30 Jul2008
„Unser Bestes“ in Sachen Bildung: Keine Diskussion über Schulmittelfonds!
„Wir werden unser Bestes tun, damit alle Schulkinder aus Regensburg einen schönen Schulanfang erleben.“ Das erklärte Sozialbürgermeister Joachim Wolbergs zu der Gutschein-Aktion für Erstklässler, die man am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz vorstellte. Gut eine Woche zuvor wurde ein Antrag der Linken für einen Schulmittelfonds im Sozialausschuss des Regensburger Stadtrats nicht einmal auf die Tagesordnung genommen. Begründung: „keine Dringlichkeit“. Aber dazu später mehr.
„A – B – C – Aktion Bildung und Chancengerechtigkeit“ nennt sich nun das Modell, mit dem die Stadt Regensburg am Dienstag an die Öffentlichkeit ging. Einen 50-Euro-Gutschein erhalten demnach alle ABC-Schützen, deren Familien auf Arbeitslosengeld II – Hartz IV – angewiesen sind. Bereits im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Unterstützung – 50 Euro Bargeld erhielten die Schulanfänger aus Mitteln der Waisenhausstiftung Stadtamhof. In diesem Jahr gibt es anstelle von Bargeld Gutscheine, einzulösen bei Papier Liebl, was der Waisenhausstiftung zehn Euro pro Gutschein spart; diesen Betrag übernimmt besagtes Unternehmen. Eine gute Idee? Sicher nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die „Bildungsrepublik Deutschland“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel) und die dafür zuständigen ARGEn keine zusätzlichen Leistungen für die Schulkinder aus Familien bereit halten, die auf Hartz IV angewiesen sind. „Die Arbeitsgemeinschaften empfehlen, die dafür anfallenden Kosten langfristig in kleinen Beträgen anzusparen“, so eine Pressemitteilung vom August vergangenen Jahres. Im Hartz IV-Regelsatz (208 bzw. 276 Euro für Kinder) sind monatlich für „Schreibwaren im Allgemeinen“ 1,64 Euro vorgesehen.
Auch deshalb ist die Aktion sicher keine schlechte Idee, wenngleich 50 Euro nur etwa ein Drittel der Kosten für einen Schulanfänger decken – diese liegen verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen 150 (Diakonisches Werk) und 180 Euro (DGB). Ob die Stadt Regensburg „Bildung und Chancengerechtigkeit“ aber auf einer breiteren Basis hätte herstellen können – etwa in Form eines Schulmittelfonds für alle bedürftigen Schulkinder – wäre sicher eine interessante Diskussion gewesen, die man im Sozialausschuss am 22. Juli und zwei Tage später, im Stadtratsplenum, hätte führen können.
Im Landkreis Kelheim beispielsweise wurde in diesem Jahr ein Schulmittelfonds eingerichtet. 125 Euro gibt es für Schulanfänger, 75 Euro für alle anderen Schulkinder, die aus Familien stammen, die auf Hartz IV angewiesen sind. Die Eltern erhalten die Summe gegen Vorlage der Belege. Gudrun Brandl von der Abteilung für soziale und kommunale Angelegenheiten rechnet mit etwa 550 Kindern, die diese Leistung in Anspruch nehmen könnten. Möglich wurde die Finanzierung dieser – zunächst nur für dieses Jahr vorgesehenen – Aktion, weil dem Landkreis eine Erbschaft zugunsten von armen und hilfsbedürftigen Kindern vermacht wurde.
Ein Vorbild für Regensburg, dachten sich offenbar Irmgard Freihofer und Richard Spieß (Die Linke). Am 11. Juli reichten die beiden Stadträte einen Dringlichkeitsantrag für einen Schulmittelfonds ein. Sämtliche Schulkinder aus einkommensschwachen Familien sollten demnach einen Gutschein vom Sozialamt erhalten, der in entsprechenden Geschäften eingelöst werden kann. Von den Schulen sollten die berechtigen Eltern eine Einkaufsliste erhalten, um diese im Geschäft vorzulegen. „Zur Finanzierung könnte man auf die nicht benötigten Mittel, die zur Finanzierung der Regensburg International School bereitgestellt wurden zurückgreifen, da diese Schule kleine Genehmigung von der Regierung der Oberpfalz für das kommende Schuljahr erhalten hat“, lautet ihr Finanzierungsvorschlag.
Zur Diskussion über den Antrag kam es allerdings nicht.
Er wurde einen Tag zu spät eingereicht, um die geforderte Antragsfrist von zwölf Tagen einzuhalten. Im Prinzip kein Problem. Auch solche Anträge können behandelt werden. In der Vergangenheit war das häufiger gängige Praxis. Dieses Mal versteckte sich die große Koalition konsequent hinter vermeintlich zwingenden Formalia.
In der Geschäftsordnung für den Stadtrat heißt es: „Verspätet eingehende oder erst unmittelbar vor oder während der Sitzung gestellte Anträge können nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen werden, wenn 1. die Angelegenheit dringlich ist und der Stadtrat mehrheitlich zustimmt oder 2. sämtliche Mitglieder des Stadtrates anwesend sind und kein Mitglied der Behandlung widerspricht.“
Der Widerspruch folgte prompt. SPD-Fraktionschef Norbert Hartl war bei der Sitzung des Sozialausschusses (wo der Antrag vorbehandelt werden sollte) der Ansicht, dass Dringlichkeit nur gegeben sei, „wenn der Stadt Regensburg ansonsten ein Schaden entsteht“. Sozialbürgermeister Wolbergs sah diese Dringlichkeit gleichfalls nicht gegeben und verwies auf die Gutschein-Aktion für Erstklässler. Neben Freihofer und Spieß sah lediglich noch Hans Renter eine Dringlichkeit gegeben, es kam zu keiner Diskussion, geschweige denn einer Abstimmung über den Antrag. Dasselbe Schicksal war dem Schulmittelfonds-Vorschlag der Linken im Stadtrat beschieden. Keine Vorbehandlung im Sozialausschuss, keine Behandlung im Stadtrat, so die Begründung von Oberbürgermeister Hans Schaidinger nach mehreren Anfragen von Irmgard Freihofer. Ende der Diskussion.
