„Sicherheitsrechtliche Belange“. Mit dieser Begründung verweigern das bayerische Sozial- und Innenministerium schulpflichtigen Kindern in Asylbewerberheimen einen Internetanschluss. Das meldet das Regensburger Flüchtlingsforum (RFF) in einer aktuellen Pressemitteilung. Die Begründung der Ministerien lässt tief blicken: Nachdem nicht auszuschließen sei, dass in die „Gemeinschaftsunterkünfte“ sogenannte „Gefährder“ eingeschleust würden, ist nach Auffassung der bayerischen Ministerien das Sicherheitsrisiko zu hoch, als dass man einen Internetanschluss zulassen könne.
Was ist nun ein „Gefährder“?
Bekannt wurde der Begriff durch Innenminister Wolfgang Schäuble. Der verlangte im Rahmen eines Spiegel-Interviews im Juli 2007 „Gefährder“, die man nicht abschieben könne, zu internieren und ihnen Auflagen zu machen. Schäuble: „Etwa ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy.“
Eine juristische Definition für den von Schäuble verwendeten Begriff „Gefährder“ gibt es allerdings nicht. Er könnte – theoretisch – auf jeden zutreffen. Eine Sprachregelung, auf die sich die Bundesregierung und Innenminister geeinigt haben, lautet: „Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird.“ (Mehr dazu.) Ein Verdächtiger also.
Die von Schäuble geforderten Maßnahmen erlaubt das Ausländerrecht in Deutschland im Übrigen längst. Ein Regensburger Beispiel: Der bis 2005 in Regensburg lebende Tunesier Mouldi C. wird von der bayerischen Staatsregierung als „Top-Gefährder“ eingestuft. C. wurde zwar nie wegen Terrors verurteilt, doch haben ihm die Behörden Kontakte zu militanten Islamisten nachgewiesen. Ein Grund, ihn abzuschieben, befand die bayerische Justiz. Der Abschiebung stand allerdings die Foltergefahr in Tunesien im Wege und so wurde der damals 35jährige nach Hauzenberg im Bayerischen Wald verbannt. Dort gelten Kontaktsperre (auch zu seiner Frau und seinen vier Kindern), Internet- und Handyverbot. C. musste sich jeden Tag auf der Polizeiwache melden. Ende April versuchte der Tunesier, sich das Leben zu nehmen.
Laut einer aktuellen Aussage des Innenstaatssekretärs August Hanning geht man derzeit von einer „zweistelligen Zahl“ von „Gefährdern“ in Deutschland aus.
Und diese überschaubare Zahl vermeintlicher Verdächtiger vermuten des bayerischen Innen- und Sozialministeriums – völlig vorurteilsfrei – vornehmlich in Asylbewerberheimen. Zudem hält man den „Gefährder“ an sich offenbar auch noch für dumm genug, einen (leicht zu überwachende) Internetanschluss dort und nicht in Internetcafés zu nutzen. Und so werden Flüchtlingskinder wohl auch künftig keinen – für die Schule notwendigen – Zugang zum Internet erhalten. Zitat: „Bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung (fallen) die sicherheitsrechtlichen Belange höher ins Gewicht.“ Und die Belange der Kinder unter den Tisch.
Das Regensburger Flüchtlingsforum will nun Bürgermeister Joachim Wolbergs in die Pflicht nehmen. Der hatte im Rahmen eines Interviews Mitte Mai davon gesprochen, dass „Asylkinder (…) in Regensburg nicht anders behandelt“ würden, „wie alle anderen Kinder. Das war so und das wird unter meiner Verantwortung auch so bleiben.“ Dazu das RFF: „Lassen Sie den Worten Taten folgen.“
P.S.: Wer glaubt, dass sich mit der FDP etwas an der unmenschlichen Situation für Flüchtlinge in Bayern ändern wird, darf skeptisch bleiben. Zwar gibt es das neu geschaffene Amt eines Integrationsbeauftragten, doch während der künftige Regierungspartner der CSU im Rahmen der Koalitionsverhandlungen noch die Auflösung der Asylbewerberheime angekündigt hatte, findet sich im Koalitionsvertrag davon kein Wort. „Offensichtlich ist die FDP in letzter Sekunde umgefallen. Am letzten Tag der Verhandlungen hat sie die Forderung nach Abschaffung der Flüchtlingslager der Koalitionsraison geopfert“, kommentiert dazu Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, in einer Pressemitteilung vom 27. Oktober.