Seit 38 Jahren auf der Dult, jetzt plötzlich nicht mehr attraktiv, befindet die Stadt: das Kinder-Taxi. Foto: privat
Für die Regensburger gehörte es zur Dult wie Steckerlfisch, Auto-Scooter und Riesenrad: Das Kinderkarussell von Angelika Fieseler. Über Jahrzehnte war das „Kinder-Taxi” beliebter Anlaufpunkt für Familien mit Kleinkindern, ein gut gepflegter Klassiker, der den Kindern Freude und der Schaustellerin gute Umsätze bescherte. Eltern brachten ihre Söhne und Töchter zu dem Fahrgeschäft, auf dem sie selbst schon ihre Runden gedreht hatten. Die Stadt hatte an dem Karrussell nie etwas zu beanstanden. 38 Jahre lang stand es auf der Dult, seit 17 Jahren unter Fieselers Regie. Der „Platzverweis”, wie ihn die Schaustellerin nennt, erfolgte – ohne vorherige Andeutung – wenige Wochen vor der Maidult 2009.
Bei den Dult-Verantwortlichen auf der Abschussliste? Angelika Fieseler. Foto: as
In einem formlosen Bescheid wurde Fieseler Ende Januar 2009 mitgeteilt, dass sie bei der Mai- und Herbstdult nicht mehr anzureisen bräuchte. „Ich musste von heute auf morgen weg bleiben.” Die Begründung für die Ablehnung: ihr Karussell sei nicht mehr attraktiv genug.
Attraktivität – das ist offenbar eines der wesentlichen Zulassungskriterien, die sich die Stadt selbst in ihren „Zulassungsbedingungen für den Regensburger Christkindlmarkt und die Regensburger Mai- und Herbstpult” gegeben hat. Attraktivität – das ist ein schwammiger Begriff, weit offen für subjektive Auslegung. Und es ist ein Kriterium, das es offenbar so gut wie unmöglich macht, sich juristisch gegen eine Ablehnung zu wehren. Ein Kriterium, das der Willkür Tür und Tor öffnet.
Mit ihrem Versuch, den ablehnenden Bescheid anzufechten und feststellen zu lassen, dass dieser rechtswidrig war, scheiterte Angelika Fieseler am Donnerstag vor dem Regensburger Verwaltungsgericht. Ihre Klage wurde abgewiesen. Letztlich habe die Stadt das Recht, selbst zu definieren, welches Fahrgeschäft attraktiv sei und welches nicht, so die Begründung des Gerichts. Die kurzfristige Absage sei „zeitlich angemessen, auch wenn sich das möglicherweise besser gestalten lässt”, so der Vorsitzende Richter Dr. Josef Lohner.
Der Attraktivitätsbeirat – wenn man so will – sitzt im städtischen Rechts- und Umweltreferat. Dort war seinerzeit Verwaltungsdirektorin Dr. Regina Elsner dafür zuständig, dass bei der Vergabe der Standplätze für die Fahrgeschäfte alles mit rechten Dingen zugeht. Und ihre Begründungen, die sie am Donnerstag für die Ablehnung ausführte, sind erstaunlich.
“Ein Gespür für den Platz”: Marktmeister Reinhard Kellner. Foto: Staudinger
Die Stadt führe die mangelnde Attraktivität auf „eigene Beobachtungen” zurück. „Marktmeister” Reinhard Kellner sei immer auf der Dult unterwegs, er habe „ein Gespür für den Platz” und er habe festgestellt, dass die Besucher bei Fieselers Karussell „überschaubar” gewesen seien. Am Rande: Gegenüber dem Schaustellerverband hatte Fieseler zufolge just jener Marktmeister angegeben, dass Verwaltungsdirektorin Elsner die Entscheidung für ihre Verbannung getroffen habe. Sei es wie es will: Bei Fieselers Karussell sollen es zu wenig Besucher sein, andere Fahrgeschäfte scheinen dagegen wie geschmiert zu laufen.
Großer Andrang und viele Begehrlichkeiten: die Regensburger Dulten. Foto: Staudinger
Am Donnerstag spekulierte Dr. Elsner nach Gründen für die vermeintlich gesunkene Attraktivität. „Kinder reagieren als erstes auf Licht.” Davon finde man an Fieselers Karussell zu wenig. „Deshalb wurde es auch nicht mehr so angenommen.” Das Karussell einer anderen Firma, von dem die Stadt auch ein Foto bei Gericht vorlegte, sei dagegen besser beleuchtet, „weit attraktiver” und „ein wirklicher Klassiker”, geriet Elsner ins Schwärmen. „Das stelle ich mir unter einem traditionellem Kinderkarussell vor.” Dumm nur: Diese Firma hatte sich mit ihrem Karussell bei der fraglichen Dult überhaupt nicht beworben – auch wenn die Stadt zunächst das Gegenteil behauptete. Erst auf Nachfrage räumte Dr. Elsner ein, dass da ein „interner Fehler” passiert sei, den man erst später festgestellt habe. Kurzfristig wurde deshalb dem Fahrgeschäft „Samba Balluna” ein Platz bei der Dult eingeräumt. Das ist zwar kein Kinderkarussell, aber eben „attraktiver” als das Kinder-Taxi, glaubt die Verwaltungsdirektorin.
Rechtlich ist das alles nicht zu beanstanden. Die Auswahl der Fahrgeschäfte treffe die Stadt anhand selbst gegebener Kriterien, wie eben der Attraktivität. „Nur wenn feststeht, dass diese Kriterien nicht eingehalten werden, wäre die Entscheidung zu beanstanden”, so Richter Lohner. Und aus welchen Gründen ein Fahrgeschäft nun attraktiv ist – blinkende Lichter, bunt kariert oder vom Schausteller mit sonstigen Zuckerln versehen – ist eine subjektive Entscheidung der Verantwortlichen im Rechts- und Umweltreferat.
Dr. Wolfgang Schörnig, Gatte und Vorgesetzter von Verwaltungsdirektorin Elsner, hatte Fieseler in einem Telefonat geraten, sich doch einfach bei der nächsten Dult einfach wieder zu bewerben. Die Absage dafür lag schon vor Monaten im Briefkasten. Klagende Schausteller sind schließlich keinesfalls attraktiv.