Aus einem Papierkorb der Staatskanzlei stammten mehrere Seiten zusammengeknülltes Papier. Der Inhalt dieser Seiten ist hochbrisant. Offensichtlich handelt es sich um einen Redeentwurf des Bayerischen Ministerpräsidenten für den politischen Aschermittwoch in Passau. Ob diese Rede letztendlich von Horst Seehofer so gehalten wird, ist offen. Lesen Sie selbst.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Liebe Parteimitglieder,
zum ersten Mal darf ich heute vor Ihnen als Ministerpräsident des Freistaates Bayern am Aschermittwoch reden. In Krisenzeiten, wie wir sie alle derzeit durchleben müssen, sehe ich bewusst von Polemik gegenüber anderen Parteien ab. Ich möchte Lösungsvorschläge anbieten, um unsere Gesellschaft, unsere CSU und unseren Freistaat zu modernisieren und so die Krise zu meistern.
Mit Steuergeldern müssen wir sinnvoll umgehen!
Die CSU muss sich ändern!
Lassen Sie mit dem ersten Punkt beginnen. Was derzeit mit den Milliarden von Steuergeldern passiert, ist schlichtweg unverantwortlich. Banken, die sich schlicht und einfach verzockt haben, bekommen Gelder und Garantien. Alle schreien sie plötzlich nach dem Staat. Waren es nicht dieselben, die in Boomzeiten so wenig Staat wie möglich wollten? Jetzt sind sie Opfer ihrer eigenen Philosophie geworden. Wir sollten sie beim Wort nehmen und an die eigenen Floskeln der Marktregulierung erinnern. Dass manche aus Finanzbranche nicht einmal fähig sind, mit Bundeshilfen verantwortungsvoll umzugehen, beweist die leidige Diskussion über die Auszahlung von Boni. Es ist traurig, eine solche Diskussion überhaupt führen zu müssen.
Hier sollte der alte bayerische Grundsatz gelten: Wer zahlt schafft an!
Ein Grundsatz, den ich Aktionären ans Herz legen möchte: Nicken Sie bei Hauptversammlungen nicht alles ab! Reden sie mit! Besonders wenn es um die Gehälter und Boni geht. Immer noch bieten etliche Banken Steuersparmodelle an. Dazu unterhalten sie Filialen in allen Steueroasen dieser Welt. Warum sollen wir eine Branche zu unterstützen, die aktive Beihilfe zur Steuerflucht leistet? Welcher Hauseigentümer legt für potenzielle Einbrecher ein Brecheisen griffbereit in den Garten? Sind wir wirklich so dumm? Sämtliche Steuerhinterzieher konnten ihr Geld nur dank tüchtiger Helfer aus der Finanzbranche außer Landes schaffen. Dieselbe Branche hat die Hypotheken kleiner Häuslebauern an Finazinvestoren verkauft und Existenzen vernichtet. Hat der Staat diesen Bürgern mit Krediten geholfen?
Mittlerweile schreit ein Unternehmen nach dem anderen nach Staatshilfen. Wie sagte die schwedische Wirtschaftsministerin Maud Olofsson: „Die Wähler haben mich gewählt, weil sie Vorschullehrer, Polizisten und Krankenschwestern haben wollen, nicht um Autofabriken zu kaufen!“ Ich kann mich dieser Meinung nur anschließen. Nicht die Bundesregierung soll über nach blindem Aktionismus Milliarden vergeben, sondern die Bürger. Sie könnten einkaufen oder ihr Geld anlegen. Wenn sie denn welches hätten. Doch woher nehmen bei der hohen Steuerlast? So funktioniert das Spiel von Angebot und Nachfrage nicht! Die wenigsten können es sich noch leisten, nach ihrem Gusto einzukaufen. Jetzt soll die öffentliche Hand eine Milliardärin unterstützen, die sich mit einer Firmenübernahme verhoben hat. Das Argument, es handle sich bei diesem Unternehmen um den drittgrößten Arbeitgeber in Bayern ist keines mehr, Frau Schaeffler! Jeder weiß wie viele Unternehmen in den letzten Jahren, auch in Bayern, ihre Standorte schlossen, um sie in Billiglohnländer zu verlagern. So viel zum Vertrauen in die Fürsorge mancher Firmenlenker.
Aber: Entlassene Mitarbeiter hat die Börse eben immer schon mit Wohlwollen quittiert. So etwas unterstützen wir nicht mehr! Es wäre unsere Pflicht, den betroffenen Mitarbeitern berufliche Perspektiven zu bieten und nicht, jemand aus der Bredoullie helfen, der sich und sein Milliardenvermögen überschätzt hat. Wo kämen wir hin, wenn weiter Gewinne privatisiert und dank Steuersparmodellen legal am Fiskus vorbei geschleust werden, aber die Verluste wie selbstverständlich sozialisiert werden? Jeder Kleinanleger, der über den Tisch gezogen wurde, könnte zur Staatsregierung kommen und finanzielle Hilfe fordern.
