Warum Karlheinz Kraus beim Protest gegen eine Garage in der Allee dabei ist
Als er noch jünger war hat Karlheinz Kraus direkt neben dem Schlosspark gewohnt. Heute ist er 71, hört schon ein wenig schlecht, auf einem Auge ist er fast blind. Als er gehört hat, dass für die fürstlichen Hotel- und Garagenplanungen wieder ein paar Bäume in der Allee abgeholzt werden sollen, hat er fast zu weinen angefangen und dann beschlossen, sich zu wehren – „Auch wenn ich nichts mehr davon habe.”
Am Sonntag ist er, genau wie 70 andere Spaziergänger, dabei, als sie vom Milchschwammerl beim Bahnhof, vorbei am Schloss und dem „Garten der ressource”, wo die Tiefgarage gebaut werden soll, bis zur Ostdeutschen Galerie in den Stadtpark gehen. Die ödp hat im Planungsausschuss gefordert, dass eine Veränderungssperre für den Allengürtel und den Stadtpark beschlossen wird, damit es dort nicht immer wieder Eingriffe – sprich Abholzungen – gibt. Solche Details interessieren Karlheinz Kraus aber gar nicht. Er schaut immer wieder links und rechts und freut sich über „die vielen schönen Bäume”. Seit er vor vielen Jahren vom Schlosspark weggezogen ist, sind diese Bäume aber immer weniger geworden.
70 Menschen in der Allee – Spaziergang als Protestform
„Ich kann das gar nicht verstehen, dass die so eine Macht haben”, flüstert Karlheinz Kraus als die Gruppe von Spaziergängern am „Garten der Ressource” steht. Hier soll die Garage fürs Hotel im Schloss gebaut werden. Verträge mit einem Investor gibt es bisher noch nicht. Hier sollen – wieder einmal – ein paar Bäume weichen. Dieses Vorhaben ist bereits abgesegnet. Deshalb protestiert Kraus. „Auch wenn ich selbst davon nix mehr habe.” Er habe aber schon zu lange miterleben müssen, wie der Grüngürtel um die Altstadt Stück für Stück immer kleiner geworden ist.
Benedikt Suttner von der Aktion „Rettet den Schlosspark” steht auf einer Parkbank und erzählt von einer Urkunde aus dem Jahr 1890, die belegt, dass der Garten zum Schlosspark und damit zur Kernzone des Welterbes gehört, in der ohne Absprache mit der Unesco nichts gebaut werden darf. Derweil schaut Kraus hinüber zu den Bürogebäuden an der Margarethenstraße. Dort war früher einmal ein Wirtshaus – „Gifthütte haben wir das immer genannt”. Das Haus stand unter Denkmalschutz, sagt er. „Trotzdem hat man das einfach weggeräumt.” Genau so wie die Bäume.
Das hat Kraus auch beim Bau des Busbahnhofs an der Albertstraße erlebt oder beim Bau des gläsernen Bürogebäudes, dass mitten zwischen den Bäumen entlang der Kumpfmühler Straße steht. „Das ging ruckzuck, ohne dass da jemand gefragt worden wäre.” Und die Bäume waren weg. Von den Plänen für die Hotelgarage hat Kraus zum ersten Mal in München gehört. „Dort haben die Leute nur gefragt, ob die Regensburger spinnen.” Die Spaziergänger gehen weiter. Auf einer Quetschn wird „Bella Ciao” gespielt. Kraus wartet noch kurz und überlegt. Dann meint er im Weitergehen: „In Regensburg denken sich die meisten eben nix, wenn wieder ein paar Bäume weniger da sind.” 47 sollen es dieses Mal sein. „Nur zwei Prozent des Gesamtbestandes” hat der Oberbürgermeister gesagt.
Als ein kleines Mädchen hinfällt, läuft Karlheinz Kraus zurück und hilft ihm auf. Ein Stückchen weiter vorne bleibt er stehen und erzählt, dass sich hier die Angler immer ihre Würmer holen. „Das ist der beste Platz.” Unter den großen Bäumen. Schräg gegenüber ist der Platz der Einheit. Dort soll eine Tiefgarage hingebaut werden, zitiert Benedikt Suttner aus einer Wahlwerbung der CSU, die unter dem Motto „Bewahren” steht. „Wo soll die Zufahrt verlaufen? Wieder durch den Grüngürtel?”, fragt Suttner und wirbt wieder für die Veränderungssperre. Im Planungsausschuss wurde der ödp-Vorschlag bereits abgelehnt.
Karlheinz Kraus ist gerade ganz ruhig. Er will etwas ganz anderes hören. „Die Vögel. Hier hat es mal so viele verschiedene gegeben. Von denen kommen immer weniger, weil es ihnen zu laut wird.” Der Zug endet schließlich bei der Ostdeutschen Galerie. Dort könnte man eine Stadthalle hinbauen, so eine „Idee”. Kein Baum müsste dafür fallen, wird immer dazu gesagt. Auf dem Platz vor der Galerie spielen alte Männer Boule, Kinder laufen um den Brunnen, alle 18 Parkbänke sind besetzt – aber: keine Bäume. Hier soll die Halle hin.
„Die Standortuntersuchung kostet bestimmt 50.000 Euro”, sagt Eva Schmid von der ödp. Rausgeschmissenes Geld, das man auch besser verwenden könnte, meint sie. Und knapp 40 Bäume könnten es doch sein, die fallen, erwähnt sie hinter vorgehaltener Hand. „Eine Veränderungssperre hat Symbolcharakter”, sagt sie. „Dann müsste der Stadtrat bei jedem Bauvorhaben diskutieren.”
Kraus hört das nicht. „Ich kann es nicht verstehen, dass die Bäume den Leuten hier nicht mehr wert sind”, sagt er im Gehen. Beim nächsten Spaziergang will er wieder dabei sein, auch wenn er mit seinen 71 Jahren, wie er meint, „nix mehr davon” hat.