Dr. Marcus Junkelmann weiß, wovon er spricht, wenn es um Napoleon geht. Nicht umsonst ist der Historiker deshalb mit Kulturreferent Klemens Unger wegen dessen „Geschichtsklitterung” in Stadtamhof im Clinch. Vielleicht war das mit ein Grund dafür, dass Junkelmanns Vortrag am Dienstag äußerst gut besucht war. Mit all zu scharfer Kritik am Kulturreferenten hält er sich heute aber zurück.
„Die Uniformen waren eher nach der neuesten Mode, als praktisch geschneidert. Genau wie der extrem hohe Helm.“ Marcus Junkelmann ist ganz in seinem Element. Wild gestikuliert er mit seinen großen Händen und beschreibt den etwa 60 Anwesenden im Vitus-Hörsaal die Ausstattung eines französischen Infanteristen um 1809. Zur Seite steht ihm dabei Georg Schindlbeck, der Ortsheimpfleger von Schierling. „Rechts um!“ Marcus Junkelmann brüllt wie ein echter Offizier und Infanterist Schindlbeck schwenkt mitsamt Marschgepäck und Flinte um 180 Grad herum. Das Gewehr reicht mit aufgepflanztem Bajonett fast bis zur Decke und beinahe wird eine Lampe zum ersten Opfer dieses Vortrags.
Eine Papierpatrone wird aufgerissen, etwas Zündpulver bröselt auf den Boden. Die so befreite Kugel wird im Saal herumgereicht. „25 Gramm Gewicht hat so ein Bleigeschoss. Auf 70 Meter haben die Austrittslöcher etwa sechs Zentimeter Umfang.“ Nach der Parade im Kleinformat, folgt eine Diashow mit historischem Vortrag. Mit penibler Genauigkeit erklärt Junkelmann die Ursachen und den Verlauf des fünften Koalitionskrieges 1809. Was viele nicht wissen: Durch die Umstrukturierung Deutschlands unter Napoleon – den „Reichsdeputationshauptschluss“ 1803 – wurde Regensburg zum eigenständigen Fürstentum.
Wie kam es zum Kriegsausbruch? Napoleon hatte 1806 Preußen besiegt und ein Großteil seiner Armee hielt das heutige Deutschland und Österreich besetzt. Die Bevölkerung empfand die Anwesenheit der französischen Soldaten als eine Erniedrigung. Als Napoleon 1809 nach Spanien abrückte, um Aufstände niederzuschlagen, sah Österreich seine Chance gekommen: Es machte mobil. Im darauf folgenden Krieg war Regensburg mehrfach Schauplatz von Kämpfen zwischen Franzosen und Österreichern. Napoleon erlitt hier seine einzige Kriegsverletzung: Ein Prellschuss ließ seinen rechten Fuß erheblich anschwellen, er musste ärztlich versorgt werden.
Auch aktuelle Politik schmückt den Vortrag. Wie berichtet, hat sich Junkelman vor einem Jahr mit dem Kulturreferenten Klemens Unger angelegt. Dieser hatte eine Inschrift am Pylonentor in Stadtamhof anbringen lassen: „1809 Schreckenstage durch Napoleon – zum Gedenken an die Opfer”. Dumm nur, dass die Österreicher die Stadt in Brand geschossen haben und sich die zivilen Opfer von Regensburg auf einen Bürger beschränken, der wahrscheinlich von einem österreichischen Querschläger getroffen wurde. „Manischen Franzosenhass” hat Junkelmann Unger deshalb vorgehalten. Heute Abend zeigt sich der Historiker versöhnlich: „Dass Napoleon den Österreichern vorgeworfen hat, sie besaßen die ‘Barbarei Regensburg zu verteidigen’ ist natürlich auch eine sehr einseitige Auffassung der Tatsachen, die so auch nicht stimmt.” Einseitige Schuldzuweisungen seien Unsinn, das Gedenken an die Opfer wichtig, „egal von welcher Seite”. Fast unangenehm berührt wirkt er, als er das sagt. Politisch zu polarisieren liegt ihm offensichtlich nicht.
Nach dem dreistündigen Vortrag verlassen die Zuhörer den kleinen Saal. Die beiden Referenten blieben noch und beantworten Fragen. War Napoleon nun wirklich so ein großer Stratege oder hatte er einfach nur einen leichten Gegner und etwas Glück? „Ob er der größte Feldherr aller Zeiten war, vermag ich ihnen nicht zu sagen“, meint Junkelmann. „Aber so viel schon: Er war ein durchaus fähiger Mann.“