Aktionismus. Das ist die erste Reaktion auf den Amoklauf eines 17jährigen aus Winneden. Ein Großteil der Medien ergeht sich in Voyeurismus. Pop-Kriminologe Christian Pfeiffer fordert wieder einmal ein Verbot von Killerspielen. Schärfere Waffengesetze müssen her schreit zuerst das Volk und Politiker aller Couleur plappern die Forderung nach. Dabei hat Deutschland das schärfste Waffengesetz Europas. Hätte. Das Problem ist nämlich: Es wird nicht entsprechend oder nur unzureichend überwacht.
Weniger gute Idee vom BSSB
Zur Zahl der Feuerwaffen, die in deutschen Haushalten vorhanden sind, gibt es keine gesicherten Angaben. Seriöse Schätzungen gehen aber davon aus, dass es neben den 15 Millionen behördlich genehmigten Waffen mindestens genau so viele illegale Schießeisen gibt. Somit wären dies 30 Millionen. Wie kann es zu solchen ungenehmigten Waffenarsenalen kommen? Zu den inoffiziellen Handfeuerwaffen gehören Opas Wehrmachtspistole, illegal in Osteuropa erworbene Knarren oder solche von Privat erstandene.
Auf seiner offiziellen Homepage bietet der Bayerische Sportschützenbund (BSSB) den Service an, Waffen von Privat an Privat zu verkaufen. Ohne behördliche Überwachung – handelt sich doch um Luftdruckwaffen. Doch in welche Hände diese angeblich harmlosen Gewähre und Pistolen gelangen ist offen. Aktuell stehen dort verschiedene Waffen dieser Bauart und ein 18 Millimeter Böller zum Verkauf. Letzterer kann durch eine Fehlbedienung schwere Verletzungen hervorrufen. Wie alt diese Annoncen sind, ist nicht ersichtlich. Dass aber ein offizieller Schützenverband, der für seine Jugendarbeit finanzielle Unterstützung vom Freistaat erhält, eine Plattform bietet, um online Waffen zu verkaufen oder zu erwerben, macht nachdenklich. Zumindest weist der BSSB die Inserenten auf Folgendes hin: „Bitte beachten Sie, dass Anzeigen für Waffen mit Erwerbsberechtigung laut Gesetz nur mit dem entsprechenden Hinweis und der vollen Anschrift veröffentlicht werden dürfen“.
Druckluftwaffen: Ein harmloser Spaß?
Nach der aktuellen Gesetzeslage können Druckluftwaffen an Personen abgegeben werden, die über 18 Jahre alt sind. Ein Waffenschein ist nicht erforderlich. Nach dem Waffengesetz dürfen diese Waffen keine Mündungsenergie von mehr als 7,5 Joule haben. Zum Vergleich: Das Geschoss einer Pistole mit einem 9 Millimeter Parabellum Kaliber, so wie die Tatwaffe in Winnenden, hat an der Mündung eine Energie von 630 Joule. Das Kaliber variiert bei Druckluftwaffen zwischen 4,5 und 6,5 Millimeter. Verschossen werden entweder Rundkugeln oder kegelförmige Diablogeschosse.
Druckluftwaffen werden in der Öffentlichkeit gerne verharmlost. Zu Unrecht. So verletzte in Wien im Juni 2007 ein 26jähriger Drogenabhängiger mehrere Kinder, als er mit einem Luftgewehr wild um sich schoss. Das Gewehr bekam er ohne Waffenschein. Laut Polizeibericht erlitt unter anderem ein Kind eine drei Zentimeter tiefe Schussverletzung.
Der anerkannte Rechtsmediziner Harald J. Meyer vom Institut für gerichtliche Medizin der Universität Salzburg beschreibt in dem Fachmagazin „Rechtsmedizin“, wie ein Dreijähriger aus nächster Nähe seinen fünfjährigen Bruder tötete. Das Geschoss durchschlug unter anderem die sechste Rippe des Opfers. Die Tatwaffe: ein Druckluftgewehr.
In seinem Buch „Wundballistik“ kommt der anerkannte Schweizer Mathematiker und forensische Ballistiker Beat Kneubuehl zu dem Ergebnis, dass ein Druckluftwaffengeschoss mit einer Mündungsenergie von sieben Joule in die Wirbelsäule eindringen und dort das Rückmark verletzen kann.
Druckluftwaffen mit Zuschüssen des Freistaats Bayern
Besonders nach dem Amoklauf von Winnenden sind Vorsitzende diverser Schützenvereine und Verbände gern interviewte Gesprächspartner. Dort betonen die unterschiedlichen Vertreter der Vereine immer wieder, dass Schützengesellschaften die Jugendlichen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Waffen heranführen und es sich um einen Leistungssport handelt, der die Konzentration fördert. Der Freistaat Bayern lässt sich diese Jugendarbeit etwas kosten. Im vergangenen Jahr flossen rund vier Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie noch 2007 und immerhin knapp zehn Prozent der gesamten außerschulischen Sportförderung. Alle zwei Jahre kann er die Anschaffung von Großgeräten, wie Druckluftgewehre oder Pistolen fördern. Schließlich ist der BSSB und seine in ihm organisierten Vereine ein anerkannter Träger der Jugendhilfe.