SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Hartl findet den Ironman „eine super Sache“. Vor allem bezüglich der erhofften Öffentlichkeitswirkung. Bei diesem „internationalen Sportevent“, dessen Vermarktern die Stadt Regensburg Leistungen im Wert von 250.000 Euro spendiert, würden zum Beispiel viele Amerikaner teilnehmen – und diese, so die Hoffnung von Stadtrat Hartl, würden danach in den Staaten kräftig die Werbetrommel für die Donaustadt und das Weltkulturerbe rühren.
Viele Amerikaner? Ja doch, ganz gewiss! – Hartl versichert, dass „mehrere hundert“ Athleten aus den USA in Regensburg, zumeist im Hotel, übernachten würden. Da verschätzt sich der SPD-Mann gewaltig – auf der öffentlich zugänglichen Starterliste sind nur ganze 65 Amerikaner gelistet. Aber sei’s drum! Aufs öffentliche Sponsoring der Stadt angesprochen (wie erwähnt: eine Viertelmillion Euro pro Jahr löhnt der hiesige Steuerzahler bis 2014) beschwichtigt Hartl: Das seien ja lediglich Sachleistungen – die Stadt bezahle also Dinge wie Straßenreinigung, Mietgebühren für den Dultplatz oder die Durchführung von Verkehrsregelung und Straßensperrungen.
Es würde kein einziger Euro in Form von Bargeld fließen, versichert man auch im Sportamt. Die ganze Angelegenheit würde ohnehin weit weniger als die genannten 250.000 Euro kosten, versichert Hartl, das sei die Maximalsumme. Woher er bereits Tage vor Beendigung der Veranstaltung wissen will, was diese letztlich kosten wird, sagt Hartl nicht.
„Extrem aufwändige Verkehrsregelung“
Dass – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – für die „extrem aufwändige Verkehrsregelung beim Ironman“ (O-Ton Sportamt) extra eine private Verkehrssicherungsfirma beauftragt wurde, deren Mitarbeiter ja nicht kostenlos tagelang die Winkerkelle schwingen und die man auch schlecht mit den von Hartl ins Feld geführten „Naturalien“ bezahlen kann, erfährt man erst auf Nachfrage – nicht jedoch aus der örtlichen Tageszeitung. Diese ist offizieller „Medienpartner“ des Ironman-Events, genauso wie der Radiosender Charivari. Der beschönigende Ausdruck „Medienpartnerschaft“ bedeutet nichts anderes, als dass man ökonomisch verbandelt ist. Mit anderen Worten: Würden die MZ-Redakteure oder die Charivari-Radiomacher Negatives über den Ironman berichten, würden Sie Ihren Chefs (Herausgeber Peter Esser bzw. Funkhaus-Chef Gerd Penninger) wirtschaftlichen Schaden zufügen. Wen wundert es da, dass allein in der Mittelbayerischen Zeitung in den letzten zwei Wochen 35 (!) überschwängliche Artikel über den Ironman erschienen sind, kritische Stimmen hingegen allenfalls in Nebensätzen auftauchen.
Sportbürgermeister Gerhard Weber – der einzige, der sich von Stadtseite her offiziell zum Thema Ironman äußern darf – konnte oder wollte zu den vielen Kritikpunkten, die nicht in der Presse, sehr wohl jedoch in der Bevölkerung diskutiert werden, vor dem Veranstaltungstag am 1. August nicht Stellung nehmen. Ein Mitarbeiter Webers gab lediglich zur Auskunft: „Der Sportbürgermeister ist am Freitag in einer Sitzung. Er ist vor dem Wochenende nicht erreichbar, weder per Handy noch per E-Mail. Er kann nicht benachrichtigt werden, und zurückrufen kann er auch nicht.“
Was wir Sportbürgermeister Weber gerne gefragt hätten
Na, da wollen wir mal hoffen, dass Weber am Wochenende auch keinen wichtigeren Anruf als den unsrigen verpasst, wenn er dermaßen unerreichbar ist. Wir hätten den Sportbürgermeister beispielsweise gerne gefragt, welche Argumente denn ausschlaggebend dafür waren, die Ironman-Veranstaltung nach Regensburg zu holen, und ob es dafür auch irgendwelche nachprüfbare Daten bzw. Grundlagen gegeben hat. Sprich: Wie kommen die städtischen Verwalter der knappen Steuergelder darauf, dass ein solch teures Event unter dem Strich für die Bürger rechnet?
