09 Jun2008
„Großes Verkehrskonzept“ wird fortgesetzt
Ohne Blasmusik geht in Bayern (fast) gar nix. Und so braucht es auch nicht zu wundern, dass beim offiziellen Spatenstich für den Ausbau der Nordgaustraße zünftig aufgespielt wurde, während Politiker und Stadtplaner bei Bier und Schnittchen die 7,35 Millionen Euro teure Baumaßnahme auf dem DEZ-Parkplatz feierten.
Obwohl der bayerische Innenminister Joachim Herrmann seinen Besuch abgesagt hatte, war der Oberbürgermeister bester Laune. Auch das kein Wunder: Just zum Tag des offiziellen Spatenstichs hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Planfeststellungsbeschluss der Stadt Regensburg (vorläufig) für rechtens erklärt. Anwohner an der Altmühlstraße hatte Klage eingereicht. Sie fordern eine Lärmschutzwand. Die soll es nicht geben.
Aber, so Hans Schaidinger, „Allen kann man es nicht recht machen.“ In Deutschland gebe es, etwa im Gegensatz zu Frankreich, bei Bauprojekten sehr weitreichende Möglichkeiten für Bürger, ihre Rechte einzuklagen. „Wir akzeptieren das.“ Doch wenn alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft seien, gelte es auch für die Bedenkenträger, das Ergebnis trotz „unwillkommener Begleiterscheinungen“ zu akzeptieren und Projekte gemeinsam umzusetzen. Zwei Bewohner der Altmühlstraße waren vor Ort und lauschten diesen Ausführungen mit resigniertem Gesichtsausdruck. Es ist Pech, entlang einer „wichtigen Nord-Süd-Verbindungen“ zu wohnen.
Vordringliches Ziel der nun offiziell begonnenen Baumaßnahme sei, so Schaidinger, ein besserer Verkehrsfluss durch neue Busspuren. Dadurch beziehe man Stellung für die Umwelt: Man fördere gezielt den öffentlichen Personennahverkehr. Und: „Durch den Ausbau wird sichergestellt, dass die Nordgaustraße bestens auf die prognostizierte Zunahme des Verkehrs um bis zu 28 Prozent im Jahr 2020 vorbereitet ist.“ Bis Mai 2009 soll die Baumaßnahme abgeschlossen sein. Ganz ohne Totalsperrung. Dann ist die Nordgaustraße sechsspurig. Teil eines „großen stadtplanerischen Verkehrskonzeptes“ (Schaidinger), zu dem bereits die neue Nibelungenbrücke gehört und dem sich die Sallerner Regenbrücke anschließen soll. Kritiker nennen dieses Konzept „Stadtautobahn“. Professor Harald Kurzak, der 2005 das Verkehrsgutachten für Stadt und Landkreis Regensburg ausgearbeitet hat, sprach einmal mit Blick auf die Sallerner Regenbrücke von einer „Lösung für die nächsten 15 bis 20 Jahre“.
80 Prozent der Kosten für den Umbau der Nordgaustraße übernimmt der Freistaat, als dessen Vertreter Ministerialdirigent Josef Poxleitner ein Hohelied auf die „kräftigen Finanzspritzen“ der bayerische Staatsregierung singen durfte.
Der große Bahnhof, den die Stadt Regensburg zum Spatenstich organisiert hatte, ist deshalb nicht nur dem Landtagswahlkampf geschuldet, sondern auch dem Wunsch der Stadtspitze, die „kräftigen Finanzspritzen“ des Freistates auch für die Sallerner Regenbrücke zu erhalten. Aller Voraussicht dürfte sich der Baubeginn für das umstrittene Projekt – so es denn kommt – noch eine Weile hinziehen. Noch im vergangenen Jahr noch hatte Schaidinger mit der Aussage Druck gemacht, der Spatenstich müsse zwingend 2007 erfolgen, um Fördergelder vom Freistaat zu erhalten.
Mit Blick auf die Sallerner Regenbrücke und Osttangente ließ Schaidinger verlauten, dass SPD und CSU im Koalitionsvertrag vereinbart hätten, beiden Baumaßnahmen laut Stadtratsbeschluss umzusetzen, sollte der geplante Bürgerentscheid (über dessen Zulässigkeit wird am 18. Juni entschieden) keinen Erfolg haben. Das hieße: Bau der Sallerner Regenbrücke und Verlängerung der Osttangente – ohne Lärmschutzdeckel.
Für Schaidinger ist das Ergebnis beider Baumaßnahmen klar: „Alle Bereiche des Stadtnordens haben etwas davon.“ Das sieht bekanntlich nicht jeder so. Eines dürfte aber feststehen: Für die verkehrsgeplagten Bewohner der Amberger Straße wird die verbreiterte Nordgaustraße den Leidensdruck schon einmal erhöhen. Das Wohnen entlang der Nordgaustraße ebenfalls kein Zuckerschlecken ist, konnte man sich trotz Bier und Blasmusik auch auf dem DEZ-Parkplatz vorstellen.