Unsere Klick-Top Ten 2017
Was hat unsere Leserinnen und Leser abseits der Korruptionsaffäre (die wir im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks behandeln) besonders interessiert? Ein kleiner Überblick zu den meist gelesenen Themen des Jahres.
Platz 10: AfD wird zweitstärkste Kraft im Landkreis
Bei der Bundestagswahl bleibt auch der Raum Regensburg nicht von den Zuwächsen der AfD verschont. Insbesondere im Landkreis zeigt sich deutlich, dass die Behauptung nicht zutrifft, derzufolge die CSU durch ihre Politik die AfD in Zaum halten würde. CSU und SPD liegen im Landkreis noch unter den ohnehin schon historisch schlechten Werten in Land und Bund, die AfD landet auf dem zweiten Platz vor den Sozialdemokraten. Bei der städtischen Wahlparty im Leeren Beutel verfolgt ein konsternierter Tobias Hammerl die eintrudelnden Ergebnisse. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Astrid Freudenstein verliert ihr Mandat.
Platz 9: Regensburg feiert den Müller-Rauswurf
„Na endlich!“ „Hurra, hurra! Halleluja!“ „Yes!“ So fallen Anfang Juli die Reaktionen in sozialen Medien, aber auch Zuschriften und Pressemitteilungen von Laiengruppen aus, als bekannt wird, dass Papst Franziskus Kardinal Gerhard Müller als Chef der Glaubenskongregation gefeuert hat. Man merkt deutlich: Als Regensburger Bischof hat Müller tiefe und schmerzhafte Spuren hinterlassen – sein technokratischer und gefühlloser Umgang mit Missbrauchsopfern ist bundesweit bekannt. Selbstkritik oder gar ein Schuldeingeständnis – Fehlanzeige. So verfährt Müller auch nach seinem Rauswurf und wird zum Papstkritiker und Bewahrer des einzig wahren Glaubens. Unterstützung erhält er dabei unter anderem von dem nach wie vor im Amt befindlichen Missbrauchsverharmloser Generalvikar Michael Fuchs, der Müller während dessen Regensburger Zeit als willfähriger Vasall beim Verfassen demütigender Serienbriefe zu Diensten war und nun papstkritische Botschaften via Twitter absondert.
Platz 8: Die Mietpreisbremse schützt – das Jobcenter
Es ist ein bundesweit einmaliger Fall: In Regensburg wird die Mietpreisbremse vom Jobcenter angewendet, um Empfänger von Arbeitslosengeld II zu triezen. Im Fall von Hartmut R., über dessen Fall wir im Oktober berichten, weigert sich die Behörde, die Kosten für den Umzug zu übernehmen, weil die Warmmiete von 330 Euro für 22 Quadratmeter die „ortsübliche Vergleichsmiete“ um mehr als zehn Prozent übersteige. Von der Miete will das Jobcenter zunächst nur 215 Euro übernehmen. Unser Bericht schlägt Wellen in zahlreichen Hartz IV-Foren und Newslettern von Fachleuten. Auch die Süddeutsche Zeitung steigt ein und spricht von einem Fall, der in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen dürfte. Rechtsanwalt Otmar Spirk will den Fall für seinen Mandaten notfalls durch alle Instanzen klagen. Dass die Mietpreisbremse zumindest rückwirkend unwirksam ist, wird von der für das Jobcenter zuständigen Stadt Regensburg geflissentlich ignoriert. Und gegen echte Miethaie, die für regelrechte Löcher bis zu 25 Euro Grundmiete pro Quadratmeter verlangen, wie etwa in einem Ex-Puff in Burgweinting, scheinen die Behörden – Mietpreisbremse hin, Mietpreisbremse her – weitgehend machtlos zu sein. Immerhin: Nach unserem Bericht über die Zustände in dem Haus in Burgweinting kündigt die Stadt eine Überprüfung an – unter anderem wegen möglichen Mietwuchers.
