Ganghofersiedlung – vom Ausverkauf eines Stadtviertels.
„Der Oberbürgermeister ist nicht dazu da, Idyllen zu erhalten, sondern Wohnraum zu schaffen“, lautete die Antwort von Hans Schaidinger auf Fragen des Vereins „Interessengemeinschaft Ganghofersiedlung e.V.“. Der hatte sich gegründet, um das gewachsene Stadtviertel vor dem Ausverkauf zu retten. Die Angst geht um im Geviert von der Ludwig-Thoma- bis zur Karl-Stieler-Straße. Angst vor Mietpreis-Explosion, Angst davor, Wohnraum zu verlieren, der zum Teil in der vierten Generation bewohnt wird, und Angst vor dem Verlust eines gesunden sozialen Umfelds. Und dieser Angst will man nun entschieden begegnen.
Ein Mehrgenerationen- Viertel wird zerschlagen
Die Bewohnerschaft der Ganghofersiedlung soll nämlich ausgetauscht werden. Anders ist die Vorgehensweise der „Grünen Mitte GmbH” kaum zu erklären. Die Tochtergesellschaft des Regensburger Immobilienzentrums hat einen Großteil des Ensembles kürzlich erworben.
Profit anstelle von sozialer Struktur – der Ausverkauf der Ganghofersiedlung
Die Ganghofersiedlung wurde einst als „Siedlung Göring-Heim“ für Angehörige der Messerschmittwerke erbaut. Unmittelbar nach dem Krieg als von Schlagbäumen gesichertes Viertel für ehemalige Zwangsarbeiter – nur mit Passagierschein durften Deutsche die Siedlung betreten – genutzt, wechselte die Siedlung im Laufe ihres Bestehens von 1939 an öfter den Besitzer. Zuletzt erwarb das Immobilienzentrum Regensburg den Großteil des Ensembles von der Landesbank Baden-Württemberg. Die „Grüne Mitte GmbH“, eine Tochtergesellschaft des Immobilienzentrums (gern gesehener Anzeigenkunde im Wahlkampfblatt CSU-Sonntagspost), hat nun die „Revitalisierung“ des Bestands in Angriff genommen.
Ein schönes Wort, „Revitalisierung”. Der Abbruch von Wohneinheiten in der Boelcke- und der Karl-Stieler-Straße ist bereits in vollem Gange. Dass das unter den Begriff Revitalisierung fällt, bezweifeln nicht nur die leidtragenden Anwohner.
Zwei Dinge sind es, die den Fall „Grüne Mitte revitalisiert Ganghofersiedlung“ pikant und prekär machen: Wie sieht es mit dem Ensemble- und dem Denkmalschutz aus? Bislang wurde ständig mit dem Hinweis auf den Ensembleschutz der Verkauf von einzelnen Immobilien verweigert. Nachdem die „Grüne Mitte GmbH“ nun ein Um- und Anbaukonzept vorgelegt hat, wechseln Häuschen und Wohnungen munter die Besitzer. Die Stadt Regensburg, also der Stadtrat, so Oberbürgermeister Schaidinger, sei geschlossen dagegen gewesen, die Siedlung unter Ensemble- respektive Denkmalschutzschutz zu stellen. Stimmt nicht, sagen Margit Kunc (Grüne) und Christa Meier (SPD). Bereits in den 80er Jahren habe das Landesamt für Denkmalpflege den historischen Stellenwert der Siedlung unterstrichen, nicht umsonst erfährt das Quartier in „Denkmäler in Bayern“ (Band III.37) seine ausdrückliche Würdigung. Mietern wurden Anbauten (Carports, Wintergärten) bislang strikt verwehrt, Farbe von Treppengeländern und Fensterläden mussten genau historischen Mustern folgen. Nun sehen die Planer der „Grünen Mitte GmbH“ sieben Meter lange begrünte Flachdachanbauten und Tiefgaragen vor.
