Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Archiv für 14. November 2009

demo1Die Staatsgewalt gibt sich moderat. Eher geringe Polizeipräsenz, einige Beamte in Zivil, die sich unter die Demonstranten mischen, keine Festnahmen und keinerlei Erwähnung der vereinzelten polizeifeindlichen Parolen im Polizeibericht. Noch zwei Tage zuvor wurde ein Aktivist, der Flyer für die Demonstration verteilte, von der Polizei angezeigt. Die Flyer wurden konfisziert. Tags darauf muss man aber zurückrudern: Der junge Mann hat sich mit dem Verteilen der Aufrufe nichts zuschulden kommen lassen. So oder so: Am Samstag sendet eine beachtliche Anzahl von Regensburgern ein deutliches Signal des Misstrauens an die Staatsorgane. Rund 500 Menschen demonstrieren friedlich dafür, dass die tödlichen Schüsse auf Tennessee Eisenberg nun durch ein Gericht aufgeklärt werden. Am Justizgebäude in der Augustenstraße wird symbolisch ein offener Brief an Justizministerin Beate Merk eingeworfen. Darin ist das zweifelhafte Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt ausführlich dargestellt, verbunden mit der Aufforderung, einen Richter mit der weiteren Aufklärung zu betrauen. „Die Beweise liegen auf dem Tisch”, heißt es in dem Demoaufruf. Verteilt werden darf der Brief am Samstag nicht: Die Polizei moniert das fehlende Impressum. Vor sechs Monaten wurde der 24jährige Student mit zwölf Kugeln erschossen. Seitdem ziehen sich die Ermittlungen hin. Die Arbeit der Behörden erscheint dabei in einem zunehmend fragwürdigen Licht. Spätestens nach dem Gutachten des Rechtsmediziners Dr. Bernd Karger kann sich für die behördlich ausgegebene Notwehr-These niemand mehr erwärmen. „Hätte die Familie dafür nicht das Geld aufgebracht, wären die Ermittlungen längst eingestellt und es hieße: das war Notwehr”, lautet das Urteil von Bastian Schindler. „Gerechtigkeit wird damit zur Holschuld”, kritisiert der 33jährige Unternehmer. Schindler gehört zu der Bürgerinitiative „12 Kugeln 12 Fragen”, von der die Demonstration organisiert wurde. Er ist nicht der Einzige, der mit Engagement und Spenden Eisenbergs Familie unter die Arme greift. „Es geht längst nicht mehr nur um den Einzelfall Tennessee Eisenberg, sondern um den den Rechtsstaat an sich”, beschreibt Schindler seine Motivation. Diesen Rechtsstaat müsse man sich, das zeige dieser Fall, „täglich neu erkämpfen”. richter-her500 – vor allem junge – Menschen schließen sich am Samstag dieser Auffassung an. „Die Polizei ist zu wichtig, um sie nur der Polizei zu überlassen”, steht auf den Transparenten. „Wir wollen Aufklärung”, wird immer wieder skandiert. „Keine Scheinermittlung mehr! Richter her!”, steht auf dem Transparent, das vor dem Landgericht entrollt wird. Die Kundgebung ist nur kurz. Die Straße bleibt dennoch bis 16.15 Uhr dicht.Symbolische Geste: Vor dem Eingang des Justizgebaudes werden Kerzen für Tennessee Eisenberg aufgestellt. Fotos: AignerDer Regensburger Staatsanwaltschaft und dem ermittelnden Landeskriminalamt traut hier keiner mehr. Viel zu früh hat der Leitende Oberstaatsanwalt von „Notwehr” gesprochen. Viel zu lückenhaft ist das LKA-Gutachten zu dem Vorfall. Allein, dass der Gutachter Eisenbergs Leiche nicht einmal auf Pfefferspray oder Schlagstockeinsatz untersucht hat spricht Bände. Dass das Landeskriminalamt (LKA) Blutspritzer ignoriert hat, anhand derer Bernd Karger die Position des Schützen, der tödlichen Schüsse abgab, rekonstruiert hat, ist Schlamperei – im günstigsten Fall. Die Reaktion des LKA nach Bekanntwerden der Blutspritzer („beim Abtransport entstanden”), bestätigt aber eher den Verdacht, den viele hegen: Hier soll etwas vertuscht werden. Hier decken sich die Staatsorgane gegenseitig. Seit Freitag liegt der Regensburger Staatsanwaltschaft nun eine erneute Stellungnahme von Karger vor. Wann sich Günther Ruckdäschel dazu äußert, bleibt abzuwarten. Seine Glaubwürdigkeit ist so oder so dahin. watch1„Es wurde parteiisch ermittelt, der Gutachter des Landeskriminalamts hat eine hanebüchene Arbeit abgeliefert und die Ermittlungen werden permanent verzögert”, fasst Schindler zusammen. Dass Justizministerin Beate Merk es bereits im Vorfeld der Demo abgelehnt hat, sich in das Verfahren einzumischen, ficht Schindler nicht an. „Frau Merk sollte sich mal überlegen, was eigentlich ihr Job ist. Nach dieser Demonstration sollte eigentlich jeder kapiert haben: Aussitzen ist als Taktik gescheitert.” Mehrere überregionale Medien sind vor Ort. Zahlreiche Demonstranten geben bereitwillig Interviews und fordern Aufklärung. Eine größere Kundgebung am Justizgebäude findet nicht statt. Es sind symbolische Gesten, die man sprechen lässt. Am Eingang werden mehrere Kerzen für Tennessee Eisenberg angezündet, ein paar Menschen legen Blumen nieder. Die Straße wird bis 16.15 Uhr – so lange ist die Demonstration angemeldet – nicht freigegeben. Ein Armutszeugnis stellt sich am Samstag die politische Klasse Regensburgs aus. Kein Stadtrat, kein Landtagsabgeordneter und keine Parteigröße haben sich der Demonstration angeschlossen.polizei1
drin