Platz 7: Irgendetwas mit Hitler
Wer auf einem Bahnhof den Hitler-Gruß zeigt und dazu laut „Heil Hitler“ ruft, macht sich deshalb nicht strafbar. So sieht es das Landgericht Regensburg in einem Urteil vom Mai. Zwar hat der Vorsitzende Richter keinerlei Zweifel daran, dass die Parole „laut ausgesprochen“ wurde, allerdings habe es an der notwendigen Öffentlichkeit gefehlt, um zu einer Strafe wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu führen. Gemäß Rechtsprechung sei eine Öffentlichkeit erst durch die Anwesenheit von drei unbeteiligten Personen in Hörweite gegeben. Anwesend war aber nur eine Person. Vor allem außerhalb Regensburgs sorgt das Urteil für Aufmerksamkeit. Das Watchblog Fefes Blog des Berliner IT-Sicherheitsexperten Felix von Leitner erwähnt unseren Bericht mit der sarkastischen Schlagzeile „Gute Nachricht aus Regensburg: Der Hitlergruß ist jetzt endlich wieder straffrei“ und beschert uns eine vierstellige Zahl an Berliner Lesern.
Platz 6: Gastspiel eines Jahn-Investors
Die Meldung kommt eher unerwartet: Der in der Korruptionsaffäre beschuldigte Bauträger Volker Tretzel verkauft im Juni seine Anteile am SSV Jahn – annähernd 90 Prozent – an ein Unternehmen namens Global Sports Invest. Für 3,25 Millionen Euro, wie später bekannt wird. Relativ schnell wird klar: Der Verein will das Unternehmen und dessen Geschäftsführer Philipp Schober so schnell wie möglich wieder loswerden. In den kommenden Wochen üben Fans, Vereinsführung und Mittelbayerische Zeitung den Schulterschluss und überziehen Schober mit einer regelrechten Kampagne. Rasch entsteht das Bild eines Hallodris, der geschäftlich bislang nichts zuwege gebracht hat. Schober klagt erfolglos gegen die MZ, am Ende wirft er das Handtuch und verkauft seine Anteile zurück an Tretzel, der sie anschließend an den SSV Jahn weiterreicht – zu einem nicht genannte Preis. Der Verein bedankt sich artig beim „lieben Volker“ für diesen „großen Dienst“. Einen Antrag von Fans, künftig keine Investoren mehr zuzulassen, lehnt die Mitgliederversammlung ab. Eine Autorin der MZ erhält für den wackeren Schutz des SSV Jahn den Eberhard-Woll-Preis.
Platz 5: Hans Schaidinger hat Geburtstag
Zum 68. Geburtstag von Hans Schaidinger am 23. Februar veröffentlicht unsere Autorin Bianca Haslbeck eine furiose Laudatio auf den Über-Oberbürgermeister. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits seit einem Monat bekannt, dass in der Korruptionsaffäre auch gegen Schaidinger ermittelt wird. Im Fokus: ein monatlich mit 20.000 Euro dotierter Beratervertrag und Segeltörns auf einer Baulöwen-Yacht. Dass es Schaidinger ähnlich ergehen wird wie Joachim Wolbergs steht angesichts der glücklichen Fügung der Verjährung kaum zu befürchten, obwohl viele hinter ihm den Drahtzieher einer seit Jahrzehnten korrupten Baupolitik in Regensburg sehen. Entsprechend fallen auch Bianca Haslbecks Glückwünsche aus: „Insofern darf man Hans Schaidinger getrost gratulieren – nicht nur zum Geburtstag, sondern vor allem zur Aufzucht eines ganz erstaunlichen Gewächses, das sich schimmelpilzartig auf den Nachfolger, die Verwaltung, die städtischen Tochtergesellschaften, die Wirtschaft, die Banken und den Sport ausgebreitet hat.“ Ja, vielen Dank dafür, Herr Schaidinger!
Platz 4: Revival eines April-Scherzes
Bereits am 1. April 2016 konnte regensburg-digital die frohe Botschaft verkünden: Fürst Albert von Thurn und Taxis und die AfD-Politikerin Beatrix von Storch sind ein Paar und wollen heiraten. Alberts Zukünftige und Schwiegermama Gloria sind bereits ein Herz und eine Seele: Flüchtlinge abknallen, Abtreibung verbieten und Schwule gesund beten sind nur ein paar wenige der gemeinsamen Interessen. Warum dieser völlig aus der Luft gegriffene Scherz mit so vielen Wahrheiten auch ein Jahr später noch auf so viel Interesse stößt, lässt sich unter Umständen mit aktuellen lobenden Worten Glorias für die adlige AfD-Trulla erklären – im Oktober 2017 attestierte sie Beatrix von Storch in einer Kolumne fürs Wochenblatt unter anderem Seriosität und Glaubwürdigkeit, so wie sie es generell zu lieben scheint, mit AfD-Thesen in dem zur Wutbürger-Postille verkommenen Anzeigenblatt zu provozieren – neben Kolumnistinnen wie Astrid Freudenstein, Gertrud Maltz-Schwarzfischer und Tanja Schweiger. So oder so waren wir mit unserem Scherz der Realität in vielfacher Hinsicht wohl voraus.
