missbrauch?

„Was wollen Sie denn noch? Wir haben Ihnen doch zugehört.“ Das war das letzte, was Udo Kaiser von der Diözese Regensburg gehört hat. Seitdem wartet er. Auf einen Bericht zu den Fällen von Gewalt und Missbrauch im Bistum. Auf eine offizielle Entschuldigung. Auf ein Statement von Gerhard Ludwig Müller. „Bisher muss ich mir ja vom […]

Dem Bischof vors Schienbein treten

„Wenn einer von uns stirbt, geh’ ich nach Paris“. Knapp ein Jahr nach dem deutschen Kinostart dieses Dokumentarfilms über sexualisierte Gewalt in Familie und Kirche wird er nun endlich auch im Bistum Regensburg gezeigt. Am morgigen Donnerstag, 19 Uhr, läuft der aufwühlende Film des Fernsehjournalisten Jan Schmitt in der Filmgalerie Leerer Beutel. In seinem erschütternden […]

Klage gegen CSU-Satzung: Machthaber contra Strippenzieher

In der Regensburger CSU ist der offene Krieg nun endgültig wieder ausgebrochen. Vordergründig geht es um die neue Geschäftsordnung, die am Montag von der Stadtratsfraktion verabschiedet wurde. Der Landtagsabgeordnete Franz Rieger und Hermann Vanino haben am Dienstagnachmittag angekündigt, dagegen vor dem Landgericht Regensburg zu klagen. Sie sprechen von einem „rechtswidrigem Maulkorberlass“. Die Vertreter zweier CSU-Lager […]

„Katastrophale Zustände“ in Amberger Asylunterkunft

Es war ein bemerkenswertes Interview, das die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) vergangene Woche der Süddeutschen Zeitung gab. Mehr als zwei Drittel der Asylbewerber missbrauchten „unser Gastrecht“, so die Ministerin. Wem es hierzulande nicht passe, könne jederzeit wieder nach Hause gehen. Zu einem Besuch in einer „Gemeinschaftsunterkunft“ hat sich Haderthauer nach eigenen Worten noch nicht […]

„Schneenotstand“ in Regensburg?

50 zusätzliche Mitarbeiter, die von anderen Ämtern abgestellt werden, eine Verlängerung der Arbeitszeiten auf zwölf Stunden täglich und die Sperrung der Radwege, um sie als Schneeablagefläche nutzen zu können – das sind die Sofortmaßnahmen der Stadt Regensburg, um mit dem Schnee im Stadtgebiet fertig zu werden. „Das wird vielen nicht reichen, aber mehr können wir […]

Rekordhaushalt für „Ausnahmekommune“

„Schreiben Sie bloß nicht, dass das mit einer vorausschauenden und nachhaltigen Politik zu tun hat.“ Immer öfter kokettiert Hans Schaidinger mit dem nicht vorhandenem Lob für seine Leistungen als Regensburger Oberbürgermeister. Am Freitag war es wieder einmal so weit. Gemeinsam mit Stadtkämmerer Dieter Daminger präsentierte Schaidinger den Haushaltsentwurf bis 2014, der am 16. Dezember den […]

Humanismus mit Augenmaß

„Ich kann nicht sagen: Ich kümmere mich darum, dass es woanders hin kommt. Das wäre populistisch.“ Mit diesen Worten reagierte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag auf Nachfragen zur Regensburger Asylunterkunft. Stadträtin Bernadette Dechant (CSU) hatte in ihrer Eigenschaft als Sprecherin der „Bürgerbewegung Hohes Kreuz“ eine Petition beim bayerischen Landtag eingereicht, in der unter anderem […]

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