„Was sind das – moderne Regensburger?” Oder: Schlingensief und wir!
Nicht nur Schlingensief-Fans sollten sich den 25. Februar 2011 vormerken. An diesem Freitag steigt um 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) im Andreasstadel in Regensburg ein Abend, der an den 2010 verstorbenen Künstler erinnert. Im Fokus dabei: Die famos gescheiterte Kulturhauptstadtbewerbung Regensburgs im Jahr 2005, bei der Christoph Schlingensief eine bemerkenswerte Rolle spielte.
Die so genannte „Fünferbande“, von Oberbürgermeister Hans Schaidinger engagiertes Team, um Regensburg zur „kulturellen Bundesreife“ zu verhelfen, hatte Schlingensief als Zugpferd aus dem Hut gezaubert. „Zum Freundschaftspreis“, wie es damals hieß. „Keine Chance Regensburg“ war das Ergebnis dieses Engagements. Schlingensief brachte das multimediale Theaterstück am 10. Februar 2005 an der Volksbühne Berlin zur Aufführung. Und (nicht nur) der Oberbürgermeister, sondern auch Angehörige der hohen Geistlichkeit, Stadträte und Kulturreferent, die eigens mit einem Bus nach Berlin gereist waren, um den Triumph hautnah mitzuerleben, blieben am Ende sprachlos zurück…
Der Journalist Thomas Muggenthaler lässt am 25. Februar die Ereignisse von damals Revue passieren, hat Zeitzeugen eingeladen und zeigt Schlingensiefs Film „100 Jahre Adolf Hitler. Die letzten Tage im Führerbunker“. Ein Abend, den man sich nicht entgehen lassen sollte (mehr beim Kunstverein GRAZ). Als einen Vorgeschmack veröffentlichen wir im Folgenden einen Bericht zur Aufführung von „Keine Chance Regensburg“ aus dem Jahr 2005 (Verfasser: Stefan Aigner).
Provokation mit Hintergrund
Man muss schon bis nach Berlin fahren, um den Oberbürgermeister sprachlos zu erleben. „Da muss ich erst darüber nachdenken“, so der erste Kommentar von Hans Schaidinger unmittelbar nach „Keine Chance Regensburg“. Christoph Schlingensief hatte sich auf Initiative der Fünferbande bereit erklärt, die Kulturhauptstadtbewerberin vor überregionalem Publikum an der Berliner Volksbühne zu präsentieren – er hat der Domstadt ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgestellt. Gelächter war noch zu vernehmen, als ein Darsteller mit Seppl-Hut und Lederhose verkündete, dass man Regensburg jetzt 95 Mal erwähnt habe und damit der wesentliche Bestandteil des Vertrages erfüllt sei. Ein unterhaltsamer und ein „bisserl kritischer” Theater-Abend schien bevor zu stehen.
Hohles Geplapper und provinzieller Größenwahn
Diese Stimmung änderte sich spätestens nachdem die – eigentlich erwartbaren – Aufreger Gegenstand der Vorstellung wurden: Frosch-Kreuzigungen quasi am Fließband. Aber nicht genug damit: Ein Bischof bereitete sich am Hometrainer darauf vor, die „Domspatzen mit ihren kleinen Pimmelchen” hart anzupacken. Das Hakenkreuz, welches, in Zusammenhang mit dem „von Demenz geprägten Geschichtsbewusstsein” in Regensburg, auf der Bühne erschien, war da fast schon harmlos. Regensburg als ein Ort hohlen Geplappers und provinziellen Größenwahns. Viel Getöse, Streitereien und Lärm um nichts. Wichtiges, Interessantes und Bedenkenswertes spielt keine Rolle: Auf der Bühne wurde es immer wieder von lauter Volksmusik und „Wir sind die Welt“-Chören nieder geplärrt. Von Kultur keine Spur.
Bischof, Frosch und „Pimmelchen”
Dieses Regensburg-Bild spiegelte sich auch in der Konzeption der multimedialen Bühnenshow wieder. Vordergründig die Hingucker, die plakative Provokation; buchstäblich am Rande die tatsächlich wichtigen Informationen und eigentlichen Aufreger, die hinter Bischof, Frosch und „Pimmelchen” untergingen. Am Rand der Bühne stand nämlich auch die Videoleinwand von Angela Jansen, einer 49jährige ALS-Patientin, die bis auf ihre Augen völlig gelähmt ist. Sie gab über Computer so manch interessante Hintergrundinfo zu Regensburg: die Immer-noch-Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers, Arbeitslosenzahlen, aktuelle ausländerfeindliche Übergriffe, abstruse Forderungen von Fürstin Gloria in Zusammenhang mit der Bewerbung und insbesondere der fragwürdige Umgang mit dem ALS-Zentrum in Regensburg.
Folgerichtig forderte das Ensemble an dem Abend vom OB 200.000 Euro für das ALS-Zentrum an der Regensburger Uni-Klinik ein. Das sei wichtiger, als „ein Unterhaltungsprogramm“, von dem wohl niemand ernsthaft glaube, dass es irgendwelchen Einfluss auf Regensburgs Chancen im Wettbewerb habe. „Was sind das – moderne Regensburger?” Mit dieser bedenkenswerten Frage ging eine denkwürdige Veranstaltung zu Ende. Eine Antwort darauf gab Hans Schaidinger beim anschließenden Empfang mit Weißwurst, Bier und Brezen zwar auch nicht, er gestand aber ein: „Das war mehr Provokation als wir uns erhofft haben. Damit muss Regensburg aber fertig werden.”
„Regensburg ist nicht krank. Es kann sich nur nicht bewegen.”
Wie dieses „Fertigwerden” aussieht, durfte man bei einer Pressekonferenz am Montag darauf erfahren. „Schlingensief war gestern”, verkündete da ein gut gelaunter OB (Wie wahr. Noch während der Vorstellung distanzierte Schlingensief sich, vertreten durch einen Schauspieler von der Regensburger Bewerbung und wandte sich unter dem Motto „Essen für alle” der Mitbewerberin aus dem Ruhrpott zu.). Es sei gut gelaufen und man habe auch die erhoffte überregionale Publicity erhalten.
Einen Grund, konkret auf Aussagen im Stück zu reagieren gebe es allerdings nicht. „Sonst hat man das nicht verstanden”, so der OB. Insofern trifft die von Schlingensief geäußerte Kritik durchaus zu: „Regensburg ist nicht krank. Es kann sich nur nicht bewegen.” Auch dieser Satz war auf besagter Video-Leinwand erschienen. Aber das ging wohl unter …
Schlingel
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Regensburger Kulturlandschaft, da sag ich lieber jetzt mal nix sonst komm ich nicht unter 2000 Zeichen Kotz Würg aus, und wir muessen doch alle lieb und nett sein.
geheuchelte Grüße
vom
Schlingel
grace
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