Stadtamhof ist kein einfaches Pflaster für den Oberbürgermeister. Hier gibt es mit die schlechtesten Wahlergebnisse für die CSU, bei Bürgerversammlungen wird Hans Schaidinger in schöner Regelmäßigkeit abgewatscht und ebenso regelmäßig lässt er durchblicken, dass ihn das nicht wirklich kümmert (in Stadtamhof leben ca. zwei Prozent der Wahlberechtigten).
Ähnlich läuft es auch am Donnerstag in der Turnhalle der Gerhardingerschule. Die Themen Ersatzrasse für die Steinerne und Protzenweiherbrücke bescheren volles Haus. Die Stühle reichen nicht aus. Hans Schaidinger kommt zu spät. Joachim Wolbergs übernimmt – mit hochrotem Kopf – die Begrüßung. Für sein gebrochenes Wahlversprechen („Eine Grieser Brücke gibt es mit der SPD unter keinen Umständen.“) rechnet er offenkundig mit Kritik. Immerhin hat die SPD den Vorbereitungen für einen Brückenwettbewerb zugestimmt (Mehr dazu). Wolbergs’ Anspannung ist – wie sich noch herausstellen soll – durchaus gerechtfertigt.
Vorneweg: Auf einen Neubau der Protzenweiherbrücke müssen die Stadtamhofer noch bis Ende 2011 warten. Diesen Zeitplan teilt Regine Paas von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit. „Wenn alles nach Plan läuft.“ Eine langwierige EU-weite Ausschreibung und Untersuchungen (unter anderem auf im Boden eventuell vorhandene „Kampfmittel“) seien die Gründe, weshalb Stadtamhof für weitere drei Jahre nur über die Oberpfalzbrücke erreichbar sein wird. Zwei von Applaus begleitete Anträge von Karl Heinz Prischenk (Pro Stadtamhof), die von der Bürgerversammlung nahezu einstimmig angenommen werden, ändern daran nichts. Prischenk: „Die Protzenweiherbrücke ist für uns Geschäftsleute absolut vorrangig. Wir sind dringend auf eine Anbindung an den Stadtnorden angewiesen.“ Er fordert zum einen, einen schnelleren Baubeginn für die Protzenweiherbrücke, zum anderen wenigstens eine Buslinie, mit der die Stadtamhofer Hauptstraße vom Stadtnorden her angefahren wird. Dazu der Oberbürgermeister: „Eine solche Linienführung ist unattraktiv.“ Zum Zeitplan für den Neubau erklärt Schaidinger: „Ich verstehe, dass Ihnen das zu lange vorkommt, weil Sie die notwendigen Arbeiten im Vorfeld nicht nachvollziehen können.“ (Warum es kein Provisorium für die Protzenweiherbrücke gibt, lesen Sie hier.)
Ehe aber die Bürger zu Wort kommen – und dieser Antrag gestellt wird – steht ein eineinhalbstündiger Vortrag der Verwaltung, der – gelinde gesagt – mäßig aufbereitet ist und der – ohne größere Informationsverluste – durchaus hätte gestrafft werden können. Wichtig aber das Fazit: Stadtspitze und Verwaltung haben sich festgelegt. Es muss eine Ersatztrasse her. Die Frage ist nur wo. Die Argumente liefert zum einen Alfons Swaczyna (Tiefbauamt), der – in epischer Breite – darlegt, weshalb die Steinerne Brücke nach einer Sanierung frei vom motorisierten Verkehr bleiben muss.
Zum anderen stellt Ute Hick, Leiterin des städtischen Planungsamtes, die Argumentation der Stadtspitze pro Ersatztrasse vor. Fundament sind die Untersuchungen der von der Stadt beauftragten „Planungsgruppe Nord“. Betroffen von der Sperrung der Steinernen sind täglich rund 2.900 Fahrgäste oder – wie es die Stadtverwaltung ausdrückt – „5.420 Fahrten (…) über die Steinerne Brücke“ – in beide Richtungen.
Eine Busführung ohne neue Brücke komme zu teuer, so Hick. Um die gleiche Attraktivität zu bieten, wie mit einer Ersatztrasse seien jährliche Ausgaben von 1,8 Millionen Euro notwendig. Dazu kämen – einmalige – Investitionen von 10,4 Millionen für bauliche Maßnahmen.
Die von den Donauanliegern vorgeschlagene „Bürgertrasse“ wurde dabei allerdings nicht geprüft. Hick: „Dafür hatten wir nicht die Zeit und die Mittel.“ Die Bürgertrasse sieht vor, die Linie 12 über die Pfaffensteiner Brücke zu führen. Die Linien 13 und 17 fahren via Nibelungenbrücke, Landshuter Straße, Ernst-Reuter-Platz zum Hauptbahnhof. Die Linie 4 wird über Nibelungenbrücke und Wöhrdstraße geführt (Mehr dazu.)
Funktioniert nicht, befindet die Stadtverwaltung. Eine 2007 durchgeführte Umfrage unter den Busnutzern der vier Linien habe ergeben: 60 Prozent der Befragten gaben als Ziel die „westliche Altstadt“ an. Die Bürgertrasse berücksichtige dieses Umfrageergebnis nicht, so Hick. „Sie bringen die Leute nicht dahin, wo sie hin wollen.“ (Anmerkung: Lediglich die Linie 12 fuhr zum Zeitpunkt der Umfrage – als Protzenweiherbrücke und Steinerne noch befahrbar waren – nicht in Richtung „westliche Altstadt“.)
