Der Mann vom Staatsschutz drückt sich schon eine Weile vor dem H2 herum. Er scheint sich zu langweilen. Tag sechs der Studentenproteste an der Universität Regensburg. In wenigen Minuten beginnt das Abendplenum. Langsam füllt sich der besetzte Hörsaal. Regensburg ist nur eine von weit über 50 Universitäten bundesweit, an denen es Proteste gibt. Und im Gegensatz zu anderen Unis – wie Köln – droht bislang noch keine Räumung durch die Polizei. „Die Verwaltung hat aber schon angefragt, wie lange es denn noch dauern soll”, erzählt eine Studentin von der „AG Recht”. Bislang aber scheint ein Ende der Proteste noch nicht absehbar. Das zentrale Hörsaalgebäude hängt voller Transparente, es herrscht reges Treiben. Plakate und T-Shirts werden bemalt und bedruckt, Solidaritätserklärungen mit den Besetzungen in Frankreich zieren in verschiedenen Sprachen die Stellwände, eine Abordnung der „AG Volksküche” schleppt einige Stapel Pizza-Kartons in den Hörsaal. Fütterungszeit.
Täglich werden Semmeln, Obst und Gemüse angeliefert, mit dem verschiedene Regensburger Geschäftsleute die Proteste der Studierenden unterstützen. Matratzen, Geschirr und Decken wurden ebenfalls gespendet. „Rund 70 Leute übernachten kontinuierlich an der Uni”, erfährt man von der „AG Presse”. Einen Streik gibt es übrigens nicht. „Der Druck ist zu groß. Fast alle besuchen ihre Lehrveranstaltungen und wechseln sich bei der Besetzung ab”, erzählt ein Mitglied der „AG Protestausweitung”.
Heute hat die IG Metall mehrere hundert Pizzen gestiftet. Ein Zuckerl zu der Solidaritätserklärung, die Vorstandsmitglied Gerhard Pirner schließlich vor dem gut gefüllten H2 abgibt. Er beschwört den Schulterschluss „zwischen Arbeitern, Angestellten und Studierenden”.
Solidarität. Ein Wort, das heute öfter fällt. Dem Gewerkschaftler folgt – unter donnerndem Applaus – eine Abordnung der FOS/BOS. Schülersprecher Daniel Gilch verliest eine Erklärung, die von über 600 Schülern und einem Teil des Kollegiums unterzeichnet wurde. Auch sie solidarisieren sich mit den Protesten. Für Mittwoch, 14 Uhr, rufen Schülerinnen und Studierende zu einer gemeinsamen Demo auf dem Domplatz auf. „Kostenlose Bildung für alle” heißt es auf den Flugblättern, eine Ende des Einflusses der Wirtschaft auf Schulen und Hochschulen wird gefordert.
Apropos FOS/BOS: Auch in der SPD wächst der Widerstand gegen die Verschiebung eines Schulneubaus ins Jahr 2013 und damit wohl gegen die Linie der Stadtratsfraktion. Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) hat heute anlässlich ihrer jährlichen Mitgliederversammlung einstimmig den „sofortigem Baubeginn eines angemessenen gemeinsamen Schulgebäudes” gefordert. „Die momentane Politik des Achselzuckens („wir haben kein Geld”) demotiviert Schüler und Lehrer, welche zu Recht das Hin und Her der Regensburger Stadtpolitiker als Hinhaltetaktik benennen”, heißt es in einer heute verschickten Presseerklärung. Ausdrücklich ruft die AfA ebenfalls zu der Mittwochsdemonstration auf.
Zurück zum Überregionalen: Im H2 feilen die Studis – wie jeden Tag – mehrere Stunden an ihrem Forderungskatalog. Erfahrungen mit dem Bachelor-Studium werden dabei ausgetauscht, das von einem Teilnehmer im Plenum als „rein auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit ausgerichtet” kritisiert wird. Immer wieder klingt durch: Studium soll mehr als Ausbildung sein. Das klingt fast schon nach Humboldt.
Die Politik reagiert auf die Proteste bislang mit eher vagen Zugeständnissen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan zeigt Verständnis und verspricht Bafög-Erhöhungen, ein paar Silberlinge. Die Hochschulrektoren loben die Proteste, zeigen Verständnis, ohne konkrete Zusagen zu geben. Der Regensburger Unirektor Professor Thomas Strothotte, bislang ein vehementer Verfechter von Studiengebühren, stimmte im direkten Gespräch mit den Studierenden just deren Abschaffung zu und relativierte im Anschluss diese Aussage gegenüber verschiedenen Medien. Er ist nur ein Beispiel von vielen. Diverse Aussagen der Hochulrektorenkonferenz sind durch einen solchen Schlingerkurs gekennzeichnet. Nicht ohne Folgen.
In Leipzig haben Studierende heute den Kuschelkurs mal eben aufgegeben und mehrere Stunden das Rektorat der Uni besetzt, wo die Hochschulrektorenkoferenz (HRK) tagte. Die HRK sei keine Stimme der Hochschulen, erklärten die Besetzer. Sie fordern konkrete Zusagen. Ob es die gibt, bleibt abzuwarten. Im Moment scheinen sowohl Politik wie auch Rektoren auf das Ende der Proteste mit der Weihnachtspause zu hoffen.
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