Entsprechend angefressen ist Richard Spieß. Die Gutschein-Aktion der Stadt nur für Erstklässler nennt Spieß „populistisch“. „50 Euro ist so gut wie nichts. Das ist Wischi-Waschi-Getue. Von den anderen Kindern ist überhaupt nicht die Rede.“ Im vergangenen Jahr haben rund 100 Eltern von Erstklässlern die 50-Euro-Unterstützung in Anspruch genommen. Spieß spricht von über 2.000 Kindern in Regensburg, die auf Hartz IV-Niveau leben. Eine Unterstützung für diese Schüler sei „parteipolitischem Kalkül“ geopfert worden, um einem Antrag der Linken nicht zustimmen zu müssen. Und selbst, wenn das Argument richtig sei, dass nur bei einem Schaden für die Stadt Regensburg Dringlichkeit gegeben sei, gibt Spieß zu bedenken: „Die 2.000 Kinder sind auch die Stadt Regensburg. Und denen hat man auf jeden Fall geschadet.“
Sozialbürgermeister Joachim Wolbergs: „Wir werden unser Bestes tun, damit alle Schulkinder aus Regensburg einen schönen Schulanfang erleben.“
Im Ferienausschuss des Stadtrats wollen die Linken ihren Antrag erneut stellen.
Joachim Datko
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Wichtiger wäre es, die Grundschulen zu überwachen. Da fällt so manche Stunde aus nichtigem Anlass aus.
z.B.:
– Hitzefrei
– Verabschiedung einer Sekretärin
Die Gesellschaft überprüft nicht, was in den Schulen so abläuft. Meiner Ansicht nach ist unser Bildungssystem ineffektiv.
Veits, M.
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Die “große” Koalition hat ihre wahre Größe gezeigt !!
Zitat aus einem gerichtlichen Eilbeschluss:
“Die *Eilbedürftigkeit* ergibt sich schon daraus, dass die Einschulung nicht verschoben werden kann, sondern von einem außerhalb des Willens des Antragstellers festliegenden Termin abhängt.”
Dr. Neumann
Direktor des Sozialgerichts Schleswig
Einzelheiten unter
http://www.my-sozialberatung.de/cgi-bin/baseportal.pl?htx=/my-sozialberatung.de/entscheidungen&localparams=1&db=entscheidungen&cmd=list&range=100&Freigabe==1&cmd=all&Id=957
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Systematik zur Hartz IV
http://www.sozialhilfe24.de/sozialhilfe_11.html
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Anträge stellen vorher – rechtzeitig!
http://www.rechtsanwaelte-martin.de/inhalt/schulbedarf.html
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Knapp 1000 Urteile
http://www.my-sozialberatung.de/baseportal/my-sozialberatung.de/baseportal.pl?htx=/my-sozialberatung.de/entscheidungen&sort=-Datum%5C%20des%5C%20Eintrags
Franz Schneider
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Wie dem Beitrag von Herrn Veits richtig zu entnehmen ist, ist der Bundesgesetzgeber gefordert für die ausreichende Schulausstattung von Kindern zu sorgen, wo die Eltern dazu nicht in der Lage sind.
Der Antrag der Linken geht also an den falschen Adressaten. Es kann und darf nicht sein, dass der Bund oder das Land untätig bleiben und deren Untätigkeit dann von den Kommunen aufgefangen werden müssen.
Wer solche Anträge auf kommunaler Ebene stellt schafft außerdem eine Zweiklassengesellschaft wenn Regensburg einen solche Fond auflegen würde käme es bei weiterführenden Schulen zu einer ungerechtfertigten Unterscheidung zwischen Stadtkindern und Landkreiskinder, d.h. eine Unzulänglichkeit in der Bündesgesetzgebung würde zu einer Ungerechtigkeit auf loaler Ebene.
Es wird Zeit, dass der Bund für den Schulbedarf ein Gutscheinsystem für Kinder aus sozial benachteiligten Familien auflegt. Bargeld wäre hier fehl am Platz, da dann die sachgerechte Verwendung nicht mehr kontrollierbar wäre.
Was folgt daraus – die örtlichen Bundestagsabgeordneten und die Landtagskandidaten an den Infoständen sind mit diesem Thema zu konfrontieren. Bei entsprechenden Druck kann man zumindest für das Schuljahr 2009/10 etwas bewegen, denn merke: Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Wir dürfen dabei die Kinder aus Hartz IV Familien nicht alleine lassen, diese Inititative muss von einer breiten Sympathiewelle getragen werden. Vielleicht können die Medien hier eine Vorreiter und Koordinierungsrolle übernehmen.
Oder vielleicht stellen sich die Kirchen an die Spitze einer solchen Bewegung für gleiche Bildungschancen, dass wäre eine Gelegenheit für unseren Bischof christliche Nächstenliebe im Alltag zu fördern.