Ebenso sei die Führung von drei Linien über die Nibelungenbrücke auch deshalb ein Problem, weil das Donaueinkaufszentrum als „Hauptkonkurrent der Altstadt“ auf dieser Strecke liege. Raunen im Saal. Doch weiter im Text. Ein Tunnel – für den es bislang keine Machbarkeitsstudie gibt – ist „wirtschaftlich nicht vertretbar“, fährt Hick fort und folgerichtig auch ihr gebetsmühlenartig wiederholtes Fazit: „Eine Ersatzbrücke ist unverzichtbar.“ Ob nun im Osten oder im Westen.
Ganz vollständig sind die Informationen trotz der langen Ausführungen nicht: Die von Hick ebenfalls vorgetragene Historie der Ersatzbrückendiskussion spart das Bürgerbegehren aus, das 1996 – gegen den Widerstand der damals alleinregierenden CSU – die Autos von der Steinernen verbannt hat. Für Neubürger muss es so wirken, als hätte auch dies die Verwaltung – den Wünschen der Bürger entsprechend – veranlasst. Das ist falsch.
Walter Cerull war einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens und ist Mitglied der Donauanlieger. Eine Sorte von Bürger also, den man gern als „Quertreiber“ brandmarkt. Cerull meldet sich auch heute zu Wort und knöpft sich in seinem 20minütigen Wortbeitrag – der von wenigen Zwischenrufen und viel Applaus unterbrochen wird – die Untersuchungen der Stadtverwaltung vor. Die Umfrage unter den Busbenutzern ist für Cerull ein Witz. „Ich komme mit dem Bus nur dort hin, wo er hinfährt.“ Leute, die in einem Bus sitzen, der in den Stadtwesten fährt, könnten kaum ein anderes Ziel angeben. Darüber hinaus werde verschwiegen, dass 50 Prozent der Fahrgäste zum Bahnhof wollten. Während man jetzt so tue, als müssten die Busse aus Richtung Lappersdorf unbedingt über eine Ersatzbrücke fahren können, habe man dieses Recht anderen Landkreisbewohnern noch nie zugestanden. Vor allem der Lappersdorfer Bürgermeister Dollinger ist es, der regelmäßig eine Ersatzbrücke fordert. Cerull: „Wer aus Wolfsegg, Steinsberg oder Diesenbach kommt, musste schon immer über die Nibelungenbrücke fahren.“ Dass das Donaueinkaufszentrum ein Konkurrent für den Einzelhandel in der Altstadt sei, bezweifelt er. „Die Altstadt ist schon lange nicht mehr das Einkaufszentrum, als das Sie es hier verkaufen wollen.“ Applaus. Ebenso seien die Ärzte zunehmend in der Nähe der Einkauszentren zu finden.
Warum die Bürgertrasse nicht eingehender von der Stadtverwaltung untersucht wurde, bleibt für Cerull ein Rätsel. Er ist vor allem vom Stadtrat enttäuscht. „Der hört sich die Vorschläge der Verwaltung an und nickt sie ab, ohne kritisch nachzufragen.“ Dasselbe gelte für die Protokolle der bisherigen Bürgerversammlungen in Stadtamhof. Dort wurden Ersatzbrücken regelmäßig abgelehnt. „Das interessiert keinen.“ Vor der Wahl sei vor allem die SPD „durch die Wirtshäuser gezogen“ und habe alle möglichen Versprechungen gemacht. „Was glauben Sie, warum 65 Prozent der Stadtamhofer Sie in der Stichwahl gewählt haben?“, so Cerull in Richtung Wolbergs. Keine Reaktion. Die erwartet Cerull offenbar auch nicht. Nach der Wahl seien eben alle Versprechungen vergessen. Selbst von Bürgermeister Joachim Wolbergs, der gerne mal von „Rückgrat“ spricht.
Cerulls Fazit: „Ich stelle keinen Antrag, weil es sowieso keinen Sinn hat. Ich wollte das nur mal gesagt haben.“ Langer Applaus schließt sich an diesen Redebeitrag an. Als der Oberbürgermeister ans Pult tritt, wird einfach weiter geklatscht. Schaidinger braucht mehrere Anläufe, bis er antworten darf. Zu den inhaltlichen Kritikpunkten äußert er sich nicht.
Als eine Stadtamhoferin in einer weiteren Wortmeldung erklärt: „Wir brauchen diese Brücke nicht“, hat Schaidinger offenbar genug. „Sie fahren auch auf Straßen, die andere nicht brauchen“, kontert er unter Pfiffen und Buh-Rufen. „Regensburg besteht nicht nur aus Stadtamhof.“ Andere Bürger müssten auch Autos und Zuglärm in Kauf nehmen. So gesehen sei das Verhalten der Stadtamhofer „nicht sehr solidarisch“. Als es nach diesem Beitrag etwas lauter wird, fragt Schaidinger kaum hörbar nach weiteren Wortmeldungen und schließt rasch die Bürgerversammlung. Stadtamhof ist ein holpriges Pflaster.
Man wird sehen, ob diese Art von „Bürgerinformation“ an anderer Stelle mehr Solidarität erfährt. Fortsetzung folgt in einer Veranstaltung am 2. Dezember für alle Regensburger und Landkreisbewohner.
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