02 März2012
Evita am Stadttheater Regensburg
Evita – oder: Wir rocken einfach mal das Haus!
„Hier habt ihr Geld, macht doch was ihr wollt“, scheint das Credo des Regensburger Stadttheaters zu sein, in den letzten Spielzeitmonaten der Ära Weil. Was dabei herauskommt, ist manchmal Quatsch („Leonce und Lena“), im Fall Evita allerdings vor allem eines: umwerfend (Fotos: Juliane Zitzelsperger).
Es ist begrüßenswert, das offensichtliche Desinteresse Ernö Weils dieser Tage. „Hier habt ihr Geld, macht doch was ihr wollt“, scheint das Credo des Theaters zu sein, in den letzten Spielzeitmonaten der Ära Weil. Die Parole lautet: Nehmt bloß keine Rücksicht mehr auf sensible Abonnenten und die zurückhaltend-konservative Seele des gemeinen Regensburger Theatergängers. Wir rocken jetzt mal das Haus! Was dabei herauskommt, ist manchmal Quatsch („Leonce und Lena“), im Falle Evitas allerdings vor allem eins: umwerfend.
Kochheim hinterfragt in seiner Inszenierung auch die ideologisch eingefärbte Erzählung der Geschichte Eva Peróns, die Webber und Rice vor allem durch den Filter der wirtschaftlichen zwischen Großbritanniens und Argentinien sahen. Als Hintergrundmaterial des Musicals gilt bis heute Mary Mains Biographie „Evita – die Frau mit der Peitsche“.
Webber und Rice hatten naturgemäß kein Interesse an einer differenzierten Darstellung der Peróns. Einige der Vorwürfe, die die Figur Che vorbringt (sehr präsent: Randy Diamond), werden mittlerweile im historischen Diskurs kontrovers diskutiert. Und weil Kochheim dem Regensburger Publikum offenbar nicht zutraut, die Komplexität der Geschichtsschreibung auch auf Anhieb zu verstehen, lässt er zu Beginn gleich noch eine Kindergruppe auftreten, die wie im Museum an den verschiedenen derangierten Evita-Figuren vorbeigeführt wird, damit auch der letzte im Publikum versteht, dass wir es hier mit nicht ganz einfachen historischen Zusammenhängen zu tun haben und wir, zumindest in dieser Inszenierung, keine simplen Antworten erwarten dürfen.
Die Einführung von Tänzer_innen (präzise Choreographie: Seân Stephens), die direkt der Figur Eva zugeordnet sind, und die sich durch die innere Zerrissenheit Evitas tanzen, ist eine der vielen wirklich innovativen Entscheidungen dieser Inszenierung. Wenn sie beispielsweise blutrote Bänder aus den Wänden ziehen und sie quer über die Bühne schnappen lassen, wirkt der Raum wie zerschnitten, die Menschen darin hilflos, den Tänzer_innen wie ausgeliefert. Das verschmierte Make-Up der Tänzer_innen und ihre clownesken Kostüme stehen im direkten Kontrast zu Evas perfekter Fassade und nehmen bereits ab der ersten Szene ihren körperlichen und auch ihren geistigen Verfall vorweg.
Etwas schade ist Kochheims mangelndes Vertrauen in seine Solist_innen. Oft finden Songs auf der linken oder rechten Vorbühne statt, während auf der Hauptbühne gleichzeitig noch getanzt wird. Das lenkt ab und überfrachtet das Bild, was dem Regisseur aber verziehen sei.