Wie ist es um die Gedenkkultur in Regensburg bestellt? Welche Möglichkeiten gibt es, um die Erinnerung an die NS-Vergangenheit für kommende Generationen wach zu halten? Diese Fragen haben sich die Regensburger Grünen auf die Fahnen geschrieben. „Regensburg profitiert als Weltkulturerbe von seiner Geschichte”, erklärt Bundestagskandidat Jürgen Huber. „Dazu gehört auch die NS-Vergangenheit und vor der darf sich die Stadt nicht weg ducken.” Vergangenen Freitag lud er deshalb zu einer Fahrt in die Gedenkstätte Flossenbürg ein. Gut 20 Interessierte nahmen daran teil, unter ihnen auch der Holocaustüberlebende Ernst Grube.
Das ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg ist in mehrfacher Hinsicht für Regensburg von Bedeutung. Zum einen war das Colosseum in Stadtamhof eines der zahlreichen Außenlager von Flossenbürg – über 400 Menschen waren hier eingesperrt und wurden unter anderem zum Bomben räumen am Regensburger Hauptbahnhof eingesetzt. In den sechs Wochen, in denen das Außenlager bestand kamen über 60 Menschen ums Leben, nach dem Todesmarsch am 23. April 1945 wurden knapp 50 Überlebende von den Alliierten befreit.
Zum zweiten profitierte Regensburg enorm von den tausenden Häftlingen, die ab 1942 in den Messerschmidt-Werken Regensburg zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. „Vor Messerschmidt war Regensburg nur ein mittelalterlicher Steinrest. Durch die Rüstungsproduktion wurde Regensburg erst zur Stadt”, so der Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit. Für die Messerschmidt Regensburg GmbH wurden rund 5.000 Häftlinge aus Flossenbürg als Zwangsarbeiter eingesetzt.
Die weitere Verbindung zwischen Flossenbürg und Regensburg: Auch in Flossenbürg tat man sich bis vor wenigen Jahren noch schwer mit dem Gedenken an die Opfer des Konzentrationslagers. Erst 1998 wurde damit begonnen, auf den Überresten des KZ-Geländes eine Gedenkstätte einzurichten. Ein Großteil der Fläche war zwischenzeitlich bebaut worden, der Steinbruch, in dem die KZ-Insassen arbeiten mussten befindet sich bis heute in Betrieb, bis vor einigen Jahren noch unter Regie der Gewerkschaft. Während des II. Weltkriegs waren insgesamt 100.000 Menschen in Flossenbürg eingesperrt, an die 30.000 wurden ermordet. Dabei wirkte insbesondere die Gestapo Regensburg mit, die regelmäßig Arbeitskommandos untersuchte und mehrere hundert sowjetische Kriegsgefangene als „unbrauchbare Elemente” zur Erschießung in Flossenbürg „aussonderte”.
Während sich aber Flossenbürg mittlerweile seiner Vergangenheit stellt – erst vor zwei Jahren wurde die neu konzipierte Ausstellung eröffnet – bleibt die Aufarbeitung der NS-Geschichte in Regensburg weiter ein eher trauriges Kapitel. Allein die Tatsache, dass der Regensburger Oberbürgermeister seit 1998 nie zu einer Veranstaltung nach Flossenbürg gekommen ist, zeigt, welchen Stellenwert man dem Thema beimisst.
Beispielhaft dafür ist auch die Diskussion um das ehemalige KZ-Außenlager Colosseum, die von den Regensburger Grünen zwar wieder in Gang gebracht wurde, aber bislang kein nennenswertes Ergebnis gebracht hat. Nach wie vor versteckt sich der Gedenkstein für die Opfer in einer der schäbigsten Ecken von Stadtamhof. Die Suche des Kulturreferats nach einem neuen Standort dauert weiter an und der Besitzer des Colosseum, Develey-Boss Michael Durach, weigert sich hartnäckig, eine Gedenktafel an seinem Gebäude anbringen zu lassen, in dem sich mittlerweile exklusive Wohnungen befinden. Das mag allerdings auch daran liegen, dass dies von der CSU-Mehrheit in der Vergangenheit auch nie nachdrücklich verfolgt wurde. Auch über die tatsächlichen Besitzverhältnisse – Durach ist CSU-Mitglied – hätte man sich lieber ausgeschwiegen.
Angesichts von mindestens 90 Außenlagern des KZ Flossenbürg sei das Colosseum zwar eher unbedeutend, sagt Jörg Skriebeleit, „aber die Lebensbedingungen und die Todesrate waren verheerend”. Insofern sei es wichtig, das Colosseum zu markieren, um jungen Menschen einen Zugang zur Geschichte zu ermöglichen. Doch auch am Regensburger Hauptbahnhof, wo die meisten Insassen beim Bomben räumen ums Leben kamen oder am einstigen Standort der Messerschmidt-Werke in der Prüfeninger Straße sei es wichtig, die Vergangenheit sichtbar zu machen. Gerade vor dem Hintergrund, dass es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird. „Es geht um den Nachweis dessen, was passiert ist”, ergänzt Jürgen Huber.
Im nächsten Jahr wird in Flossenbürg eine weitere Ausstellung zur Erinnerungskultur im Nachkriegsdeutschland eröffnet werden. Skriebeleit: „Es ist gar nicht so lange her, da musste das, was heute allgemeiner Konsens ist, hart erkämpft werden.” In Regensburg scheint die Zeit in diesem Punkt stehen geblieben zu sein. Jedenfalls bei manchen.