„Wenn Sie sich so ignorant hinstellen und immer sagen: ‘Das machen wir nicht’ ist das eine Form der Eskalation.” Nur wenige Male wird der Ärger über den Auftritt von Hochschulpräsident Josef Eckstein so deutlich geäußert wie kurz vor 17 Uhr. 90 Minuten – so viel Zeit hat die Hochschulleitung der FH Regensburg den Besetzern im Hörsaal S051 eingeräumt, um am Mittwoch mit ihnen zu diskutieren.
Dass er die versammelten Studis – der Hörsaal ist gut gefüllt – im Grunde nicht ernst nimmt, macht Eckstein dabei mehrfach deutlich. Verhandlungspartner sei für ihn ausschließlich der Sprecherrat, erklärt er immer wieder. Dieses studentische Gremium (das de facto keine tatsächlichen Mitsprachrechte an der Hochschule besitzt) sei von den Studierenden gewählt und so funktioniere Demokratie nun mal, lässt der die Anwesenden wissen. Diese Haltung hat freilich einen weiteren Hintergrund: Eine (weitgehend von der Hochschulleitung verfasste) Presseerklärung über vermeintliche „Zugeständnisse”, die kaum Kokretes beinhalten, hat der Sprecherrat vergangene Woche mitgetragen. Im Gegensatz zum Plenum, das heute von der Hochschulleitung abgewatscht wird.
Als etwa über die Forderung nach einer Offenlegung des Hochschulhaushalts diskutiert wird, erklärt Eckstein nach einigen Ausweichmanövern: „Wem soll ich den Haushalt vorlegen? Einer zufälligen Gruppe von Studenten, die sich irgendwo treffen und mich hierher einladen?” Dann lehnt er sich zurück und grinst.
„Studenten sind mündige Teilnehmer am Hochschul- und Bildungsleben und sollen auch als solche anerkannt werden und in Entscheidungsprozessen angemessen partizipieren können. Daher fordert das Plenum der besetzten Hochschule Regensburg die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft mit Satzungsautonomie, Beitragshoheit und politischem Mandat.” Aus dem Forderungskatalog des Plenums
Bei den wesentlichen Forderungen des Plenums – den vorgelegten Katalog blättern Eckstein und Kollegen pflichtschuldig durch, um ihn dann beiseite zu legen – kommt die Hochschulleitung den Studierenden in keinem einzigen Punkt entgegen.
Die Staatsregierung auffordern, Studiengebühren abschaffen? „Das unterstützen wir nicht, weil diese Beiträge notwendig sind. Es ist müsig, weiter darüber zu diskutieren.”
Die Gebühren an der Hochschule auf die Mindesthöhe von hundert statt 500 Euro senken? „Das ist nicht diskutabel. Das deckt kaum die Verwaltungskosten.”
Druck auf die Staatsregierung ausüben, um höhere Ausgaben im Bildungsbereich zu forcieren? „Seehofer hat erklärt, das macht er nicht. Also bringt das nichts.”
Ecksteins Kollege Professor Holger Haldenwang bestreitet abschließend, dass Studiengebühren eine soziale Selektion fördern würden, außerdem müssten andere für ihre Weiterbildung weit mehr bezahlen als die Studenten.
„Das Bildungssystem in derzeitig bestehender Form fördert die soziale Selektion und verstößt gegen Art. 26 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Bildung muss unmittelbar für jeden dauerhaft frei zugänglich sein.” Aus dem Forderungskatalog des Plenums
Ähnlich stellt sich das Bild bei den Forderungen nach einer freieren Gestaltung des Studiums dar. Abschaffung der Präsenzpflicht, mehr Wahlmöglichkeiten während des Studiums, eine freiere Zeitgestaltung bei der Abgabe von Hausarbeiten – mehr Eigenverantwortung für die Studierenden: Das alles senke die „Qualität” des Studiums, befindet Professor Wolfgang Bock. „Sie bekommen später keine Stelle oder ein niedriges Gehalt.” Ausschließlich daran – am Arbeitsmarkt – orientiert sich die Argumentation des Professoren-Quartetts. Das Wort „Bildung” fällt kein einziges Mal.
Dafür ist viel von Verantwortung die Rede. Nicht von der (Eigen)verantwortung der Studierenden, sondern der Hochschulleitung.
„Wir haben die Verantwortung dafür, dass Sie unsere Hochschule mit einem bestimmten Profil verlassen”, erklärt Eckstein. „Wir haben die Verantwortung dafür, dass Sie später auf dem Arbeitsmarkt unterkommen.” Regelmäßig sei man mit „unseren Partnern in der Industrie” in Kontakt, auch um zu verhindern, dass die Bachelor-Studiengänge „schlecht geredet” würden. Eckstein bescheinigt dem Bachelor-Abschluss denselben Wert wie dem Diplom. Darauf angesprochen, dass die bayerische Architektenkammer kürzlich erklärt hat, sie könne Absolventen mit Bachelor-Abschluss nicht brauchen, erklärt er dieses Studium kurzerhand zum „Sonderfall”.
„Die Hochschule nach dem humboldtschen humanistischen Bildungsideal wird zurückgedrängt. Die Wirtschaft macht in unberechtigtem Maße ihren Einfluss im Bildungsbereich geltend. Eine stetige Ökonomisierung der Bildung ist zu beobachten.” Aus dem Forderungskatalog des Plenums
So vergeht die Zeit, die 90 Minuten sind um. Großzügig gewährt Eckstein dem Plenum noch zehn Minuten Zugabe, um ihren Forderungskatalog bis zum Ende vorzutragen.
„Abschließend fordert das Plenum der besetzten Hochschule Regensburg die Hochschulleitung und insbesondere Präsident Prof. Dr. Josef Eckstein dazu auf, aktiv und öffentlichkeitswirksam alle Forderungen zu unterstützen”, heißt es unter anderem.
Eckstein kommentiert diesen Schlusssatz nicht, macht den Besetzern aber eine deutliche Ansage:
Er sei hier der „Hausherr” und habe die – drei Wochen währende – Besetzung bislang geduldet. „Das muss aber jetzt in absehbarer Zeit ein Ende haben. Es gibt einen Punkt, ab dem ich das nicht mehr hinnehmen werde.” Es gehe aber nicht darum, etwas anzudrohen. Trotz dieser beschwichtigenden Formel klingt das nach Eskalation.