Immerhin haben die Stadtratsfraktionen von CSU und SPD bei der nicht-öffentlichen Abstimmung am 28. Januar geschlossen dafür gestimmt, das Treffen der Eisenmänner ab 2010 für fünf Jahre in der Weltkulturerbestadt stattfinden zu lassen. Dafür stimmte übrigens auch der überwiegende Rest der Ratsherren und -damen; lediglich die dreiköpfige ÖDP-Fraktion war dagegen, der privaten Xdream Sports & Events GmbH aus Hanau-Steinheim eine rechtsverbindliche Zusage über 1,5 Millionen Euro zu machen (250.000 Euro jährlich über fünf Jahre, zuzüglich einer Ausfallgarantie von 50.000 Euro, falls ein bestimmtes Teilnehmerlimit nicht erreicht wird).
O-Ton MZ: „[Diese Garantiesumme] wird fällig, wenn weniger als 1500 Teilnehmer […] antreten. Dann könnten die Veranstalter nach eigenen Angabe nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und fordern deswegen eine Garantieleistung der Stadt.“ Von Stadtseite her ist man tunlichst darauf bedacht, möglichst oft Wörter wie „Verrechnungsposten“, „Naturalien“ und „Aufwandsentschädigung“ fallen zu lassen. Man schenke natürlich kein Bargeld her. Im Endeffekt ist es allerdings irrelevant, wie man’s nennt – vom Ergebnis her hat die Stadt hinterher entsprechend weniger Geld im Säckel.
Kurz gesagt: Die Stadt Regensburg garantiert dem Xdream-Geschäftsführer Kai Walter „Sachleistungen“ im Wert von bis zu 300.000 Euro pro Jahr, damit dieser sein Sportevent „Ironman“ veranstalten und einen Gewinn damit erwirtschaften kann. Im Gegenzug darf die Stadt Regensburg mit der Marke „Ironman“ Werbung machen und erhofft sich einen touristischen Image- und Bekanntheitsgewinn.
Da fragt man sich: Würde Heidelberg in den USA oder Japan noch bekannter werden, wenn dort ein Ironman stattfinden würde? Wohl eher nicht. Wieso sollte es mit Regensburg anders sein? Und: Ist es legitim, für einen möglichen und dazu nicht-messbaren PR-Effekt so viel Geld auszugeben?
Bizarre Milchmädchenrechnungen
Beinahe schon bizarr wirken die wirtschaftlichen Überlegungen der Stadtspitze. Als oft gehörtes Totschlagargument – neben der erhofften PR-Außenwirkung – wurde nämlich immer wieder die „Förderung der heimischen Wirtschaft“ durch das Ironman-Event genannt. Tatsächlich? Ist es aus Bürgersicht wirklich zu rechtfertigen, die Ironman-Veranstaltung und damit Walters Xdream-GmbH mit hunderttausenden an Gemeindemitteln (also letztlich Steuergeldern) zu unterstützen, weil der „wirtschaftliche Wertschöpfungsfaktor“ so hoch sei?
Veranstalter Kai Walter präsentierte den Regensburger Stadträten im Januar kurz vor dem Vertragsabschluss eine beeindruckende „Zahlen & Fakten“-Auflistung im Powerpoint-Format. Darauf hatte er am Beispiel des letztjährigen Frankfurter Ironmans eine Reihe von Argumenten aufgelistet, die aus seiner Sicht dafür sprächen, den Ironman ab 2010 in der Oberpfalz stattfinden zu lassen. Mit Erfolg. Die Räte waren beeindruckt, der Vertrag wurde abgenickt.
Als Nicht-Stadtrat liest man liest diese „Zahlen & Fakten“ jedoch mit Verwunderung. So etwa habe der Ironman Frankfurt „in der Eventwoche 18,7 Mio. Euro für die Region erwirtschaftet“. Jeder Athlet habe im Schnitt „in der Wettkampfwoche 500 Euro Gesamtausgaben“ in Frankfurt gelassen, dazu jede Begleitperson weitere „400 Euro“. Behauptet jedenfalls Veranstalter Walter.