Zweiter Punkt: Wie hoch wird die Miete nach der „Revitalisierung“ sein? Können sich die Mieter den Erwerb des Hauses samt Garten, der Wohnung auch leisten? Eine Gewähr, wieder in sein Haus ziehen zu können gibt es nicht, so der Oberbürgermeister. Lediglich Wohnraum (irgendwo) im angestammten Viertel stünde den Mietern zu. Dass die Eigentümer der Siedlung in der Vergangenheit immer nur das Allernötigste für ihrer Mieter taten, und die Mühen und Kosten in Instandhaltung vergeblich scheinen, bringt ein Vereinsmitglied auf den Punkt: „Wir haben Wände gemietet. Einbau von Bädern und Toiletten haben Mieter selbst auf eigene Kosten vorgenommen. Für uns besteht ein Vorkaufsrecht, aber wenn man sich die Bevölkerungsstruktur im Viertel ansieht, ist das blanker Hohn. Welche Bank gibt schon einem 55- oder 60-jährigen Arbeiter einen Kredit von bis zu 250.000 Euro?“ Selbst wer sich nach Instandsetzung und Umbau weiterhin für das Mietmodell entscheidet, muss damit rechnen, dass die Mietsache verkauft wird. Ob den neuen Eigentümer die Abmachung interessiert, daran haben viele ihre Zweifel. Am meisten enttäuscht zeigt man sich von den Politikern der beiden (nun nicht mehr so) großen Volksparteien. Ein Vereinsmitglied: „Vor der Wahl betonten beide Exponenten von CSU und SPD, die Probleme der Ganghofersiedlungs-Leute seien ihnen Herzensangelegenheit, nach der Wahl waren wir ganz schnell wieder vergessen.“
Unsensibel und kein Gespür für die Bewohner der Ganghofersiedlung, diesen Vorwurf muss sich die „Grünen Mitte“ gefallen lassen. In einem Hochglanzprospekt der Immobiliengesellschaft mit dem wohlklingenden Namen gibt sich Stadtplanungsreferentin Christine Schimpfermann für ein Grußwort her. Vollmundig spricht sie von Verantwortung in Denkmaleigenschaften und von einem Glücksfall der Geschichte, dass sich die Ganghofersiedlung bis heute fast unverändert erhalten habe. Der Prospekt selbst wirbt mit Bildern, die jeglicher Realität entbehren. Große Säle mit offenen Kaminen werden gezeigt, edles Ambiente à la Schöner Wohnen. Ob das die Mieter wollen oder nicht, wurde nicht abgefragt. Dafür gingen Mitarbeiter/-innen der „Grünen Mitte“ durch die Häuserzeilen und fragten stereotyp (selbst bei fast 90-Jährigen) ab, ob man gewillt sei, Haus und Grundstück zu kaufen. Dass die Bewohner der Ganghofersiedlung ausgetauscht werden sollen, wird aus dem „Grüne-Mitte“-Prospekt ersichtlich.
Damit soll offensichtlich akademische Klientel angelockt werden, denn der Bezug zu FH, Universität und Klinikum wird deutlich herausgestellt. Dass man Luxuswohnraum für Betuchte schaffen und Arbeiter und Handwerker aus dem Quartier drängen will, wird für die Ganghoferer daran deutlich, dass in der Druckschrift explizit auf die drei Golfplätze in der näheren Umgebung von Regensburg hingewiesen wird. Haben ja alle ein Handicap von 18,5, die in der Ganghofersiedlung.
Aufschlussreich liest sich in diesem Zusammenhang eine „Mitteilung aus der Arbeit der Regensburger Stadtratsfraktion“ der CSU vom 23.Oktober 2007, in der es heißt: „… rechnen wir mit einer ausgeprägten Sensibilität im Umgang mit den alteingesessenen, langjährigen Mietern einschließlich einer Betonung des Mieterschutzes …“ und „Die CSU-Fraktion wird … weiterhin Ansprechpartner für die Anwohnerinnen und Anwohner sein.“
Am meisten frustriert die Ganghofersiedler aber, dass eine funktionierende soziale Struktur mutwillig zerstört wird. Dieter Thanner, 1. Vorsitzender der Interessengemeinschaft, bringt es auf den Punkt: „Da zieht die Familienministerin durch die Großstädte und propagiert Mehrgenerationenhäuser, hier haben wir ein tadellos funktionierendes Mehrgenerationen-Viertel. Das wird aus Profitgier einfach zerstört.“