25 Feb.2010
„Skandal” Eisenberg: Anwälte begründen Beschwerde
Bald ein Jahr ist es her, seit der Student Tennessee Eisenberg bei einem Polizeieinsatz in Regensburg erschossen wurde. Im Dezember stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die beiden Schützen ein. Heute haben die Rechtsanwälte der Familie ihre Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft begründet.
Eisenberg wurde bei einem Polizeieinsatz am 30. April erschossen. Zwei Polizeibeamte feuerten dabei insgesamt 16 Mal auf Eisenberg. Zwölf Schüsse trafen. Zuvor hatte Eisenberg seinen Mitbewohner mit einem Messer bedroht. Der konnte flüchten und informierte die Polizei. Kurz darauf war Eisenberg tot.
Die Regensburger Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen die beiden Beamten nach nahezu acht Monaten Ermittlungsdauer kurz vor Weihnachten ein. Es habe eine Nothilfe- bzw. Notwehrsituation vorgelegen, ließ die Staatsanwaltschaft via Presseerklärung verlauten. Derzeit läuft dagegen die Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg. Man empfinde die Einstellung als „skandalös”, so Rechtsanwalt Helmut von Kietzell.
„Die Staatsanwaltschaft stellt im Rahmen der Einstellungsverfügung wichtige Tatsachen willkürlich, nämlich im Gegensatz zu den Ermittlungsergebnissen dar”, heißt es in der heute verschickten Erklärung der drei Rechtsanwälte der Familie. Dabei listen sie mehrere Ungereimtheiten auf.
Bereits die Notwehrsituation bei den ersten Schüssen wird von den Rechtsanwälten bezweifelt. Sowohl die Gutachten des Landeskriminalamts als auch des von der Familie beauftragten Experten Dr. Bernd Karger hätten ergeben, dass der erste Schuss bereits fiel, als Eisenberg von seiner Wohnung im ersten Stock die Treppe hinunter ging.
Bei den folgenden zwei Schüssen, von denen einer Eisenbergs Knie, der andere seinen linken Oberarmknochen durchschlug, sei der Student „nach Überzeugung aller Gutachter” treppaufwärts, „so als wollte er die Treppe, die er soeben heruntergekommen war, nun wieder hinaufsteigen”. Die Schüsse trafen ihn von hinten. Die Staatsanwaltschaft ignoriere diese „objektiven und eindeutigen Spuren” und stütze sich im Weiteren ausschließlich auf Zeugenaussagen der Beschuldigten und deren Kollegen.
Bei den letzten, tödlichen Schüssen stütze sich die Staatsanwaltschaft ausschließlich auf die Verteidigererklärung des Schützen. Dieser behauptet, er sei vor Eisenberg rückwärts gehend zurückgewichen, dann auf einen Widerstand gestoßen. „Er will sich in der Falle gefühlt haben und in Todesangst die tödlichen Schüsse aus minimal 1,70 Meter Entfernung abgefeuert haben, als der schwerstverletzte Tennessee Eisenberg blutend, humpelnd und mit nutzlos herunterhängendem linkem Arm immer näher kam.”
Dem widerspricht eine andere Zeugenaussage, der Eisenberg zu Boden fallen sah. Die Eingangstüre, die der Schütze im Rücken hatte, muss demnach offen gewesen sein, folgern die Rechtsanwälte. Der beschuldigte Beamte hätte das Haus verlassen und die Türe hinter sich schließen können. „Es mutet eigenartig an, dass die Staatsanwaltschaft ausschließlich der Verteidigererklärung des Beschuldigten 2 folgt und die Erklärungen des Zeugen völlig ignoriert.”
„Die Wertung der Staatsanwaltschaft, jeweils den Angaben der Beschuldigten zu folgen, auch wenn objektive Spuren oder andere Zeugen dagegen sprechen, ist ungewöhnlich. Wäre diese Haltung bei der Staatsanwaltschaft die Regel, würden wohl kaum noch Straftaten angeklagt, da die Beschuldigten sich in aller Regel als unschuldig darstellen.”
Den Ablauf des Polizeieinsatzes bezeichnen die Anwälte als „unverantwortlich. Obwohl die Beamten gewusst hätten, dass der Mitbewohner Eisenbergs unverletzt entkommen war, obwohl sie wussten, dass auch sonst niemand gefährdet war und obwohl sie wussten, dass Eisenberg mit Suizid gedroht hatte, sei man „ohne Einsatzplan, völlig konzeptlos”, in die Situation gestolpert und habe den in Unterwäsche mit Küchenmesser in der Hand in seiner Wohnung stehenden Eisenberg mit dem Kommando „Messer weg“ begrüßt.
Die Rechtsanwälte fordern ein öffentliches und transparentes Gerichtsverfahren. Sie gehen davon aus, „dass die Einstellungsverfügung aus den hier skizzierten Gründen spätestens im Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Nürnberg keinen Bestand haben kann”.
Die komplette Erklärung im Originalwortlaut (PDF)
Ruiß
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ich möchte hier niemandem etwas unterstellen. Aber es ist aus vielen Beispielen doch bekannt, dass bei der Polizei der Corps- und “Kameradschaftsgeist” sehr ausgeprägt ist. Im Notfall wird man den Kollegen mit allen Mitteln zu schützen versuchen. Wollen wir hoffen, dass hier nicht massiv gelogen worden ist.
Michael Hedenus
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Ich bin froh, daß die Hinterbliebenen nicht einknicken, sondern den Kampf weiterführen. Ein Mensch wird unter unklaren Umständen von Beamten getötet und es soll kein Gerichtsverfahren geben. Das ist ein Skandal!
Samson
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Liebe Familie Eisenberg, haltet durch im Kampf um Gerechtigkeit! Dieser Fall ist eine Schande für unser Land und wurde sogar in Bruder Barnabas Fastenpredigt gestern bedacht (auch, wenn das mit dem “Geisteskranken” sicher ein Schnitzer war):
Bruder Barnabas spricht Fall Eisenberg an
Auf dem Nockherberg haben am Abend nicht nur Politiker ihr Fett abgekriegt auch die Regensburger Polizei musste einiges einstecken.
Michael Lerchenberg sprach in seiner Fastenpredigt als Bruder Barnabas den Fall des erschossenen Studenten Eisenberg an : “Das Lieblingsbuch von Innenminister Hermann ist die Entdeckung der Langsamkeit und die bayerische Polizei hält sich daran …….. Wenn in Regensburg zwei überforderte Polizisten zwölf mal auf einen Geisteskranken schießen, davon vier Schüsse wie einst beim Jennerwein von hinten, dann wird ganz langsam ermittelt- wenn überhaupt, so Lerchenberg in seiner Fastenpredigt. Im Publikum waren einige Oberpfälzer, u.a. Europaministerin Emila Müller und Theo Zellner, neuer bayerischer Sparkassenpräsident und Noch-Landrat in Cham.
Do. 04. Mär., pö Ostbayern-Nachrichten
Hans
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Ja, da blieb so Einigen das Bier im Halse stecken.