450 Euro für zwei Nächte im Campingbus?
Da stellt sich die Frage: Gibt jedes startende Ironman-Pärchen tatsächlich im Schnitt 900 Euro aus? Selbst im Viersternehotel und bei Kaviar und Sekt dürfte das wohl schwierig werden. Ein Bekannter des Verfassers dieser Zeilen, der 47jährige Peter G. (Name aus Datenschutzgründen geändert) aus der Nähe von Tübingen, wird am Sonntag in Regensburg starten. G. hat schon an mehreren Ironmans teilgenommen. Seine Frau (alias „Begleitperson“) erzählt: „Normalerweise übernachten wir bei so einem Rennen zweimal im Campingbus, und unsere Verpflegung bringen wir größtenteils selber mit. Dieses Mal nächtigen wir zwar ausnahmsweise im Hotel, weil wir die Kinder mitbringen – doch das ist eine absolute Ausnahme.“
So ist es – beim Ironman Frankfurt etwa übernachteten 2009 viele hundert der startenden Athleten in Wohnmobil oder Zelt kostenlos auf dem Rebstockgelände nahe der Frankfurter Messe. Da stellt sich die Frage, wofür die alle 450 Euro pro Nase ausgegeben haben sollen. Dass, wie Ironman-Veranstalter Walter ferner behauptet, die Teilnehmer „in der Regel vier bis fünf Tage am Veranstaltungsort bleiben“, ist ebenfalls ins Reich der Legende zu verweisen. Das trifft höchstens auf wenige dutzend Teilnehmer zu.
Betrachtet man zudem die Starterliste für den 1. August, so wirkt das „internationale“ Event in Regensburg irgendwie auch recht regional: Gut, es sind viele Ausländer dabei, einige gar aus Übersee – andererseits aber auch jede Menge Starter aus Vereinen wie Laface-Team Weiden, Tristar Regensburg, DJK Beucherling, SV Donaustauf, LLC Marathon Regensburg, ATSV Kallmünz, und so weiter. Ob sich die wohl alle als inoffizielle PR-Mitarbeiter fürs Weltkulturerbe eignen? Und ob die alle tagelang in Regensburger Hotels logieren und dabei je 450 Euro in der Stadt lassen?
Zwei Tage vor dem Ironman sind noch Altstadtzimmer frei
Dass „alle Hotels in Regensburg ausgebucht“ seien, wie ein Sportamt-Mitarbeiter dem Schreiber dieser Zeilen glauben machen wollte, ist definitiv falsch. Ein Anruf am Freitag bei der Touristeninfo im alten Rathaus ergab, dass durchaus noch Zimmer – auch in Altstadthotels – noch frei seien. Zudem sei es nicht ungewöhnlich, dass die Regensburger Hotels während der sommerlichen Hochsaison am Wochenende ausgebucht seien. Fazit: Am ersten Augustwochenende liegen zwar vielleicht mehr Triathleten in den insgesamt 5.000 Hotelbetten der Donaustadt, dafür aber halt weniger „normale“ Touristen. Unter dem Strich ist der Effekt marginal.
Bleibt die Frage: Muss man – Sportförderung hin oder her – für ein Event wie den Ironman wirklich eine Viertelmillion der knappen Steuermittel verschwenden? Regensburg ist derzeit mit 270 Millionen Euro verschuldet – und von Schuldenabbau ist nicht die Rede.
Die finanzielle Lage ist prekär: Die städtischen Museen kürzen ihre Öffnungszeiten wegen Personalmangels, so manches öffentliche Bauprojekt (etwa der Bau der BOS) wird verschoben, und selbst frei werdende Stellen in der Stadtverwaltung werden ein halbes Jahr lang nicht neu besetzt.
Wieso eigentlich fördert die Gemeinde statt eines Geld-verschlingenden Ironmans nicht besser längst bestehende Sportveranstaltungen wie den Regensburger Stadtmarathon oder den Arber-Radmarathon und spart sich auch noch Geld dabei? Diese Frage haben wir verschiedenen Regensburgern gestellt.