Sich wegrichten, zuschütten, Komasaufen: Die Zahl der Jugendlichen, die diesem „Hobby” frönen nimmt seit Jahren zu, so die Erfahrung von Jugendamtsleiter Günter Tischler. Harter Alkohol ist dabei die bevorzugte Methode, um schon vorm Weggehen entsprechend „vorzuglühen”. Den Stoff bekommen die Jugendlichen entweder von Freunden, die schon über 18 sind oder – in einigen Regensburger Geschäften – problemlos über die Ladentheke. Neben Aufklärungskampagnen, einer seit zwei Jahren gültigen Selbstverpflichtung der Regensburger Gastronomie und Jugendschutzkontrollen in Kneipen und Discos will die Stadt Regensburg deshalb ab sofort auch jugendliche Testkäufer einsetzen, um des Problems herr zu werden. Freiwillige im Alter zwischen 16 und 18 Jahren wird die Jugendschutzstelle dafür unter den Azubis bei der Stadt Regensburg rekrutieren. Damit folgt man einer Empfehlung der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU).
„Wir haben sehr viele Hinweise aus der Bevölkerung über Läden, die harten Alkohol an Jugendliche abgeben”, so Stefan Adler von der Jugendschutzstelle (Foto). Aber: „Wenn wir dort kontrollieren, passiert natürlich nichts”. Eine effektive Kontrolle beim Einzelhandel sei – im Gegensatz zur Gastronomie – nicht machbar. Die eingesetzten Testkäufer sollen nun „punktuell die Hemmschwelle erhöhen”, um Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz zu verringern.
Bereits seit drei Jahren wird bundesweit kontrovers über den Einsatz von Minderjährigen als Testkäufer diskutiert. 2007 startete die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine entsprechende Initiative, die unter dem wenig schmeichelhaften Stichwort „Kinderspitzel-Vorstoß” bekannt wurde. Nach erheblichen Widerspruch – auch aus den eigenen Reihen – ruderte von der Leyen zurück. Es obliegt damit den Bundesländern, ob sie dieses Mittel zulassen oder nicht. Bayern hat das kürzlich möglich gemacht. In Regensburg wird das denn auch „ab sofort” umgesetzt.
„Es wird keine flächendeckenden Testkäufe geben”, verspricht Sozialbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD, Foto), „aber, wo wir ernsthafte Hinweise erhalten, dass sich jemand nicht um das Jugendschutzgesetz schert, werden wir auch zum Mittel von Testkäufen durch Jugendliche greifen.” Den ertappten Einzelhändlern drohen Bußgelder im vierstelligen Bereich.
Beim Deutschen Kinderschutzbund kennt man diese Argumentation. Dort lehnt man den Einsatz von jugendlichen Testkäufern konsequent ab. Die Stellen, an denen verbotenerweise Alkohol an Minderjährige verkauft werde, seien den Kommunen größtenteils bekannt, heißt es in einer entsprechenden Stellungnahme. „Dort können auch gezielte und regelmäßige Kontrollen durch die Ordnungsbehörden durchgeführt werden.”
Der Landesvorsitzende Ekkehard Mutschler sieht im Einsatz von Jugendlichen eine „Schwachheit der Politik”. Minderjährige würden als „kostengünstige Lockvögel” missbraucht für eine Aufgabe, die „Sache der Ordnungsbehörden” sei. „Aber deren Einsatz ist natürlich teurer”, ergänzt Mutschler gegenüber regensburg-digital.de. Mit der Würde von Minderjährigen sei das nicht vereinbar. Generell sieht Mutschler das Problem woanders: „Jugendliche, die Alkohol wollen, besorgen sich ihren Stoff. Den holt dann eben der 18jährige Freund.”
Im Landkreis Regensburg sieht man dieses Problem ähnlich. „Vor allem an Tankstellen besorgen Ältere den Alkohol für ihre minderjährigen Freunde”, so Kreisjugendamtsleiter Karl Mooser. Er setzt auf verstärkte Aufklärung. Der Einsatz von jugendlichen Testkäufern ist im Landkreis derzeit nicht geplant. Das löse das Hauptproblem mit den Älteren nicht, so Mooser. Zudem sei der Einsatz von Jugendlichen „nicht unproblematisch”.
Bei der Jugendschutzstelle in Regensburg ist die Haltung des Kinderschutzbundes und anderer Kritiker bekannt. „Ich kenne diese Debatte, aber die Praktiker im Jugendschutz sprechen sich mehrheitlich für Testkäufer aus”, so Wolbergs. Dieser Ansicht ist auch Jugendamtsleiter Tischler (Foto), der in den Azubis für den öffentlichen Dienst die „ideale Zielgruppe” zum Einsatz als Testkäufer sieht. Zudem würden die Testkäufe in Begleitung von Mitarbeitern der Jugendschutzstelle durchgeführt. Die Minderjährigen würden geschult und betreut.
Den Älteren, die den Alkohol für ihre minderjährigen Freunde besorgen, will die Stadt übrigens mit einer Aufklärungs- und Plakataktion begegnen. Ihnen drohen bis zu 500 Euro Bußgeld.