Platz 3: Die Soldaten des Göttervaters
Sie sehen aus wie eine Mischung aus Motorradclub (ohne Motorräder), Hundeführerstaffel und autonomer Neonazi-Truppe: die „Soldiers of Odin“. Anfang Dezember patrouilliert ein gutes Dutzend dieser Bewahrer der germanischen Götterwelt auch durch Regensburg, um die Glühweinverkostung auf den hiesigen Christkindlmärkten zu sichern. Vordergründig gibt man sich brav-bürgerlich, mit der Absicht, doch nur Menschen helfen und für Sicherheit auf den Straßen sorgen zu wollen. Facebook-Postings und personelle Überschneidungen belegen aber eindeutig eine Nähe zur extremen Rechten – wie zum Beispiel der NSDAP-Nachfolgepartei „Der III. Weg“. Einem Würzburger Journalisten, der als einer der ersten über den deutschen Ableger dieser rassistischen Bewegung berichtete, würden einige der selbsternannten Bürgerwehr gerne „die Zunge abschneiden“. Nach unserem Artikel bejammern die Soldiers die angeblich zahlreichen Unwahrheiten, ohne eine einzige benennen zu können. Kurz vor Jahresende werden die “Soldiers of Odin” vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistische Gruppierung eingestuft.
Platz 2: Ein Mensch wird erledigt
Fast zwei Jahre alt ist unser Bericht über einen schwerkranken Mann, der durch das Verhalten des Jobcenters in die Obdachlosigkeit getrieben wurde und nur mit Glück einen Unterstützer, Rechtsanwalt Otmar Spirk, fand, der dafür sorgte, dass er nach Recht und Gesetz behandelt wurde. Am Ende ging alles gut aus: Adriano M. bekam die Unterstützung, die ihm zustand. Doch auch 2017 sorgt sein Fall wieder für Aufmerksamkeit – als pars pro toto eines Hartz-IV-Systems, das immer wieder zwangsläufig zu solchen Ungerechtigkeiten führt. Wir berichten regelmäßig über den achtlosen Umgang mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft – nicht nur durch das Jobcenter –, der gerade für eine reiche Stadt wie Regensburg mehr als beschämend ist. Die städtischen Notunterkünfte sind dafür ein besonders schlagendes Beispiel. Unsere Texte dazu schaffen es immerhin alle unter die Top 20.
Platz 1: Ein folgenschwerer Tippfehler
An der OTH Regensburg ist die Angelegenheit bereits seit geraumer Zeit bekannt, doch regensburg-digital ist Anfang Oktober das erste Medium, das darüber berichtet: Anstatt knapp 137 beginnen in diesem Semester rund 500 Erstsemester mit dem Studium der Sozialen Arbeit an der Regensburger Hochschule. Der Grund: Durch einen Tippfehler wurden alle Bewerber für den eigentlich zugangsbeschränkten Studiengang zugelassen. Eine Sprecherin räumt ein, dass der Fehler die OTH über Jahre beschäftigen werde. Es müssen Hörsäle angemietet, Toiletten umgebaut und neue Stellen geschaffen werden – Letzteres ist zumindest ein positiver Nebeneffekt dieses Fehlers, der nun auf absehbare Zeit für kuschelige Verhältnisse an der OTH sorgt. Zahlreiche überregionale Medien zitieren uns. Die Mittelbayerische Zeitung erwähnt die Angelegenheit – ohne Quelle – in einer Randnotiz.
Else E.
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Ich habe 2017 erst angefangen, RD zu lesen. Ich kann nur gratulieren zu der journalistischen Qualität, mit der heiße Eisen in der Region aufgedeckt und veröffentlicht werden. Weiter so!
Entwicklungspotential sehe ich bei der Werbung. Wenn ich Bekannten von Artikeln in RD erzähle, sind sie interessiert und geben zu, dass sie erstmals von diesem Informationsangebot hören. Eine schlug vor, den Link doch an Freunde weiterzumailen. Gute Idee, einfache Umsetzung. Mein “guter Vorsatz” fürs neue Jahr. Einer meiner wenigen.