Den Mitarbeitern des Continental Werks in Regensburg, ehemals Siemens VDO, stehen die Sorgenfalten auf der Stirn. Die Freude, dass der Konzern aus Hannover von einem viel kleineren Familienbetrieb aus Herzogenaurach im letzten Jahr übernommen wurde, ist der Zukunftsangst gewichen. Wie bei den meisten Zulieferern der Automobilindustrie gibt es hier am Standort Regensburg Kurzarbeit, den verordneten Abbau von Überstunden und alten Urlaubstagen. Über die Medien können die meisten der betroffenen Mitarbeiter von Continental das Ringen um den Konzern mitverfolgen. Am 6. März fand in Frankfurt/Main eine Sitzung des Aufsichtsrates statt.
„Wir wissen nicht mehr, wo das Ganze hingehen soll. Wenn die Regierung schon Opel nicht helfen will, wird sie für Frau Schaeffler auch nicht viel Geld über haben“, so eine Conti-Mitarbeiterin aus Regensburg. Nicht nur für die betroffene Belegschaft ist die Situation unübersichtlich und schwer einschätzbar. Auch die Berichterstatter haben teilweise Schwierigkeiten die kursierenden Gerüchte und Ereignisse zu verarbeiten.
Übernahmegerüchte
Die Aufsichtsratssitzung am Freitag, von der Schaeffler-Chefberater Hans Rolf Koerfler per Gerichtsbeschluss ausgeschlossen wurde, geriet zu einer deutlichen Niederlage für Conti-Strippenzieher Hubertus von Grünberg. Koerfler nahm überraschend an der Sitzung teil, von Grünberg trat mit sofortiger Wirkung von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender zurück.
Nach wie vor gibt es Gerüchte über eine Zerschlagung der Schaeffler-Gruppe. Angeblich sind der schwäbische Bosch-Konzern und der US Komponentenhersteller Timken an Teilen der angeschlagenen Schaeffler-Gruppe interessiert. Das Regensburger Werk steht dabei nicht zur Disposition. Es gehört zum Automotive-Bereich von Continental.
Ihren Fokus richten die möglichen Fusionspartner auf die Industriesparte. Auch wenn ein solcher Verkauf dringend benötigtes Geld in die Kassen von Schaeffler bringen würde, der Konzern würde damit einen seiner Geldbringer verlieren. Experten schätzen, dass ungefähr 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus dem Industriesegment stammen. Die Banken, bei denen die Schaeffler-Gruppe Geld für den Kauf von Continental aufnehmen konnte, sind von einer Herauslösung der Industriesparte denn auch wenig begeistert.
Was (trotz Dementi) für eine Übernahme durch Bosch sprechen könnte, ist die Einkaufspolitik der Schwaben. In den letzten Jahren hat das Unternehmen mit Sitz in Gerlingen vor allem Firmen hinzugekauft, die nicht zur Automobilbranche gehören. Insgesamt vier Milliarden Euro wendete Bosch dafür auf. Mancher Zukauf wie der des Ulmer Gartengeräteherstellers Gardena scheiterte, doch das Unternehmen – es befindet sich im Besitz der Bosch Stiftung – ist für seine Ausdauer bekannt. Wie realistisch ein Einstieg von Timker ist, lässt sich schwer beurteilen. Der US-Konzern steht vor einem schweren Geschäftsjahr und baute in den letzten Monaten seine Belegschaft ab.
Woher kommt frisches Geld?
Die Synergien, die Schaeffler sich aus der Fusion mit Conti erhofft hatte, wurden offensichtlich überschätzt. Bis zum Jahr 2012 sollen, nach neuesten Berichten, nur 150 bis 160 Millionen Euro herausspringen. Zuvor sind Investitionen in Millionenhöhe notwendig. Eine Arbeitsgruppe, welche von dem Vorstandsvorsitzenden der Continental AG, Karl-Thomas Neumann, geleitet wird, soll zu diesem Ergebnis gekommen sein. Nun benötigt die Schaeffler-Gruppe frisches Kapital. Woher dieses kommen soll ist offen.
Die Landesregierung von Niedersachsen zeigte bisher wenig Bereitschaft Continental zu helfen. So kam der niedersächsische Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) in einer Sendung des Deutschlandfunks zu dem Ergebnis: „Es besteht immer die Möglichkeit von Bürgschaften. Das gilt für jedes Unternehmen. Bürgschaften sind an sehr klare und enge Kriterien gebunden“. Auch in Berlin stößt eine finanzielle Unterstützung der Schaeffler-Gruppe bislang auf Ablehnung. Angeblich liegt in Berlin nach wie vor kein Sanierungskonzept des Unternehmens vor. Zu einer Beratung im Kanzleramt war von dem fränkischen Unternehmen niemand eingeladen. Als Königsweg, um Schaeffler frisches Geld zu beschaffen, gilt derzeit der Umtausch von Bankforderungen in Continental-Aktien. Die Folge:Schaeffler würde die Mehrheit an Continental einbüßen.
„Dann bist der Depp!“
Wie das Gerangel um Anteile und Posten bei Continental ausgehen wird ist derzeit offen. Klarheit muss die Hauptversammlung der Aktionäre am 23. April in Hannover bringen. Heute beschloss der Aufsichtsrat unter anderem folgende Personen als Aktionärsvertreter zu nominieren:
Gunter Dunkel (Vorstandsvorsitzender der Nord/LB)
Jürgen Geißinger (Vorsitzender der Geschäftsleitung der INA-Holding Schaeffler KG)
Hans-Olaf Henkel (Honorarprofessor an der Universität Mannheim)
Rolf Koerfer
Klaus Mangold (Vorsitzender des Aufsichtsrats der Rothschild GmbH)
Maria Elisabeth und Georg Schaeffler (Gesellschafter der Schaeffler Gruppe).
Koerfer gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Vorsitz des Aufsichtsrats.
Der Druck auf die Chefin des fränkischen Unternehmens und ihren Sohn wird bis zur Hauptversammlung ansteigen. Das Unternehmen braucht in der herrschenden Krise dringend frisches Kapital. Von der bayerischen Staatsregierung hält man sich mit konkreten Hilfsangeboten für die Schaeffler-Gruppe vornehm zurück. Mit der Bayerischen Landesbank hat die Mannschaft um Horst Seehofter ihre eigene Milliarden schwere Dauerbaustelle. Enttäuscht von ihrer Konzernführung und den Politikern zeigen sich die Angestellten von Continental in Regensburg. Sie berichten immer wieder wie froh sie eigentlich waren, von einem soliden Familienunternehmen übernommen worden zu sein. Doch was wie ein perfekter Wirtschaftsdeal aussah, in dem der David Schaeffler-Gruppe den Goliath Conti überlistete und übernahm, entwickelt sich immer mehr zu einem Drama. Ein Regensburger Arbeiter von Continental bringt es für sich auf den Punkt: „In der Wirtschaft ist es wie im Profifußball. Wenn´s laft, dann bist der Held, wann´s net laft, dann bist der Depp“.