Ich warne die Bundesregierung eindringlich davor, weiter aufs falsche Pferd zu setzen. Wir fördern eine Finanzbranche und eine Managerkaste, die sich Championsleague-Gehälter verpassen lässt und in wie Kreisklasse spielt. Mit Milliardenaufwand fördern wird den Kauf von neuen Autos mit Motoren, die dafür sorgen, dass in den nächsten Monaten die Spritpreise wieder steigen werden. Wie bedauerlich muss der Zustand eines Landes sein, dem ein altes Auto 25 Mal mehr wert ist, als ein Kind?
Nun zu einem ebenfalls bedauerlichen Thema: der CSU. Was haben die CSU, deutsche Großkonzerne und die Dinosaurier gemeinsam? Beide wurden zu groß und unbeweglich. Bei den Dinosauriern wissen wir wie es ausging:
Sie starben aus.
Ein Schicksal, dass auch manchen deutschen Unternehmen und Parteien droht.
Ich fühle mich wie ein Konkursverwalter. Unsere Partei hat in den letzten Jahren zu viele Fehler gemacht. Wir haben uns nur noch mit uns selbst beschäftigt und nicht einmal dabei waren wir erfolgreich. Die Quittung haben wir bei der Landtagswahl und den Kommunalwahlen bekommen. Was die Europawahlen angeht, geben die Umfragen derzeit ebenfalls wenig Anlass zu Optimismus. Die Ellenbogengesellschaft CSU – ständig im Kampf um Posten und Mandate – hat ausgedient. Unsere Auftraggeber sind die Wählerinnen und Wähler. Ich als Parteivorsitzender sage: mehr Realismus. Die arrogante Erfolgsformel 50 plus X mag in manchen Kommunen noch auf die CSU zutreffen, wenn es aber um Landtags- oder Bundestagswahlen geht, sage ich: Trennen wir uns von diesem Ziel! Für uns als Partei muss das gleiche gelten wie für die Gesellschaft:
Die fähigsten Köpfe sagen, wo es lang geht, nicht diejenigen, die sich am brutalsten den Karriereweg planieren.
Wir dürfen nicht mehr als eine Partei auftreten, die sich allwissend glaubt. Präsentieren wir uns als das was wir wirklich sind: Menschen, die Fehler machen. Stehen wir dazu. Benennen wir sie. Ein großer Fehler war es, manchen Leuten in der Bayerischen Landesbank zu vertrauen. Offensichtlich waren einige Politiker mit ihrem wirtschaftlichen Sachverstand überfordert. Als Ministerpräsident des Freistaates Bayern werde dafür sorgen, dass sich die Bayerische Landesbank wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnt und zu keinem Milliardengrab verkommt. Ich möchte meinem Nachfolger oder meiner Nachfolgerin, nicht dieselbe Problemlösung mitgeben, wie ich sie von Günther Beckstein bekommen habe. Als der Franke Ministerpräsident wurde übergab ihm Edmund Stoiber zwei verschlossene Umschläge und sagte ihm: „Günther, wenn Du einmal in politische Schwierigkeiten gerätst, öffne den ersten Umschlag und du bist auf der sicheren Seite.“ Dann kam die BayernLB. Günther erinnerte sich und öffnete den ersten Umschlag. Er enthielt einen Umschlag auf den Edmund Stoiber geschrieben hatte: „Schiebe alles auf mich!“ Nach der verlorenen Landtagswahl öffnete er den zweiten Umschlag und hoffte, sich damit retten zu können. Auch das zweite Kuvert enthielt einen Zettel von Edmund Stoiber. Doch was stand darauf? „Setz dich hin, nimm zwei Kuverts und schreibe zwei Zettel!“
Ein paar Gedanken zum Schluss.
Wir alle sind nicht ohne Mitschuld! Die meisten haben in Wertpapiere und andere spekulative Anlagen investiert, um ebenfalls schnell und ohne viel arbeiten zu müssen reich zu werden. Von uns Lemmingen profitierten die Herren, deren Kartenhäuser nun über uns einstürzen. Jetzt heißt es umsteuern, ansonsten lauert die nächste Katastrophe auf uns. Früher brauchte man für eine Wirtschaftskrise von solchem Ausmaß Kriege! Von Bayern muss die Initiative ausgehen, einen neuen moralischen Kodex in die Wirtschaft zu implantieren. Sollten wir das auch nur im Ansatz erreichen, können wir wirklich sagen
Bayern vorn!
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.